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Mariupol vor dem Beginn der Kämpfe um die Stadt

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ZiB24
Berichte Ukraine
In der Ostukraine war heute am frühen Abend noch nichts von einer Feuerpause zu bemerken. Donezk wurde mit Artillerie beschossen, es gibt wieder kein Trinkwasser, weil wiederum eine Pumpstation durch Beschuss beschädigt wurde. Immer näher rücken die Kämpfe auch an die 450.000 Einwohner zählende Hafen- und Industriestadt Mariupol heran. Bereits vom Zentrum der Stadt aus war heute Geschützfeuer zu hören; keine zehn Kilometer mehr sind die Gefechte bereits von Mariupol entfernt.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Mariupol

Insert1: Konstantin, Pensionist und Bewohner von Primorskino

Insert2: Konstantin, Pensionist und Bewohner von Primorskino

Insert3: Viktor, Bewohner von Primorskino

Insert4: Voktor, Bewohner von Primorskino

Gesamtlänge: 2’06

Im Dorf Primorskoe, vier Kilometer östlich von Mariupol, stiegen heute Rauchschwaden auf; noch stammten sie nur von einem abgebrannten Feld. Das kann sich sehr bald ändern, weil von Primorskoe bereits Rauchschwaden zu sehen sind, die aus Gefechten und Artillerieduellen zwischen prorussischen Kräften und ukrainischen Truppen stammen. Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung lebt im Dorf trotzdem noch:

„Man hätte sich von Beginn einigen sollen; zu spät ist es nicht; aus jeder Lage gibt es einen Ausweg, aus absolut jeder.“

Die näher rückende Front nimmt Konstantin durchaus gelassen:

„Ich bleibe; hier sind wir geboren, hier werden wir sterben. Ich bin schon in Pension.“

Auf Panik deutet im Dorf zunächst nichts hin; der Autobus fährt noch, Bewohner kehren vom Einkaufen zurück; doch nicht alle sind gelassen:

„Faschisten aus der Westukraine ermordet russische Einwohner. Ziehen sie ab, wird kein Krieg sein. Ich bekreuzige mich, dass es so ist: Mein Vater kommt aus Moskau, meine Mutter ist Ukrainerin. Diese Hundesöhne sind gekommen, uns umzubringen“

Gemeint ist damit das Bataillon Asow; es gelt vielen Bewohnern des Donez-Beckens auch wegen seiner Symbole als faschistische Truppe. An der Straßensperre Richtung Osten bezogen heute Freischärler des Bataillons demonstrativ Stellung. Die 300 Männer sind meist jung, haben nur einen Schnellsiedekurs hinter sich, und einer war nach seiner ersten Feindberührung sichtlich geschockt. Ruhig war es dagegen im Zentrum von Mariupol. Die Bevölkerung bemüht sich, so normal wie möglich zu leben. Schlangen vor Bankomaten und Banken zeigen, wie ernst die Lage ist. Devisen und sogar die Landeswährung Griwna sind knapp. Katastrophal könnte die Lage werden, sollten auch die Großbetriebe von Artillerie und Raketen getroffen werden; denn Großbränden wäre die Feuerwehr in Mariupol nicht gewachsen.

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