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Reportage aus der Hafenstadt Mariupol

Sonstiges
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Berichte Ukraine
In der Ostukraine haben prorussische und russische Kräfte der ukrainischen Armee heute wieder einen Schlag versetzt; so haben die Rebellen nach eigenen Angaben vier ukrainische Erdkampfflugzeuge des Typs Suchoi-25 abgeschossen. Durch ihre militärischen Erfolge bedrohen die Rebellen nun auch wieder die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Auf die 460.000 Einwohner zählende Stadt entfällt ein Drittel der Industrieproduktion des Kreises Donezk. Mariupol konnten die Ukrainer erst Anfang Juni von den Rebellen zurückgewinnen; der neuerliche Verlust der Stadt, wäre für Kiew nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich ein harter Schlag.

Christian Wehrschütz aus der Hafenstadt Mariupol

Insert1: Juri Hotlubej, Bürgermeister von Mariupol

Insert2: Raisa, Verkäuferin in Mariupol

Insert3: Oleg Odnoroschenko, Stellvertretender Kommandant des „Bataillons Asow“

Aufsager: Christian Wehrschütz aus Mariupol

Gesamtlänge: 3’00

„Zwischen uns und den Terroristen ist nur die Armee – helft der Armee schützt Euch selbst“ – steht auf diesem Plakat an der Ausfahrtsstraße nach Nowoasowsk bei einer Straßensperre der ukrainischen Streitkräfte. Den Aufruf befolgen Freiwillige, die beim Ausheben von Laufgräben und Unterständen halfen; die konkrete Arbeitsleistung ist weniger wichtig als die moralische Unterstützung der Soldaten durch Bewohner von Mariupol:

„Die Stimmung der Bewohner ist angespannt; sie sind sehr besorgt, doch Panik gibt es keine. Schlangen vor Lebensmittelgeschäften gab es am Montag, doch wir haben die Bürger beruhigt.“

Einen großen Andrang vor Lebensmittelgeschäften gibt es tatsächlich nicht mehr; die Versorgungslage ist ebenfalls stabil; gestiegen sind aber die Preise für Gemüse, weil auch Treibstoff teurer wurde. Stabil geblieben sind die Preise für Brot und Gebäck,

„Bisher sind die Preise nicht gestiegen, alles ist in Ordnung.“

Das ist sehr wichtig, weil Brot gerade für ältere Menschen, Pensionisten und andere Bezieher niedriger Einkommen ein zentrales Grundnahrungsmittel ist. Einige populäre Geschäfte sind aber ebenso geschlossen wie einige Banken; die, die offen haben, haben kaum Valuten, und auch der Kurs zwischen Griwna und Euro ist deutlich schlechter geworden. Das Leben im Zentrum vermittelt aber einen völlig normalen Eindruck; nicht jede Schießübung dient einem möglichen Kampfeinsatz, der nach Ansicht ukrainischer Freischärler nur nötig werden könnte, weil russische Soldaten in der Ukraine stehen:

„In der vergangenen Woche waren unter den Gefangenen, die wir gemacht haben, keine Bürger der Ukraine, sondern Bürger Russlands, die noch dazu Soldaten waren. Daher bin ich überzeugt, dass wir es jetzt vor allem mit einer regulären russischen Armee zu tun haben.

Sie könnte wohl auf einen gewissen Rückhalt in Mariupol rechnen. Am Referendum für die Abspaltung von der Ukraine am 11. Mai dürften etwa 100.000 Bürger teilgenommen haben; monatelang war Mariupol in der Hand prorussischer Rebellen, die erst niedergekämpft werden mussten, und Anfang Juni abzogen. „Mariupol - Ukraine – steht auf diesem Plakat. Ob die wichtige Hafen- und Industriestaat von ukrainischen Truppen gehalten werden kann, werden wohl die kommenden Tage und Wochen zeigen.



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