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Lage in Lugansk nach Wochen der Gefechte

Sonstiges
ZiB2
Berichte Ukraine


Das ist ein Beitrag für die ZiB2, ein Bericht über das belagerte Lugansk, die Hauptstadt des gleichnamigen östlichsten Bezirks in der Ukraine. Vor dem Krieg zählt Lugans etwa 500.000 Einwohner, der Bezirk 2,3 Millionen. Das letzte Mal dort war ich im Mai. Ich habe mehrmals einen Anlauf genommen, in die Stadt zu fahren. Abschreckend wirkten Gerüchte über Scharschützen, sowie Informationen, dass einen die Herrn an den Straßensperren nicht durchlassen. Der Zug war eine Überlegung, doch im Zentrum herrscht ein Fahrverbot, außerdem wie kommt man wieder heraus, sollte es keinen Zug zurück auf absehbarer Zeit geben. Die ukrainischen Truppen sollen die Stadt eingeschlossen haben, und die Lage in Lugansk weit schlimmer sein als Donezk, was die Gesprächspartner bestätigt haben. Gedreht hat mein Kameramann in Lugansk, das Material kam via Internet, nachdem er wieder Strom hatte. Aus dieser Stadt gibt es kaum Bilder, doch ich wollte auch auf diesen Kriegsschauplatz und das Schicksal der Bewohner hinweisen, dass sich weitgehend abseits der Medien vollzieht. Text und Übersetzungen sind natürlich von mir, außerdem habe ich mit Bewohnern telefoniert, um Berichte zu überprüfen.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Gesamtlänge: 2’07

Noch im Mai verlief das Leben in Lugansk in einigermaßen normalen Bahnen. Das Zentrum war belebt, der Verkehr auch. Nun ist das Zentrum der belagerten Stadt ausgestorben. Grund dafür der Krieg, der immer stärkere Spuren in Lugansk hinterlässt. Nicht alle Stadtteile sind gleichermaßen betroffen, doch die Bilder sprechen eine deutliche Sprache. Noch deutlicher sind die Menschen:

Sergej

„Ich hatte einen Vater; ihn hat ein Geschoss zerrissen; getötet hat ihn ein Schrapnell. Er war ein friedlicher Mensch. Als Kinder hat er den Zweiten Weltkrieg überlebt.“

Viktor Iwanowitsch:

„Vorgestern war ich Zeuge eines Artilleriebeschusses an der Kreuzung 100 Meter von hier. Tote Körper, Körperteile lagen herum. Das ist nicht zu ertragen.“

Auf den Straßen liegen Blumen für Zivilisten, die dem Artilleriebeschuss zum Opfer fielen. Die Zahl der Getöteten ist unbekannt. Das schlimmste ist aber wohl die Angst, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, oder dass das eigene Haus beschossen wird:

Galina:

„Natürlich ängstigt es uns, im Keller zu sitzen, wenn über Dein Haus Geschoße fliegen. Wenn man in der Stadt lebt und nicht weiß, kommt ein Geschoß geflogen oder nicht.

Auch dort, wo es noch ein regeres Leben gibt, spüren die Menschen die Folgen des Krieges. Die Versorgung wird schlechter, die Infrastruktur leidet massiv

Tatjana

„Wir sitzen hier schon vier Tage ohne Strom. Das Kabel ist gerissen. Die Nachbarn haben Strom. Wir rufen an, doch keiner will kommen. Wir leben im Keller bereits vier Tage. Wann das aufhören wird, weiß keiner. Um uns kümmert sich keiner, wir leben schon fast wie Obdachlose.“

Anderswo arbeitet die Stadtverwaltung noch; doch eine Perspektive für Lugansk fehlt, solange die Kämpfe andauern und wohl auch noch danach, denn mit einem schnellen Wiederaufbau ist kaum nicht zu rechnen.

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