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Die Lage in Donezk aus der Sicht der Rebellen

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Berichte Ukraine
In der Ostukraine wird der Belagerungsring der ukrainischen Truppen um die Stadt Donezk immer enger. Die Stadt ist nun von drei Seiten eingekreist, und die Ukraine sind nur mehr zwischen 20 und 50 Kilometer von Donezk entfernt. Je näher die Kämpfe rücken, desto größer wird die Angst in der Millionen-Stadt Donezk. Immer mehr Bewohner verlassen die Stadt, in der auch die Lage der Bevölkerung von Tag zu Tag immer schwieriger wird. Auf die Verteidigung der Stadt bereiten sich natürlich die prorussischen Kräfte vor. Mit einem ihrer Vertreter hat in Donezk unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen; hier sein Bericht:

Je näher die Front rückt, desto stärker spüren auch die Bewohner der Millionen-Stadt Donezk die Folgen der Gefechte zwischen prorussischen Rebellen und ukrainischen Truppen. Diese Kämpfe haben etwa die Hauptschlagader der Wasserversorgung, den Sever-Donez-Kanal beschädigt. In Donezk gibt es daher nur mehr fünf Stunden Trinkwasser pro Tag, und zwar zwischen 17 und 22 Uhr. Angesichts von Temperaturen von etwa 30 Grad Celsius, ist das eine beträchtliche Belastung für die Stadtbevölkerung. Von Versorgungsengpässen betroffen sind auch andere umkämpfte Städte im Kreis Donezk. Dazu sagt das Mitglied der Regierung der Rebellen in der Stadt Donezk, Boris Liwtinow:

"Was die Wasserversorgung betrifft, so habe ich vorgestern die Stadt Gorlowka besucht, wo das Wasser auch ein Problem ist. Dabei habe ich den Sever-Donez-Kanal gesehen, der leer ist. Wasser gibt es nicht, und die Versorgung erfolgt derzeit über Wasserreserven. Doch der Kanal versorgt auch die Städte Slowjansk und Kramatorks und Konstaninowka, die nun wieder in den Händen der ukrainischen Truppen sind. Sie müssen diese Städte versorgen und daher den Kanal Instandsetzen. Dann käme Wasser auch nach Donezk. Doch die Erfahrung der Krim lehrt uns, dass man den Kanal auch sperren und das Wasser einfach ins Meer leiten kann. Trotzdem lebt die Hoffnung, dass es Wasser geben kann."

Beim Wasser haben die Rebellen kaum Möglichkeiten, die Versorgungslage zu verbessern. Anders sieht die Lage bei den Lebensmitteln aus; noch gibt es kaum Engpässe, doch die Rebellen bereiten sich bereits auch den Belagerungszustand vor. Boris Litwinow:

"Wir versuchen nun die massenhafte Ausfuhr von Lebensmitteln einzuschränken; das betrifft Nudeln und Butter, die besonders wichtig sind. Das gilt aber nicht für die Lebensmittel wie Milchprodukte, wo wir mehr als genug produzieren, weil damit natürlich auch Einkommen verbunden sind. Doch Benzin darf jetzt nicht mehr ausgeführt werden. Mit der Versorgungssicherheit befasst sich bei uns jetzt eine spezielle Arbeitsgruppe."

Überall in Donezk hängen große Plakate, die die männliche Bevölkerung zu den Waffen rufen. Ein Plakat richtet sich auch an Russland, und darauf steht geschrieben: „Soldat der russischen Armee – Rette“. Diese Rettung ist bisher jedenfalls in großem Maßstab ausgeblieben. Trotzdem sieht Litwinow Russlands Rolle positiv:

"Russland hilft uns sehr viel. So sollen allein bereits etwa 500.000 Zivilisten nach Russland geflüchtet sein, und zwar aus den Kreisen Donezk und Lugansk. Das ist ein enormer Bevölkerungsverlust, wobei man diese Menschen auch versorgen und ihnen helfen muss. Außerdem kommen aus Russland nicht wenige Freiwillige. Das ist eine weltweite Praxis, und Freiwillige gibt es auf beiden Seiten. So habe ich jüngst einige Kriegsgefangene gesehen, und darunter waren Amerikaner, Franzosen, Finnen und auch Menschen mit schwarzer Hautfarbe, die zwangsläufig keine ukrainischen Staatsbürger sind. Und so gibt es eben auch Freiwillige aus Russland."

Diese Zahl ist enorm hochgegriffen und lässt sich ebenso wenig überprüfen wie die Behauptung, täglich würden sich etwa 200 Freiwillige zum Landsturm der sogenannten Volksrepublik von Donezk melden. Gering sind derzeit aber die Chancen für eine Feuerpause. Dazu sagt Litwinow:

"Verhandlungen sind immer möglich, nicht aber unter den Bedingungen, die Petro Poroschenko stellt. Denn um wirklich eine Feuerpause zu erreichen, muss man ein Kontingent an Friedenstruppen unter Führung der OSZE hier stationieren. Sie müssen eine 5 bis 15 Kilometer breite Zone überwachen, die die ukrainischen Truppen von unseren Truppen trennt, damit es keine Verletzung des Waffenstillstandes geben kann. Und dann kann man mit Verhandlungen beginnen, allerdings nur über die Art einer friedlichen Trennung."

Dieser Vorschlag würde aus dem Donbass-Gebiet ein zweites Transnistrien machen, das seit gut 20 Jahren ein Staat im Staate von Moldawien ist. Das ist für Kiew ebenso wenig akzeptabel wie Verhandlungen über eine friedliche Trennung, und daher werden auf weiteres wohl nur die Waffen in der Ostukraine sprechen.

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