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Die Stadtverwaltung von Donezk und die Krise

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Berichte Ukraine
In der Ostukraine haben die Gefechte zwischen prorussischen Kräften und ukrainischen Einheiten in dieser Woche auch die Stadt Donezk erreicht. Betroffen war insbesondere der Flughafen, der einige Kilometer außerhalb der Stadt liegt. Zwar konnten die ukrainischen Truppen den Flughafen zurückerobern, doch das zentrale Gebäude ist schwer getroffen, der Flugverkehr auf Monate unterbrochen. Die Bevölkerung der Millionen-Stadt ist enorm verunsichert, viele trauen sich nicht aus dem Haus. Hinzu kommt die Unsicherheit durch Plünderer, die sich prorussische gebärden, aber einfach nur Kriminelle sind. Wie unter diesen Bedingungen das Leben einer Stadt funktioniert, berichtet aus Donezk unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Stadtverwaltung von Donezk informiert ihre Bewohner jeden Tag über ihre Internetseite über die Lage. Heute ist zu lesen, dass es mit Stand 17 Uhr vom Vortag in allen Bezirken ruhig war. Außerdem informiert Bürgermeister Alexander Lukjantschenko darüber, dass der Gemeinderat die Staffelung der Tarife für Schüler und Studenten für den öffentlichen Verkehr beschlossen hat. Bis zur vierten Klasse fahren Schüler gratis, Studenten zahlen die Hälfte. In Donezk wird die Verwaltung immer schwieriger; Teile der Bezirks-Führung sind geflüchtet, und die prorussischen Führer der sogenannten „Volksrepublik von Donezk“ versuchen den 4,5 Millionen Einwohner zählenden Bezirk von Kiew abzuspalten. Dazwischen liegt die Stadtverwaltung, die bestrebt ist, Versorgung und öffentliches Leben zu gewährleisten. Die Kompetenzverteilung beschreibt der Pressechef der Stadt Donezk, Maksim Rowinskij, so:

"Die staatliche Verwaltung des Gouverneurs befasst sich vor allem damit, die Auszahlung der Sozialleistungen von der Pension bis zu den Beihilfen sicherzustellen. Die Gemeinde löst die Fragen des Lebens in der Stadt: Verkehr, Schulen, Krankenhäuser und so weiter. Die Volksrepublik von Donezk führt Krieg."

Zur Sicherheitslage sagt Rowinskij:

"Das Problem der Sicherheit in der Stadt besteht darin, dass die Parteigänger der Volksrepublik von Donezk sehr viele Waffen in ihren Händen haben, diese Leute aber nicht immer unter Kontrolle gehalten werden können. Es gab oft Fälle wo Autos weggenommen und gestohlen wurden."

Das politische Leben von Donezk dominiert nach wie vor die „Partei der Regionen“, die Viktor Janukowitsch bis zu seinem Sturz als ukrainischer Präsident Ende Februar geführt hat. Janukowitsch stammt selbst aus dem Bezirk Donezk, in der gleichnamigen Stadt regiert Alexander Lukjantschenko seit 16 Jahren als Bürgermeister. An seiner Machtlosigkeit und am Kiewer Zentralismus hat sich in all diesen Jahren nichts geändert, beklagt sein Pressechef Maxim Rowinskij:

„Wir haben keine Kompetenz über sogenannte Machtorgane; das gilt sowohl für die Polizei der Stadt als auch für die Miliz. Wir können illegales Bauen nicht stoppen, und wir haben keinen Einfluss auf Baugenehmigungen. Vor längerer Zeit gab es den Fall, dass Bürger eine Straße blockierten, um gegen den Bau einer Tankstelle zu demonstrieren, deren Baugenehmigung Kiew erteilt hatte. Damit verstehen Sie das Niveau unserer Kompetenzen.“

Die Machtlosigkeit spiegeln auch Verwaltung und Budget wider. Etwa 1000 Bedienstete zählt die gesamte Stadtverwaltung, und das Budget der Millionenstadt beträgt 250 Millionen Euro; das ist niedriger als das Budget der Stadt Klagenfurt, die knapp 100.000 Einwohner zählt. Der 37-jährige Maksim Rwinskij schätzt, dass bis zu 15 Prozent des Budgets pro Jahr für Investitionen genutzt werden können, der Rest sind Fixkosten. So schön und gepflegt Donezk mit seinen vielen Parks wirkt, so groß sind auch die nicht sichtbaren Probleme. Maksim Rowinskij:

„Das größte Problem in allen Städten der ehemaligen Sowjetunion ist die kommunale Infrastruktur. Das betrifft etwa den Zustand der Häuser und die Wasserversorgung einiger Ansiedlungen. Was die Wasserleitungen betrifft, so liegen die Leitungsverluste bei 40 Prozent. 90 Prozent des Netzes sind abgenutzt und erschöpft. Die Sicherheitsspanne liegt bei zehn Prozent.“

Daher fordert auch die Stadt Donezk eine umfassende Dezentralisierung der Ukraine, wobei die Städte endlich auch das Geld für die wenigen Kompetenzen bekommen müssten, die sie bereits haben. Doch zunächst gilt es die Krise zu meistern, wobei Maksim Rowinskij hofft, dass eine politische Lösung gefunden wird und der Stadt massive Zerstörungen erspart bleiben.

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