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Österreichische Caritas hilft in der Ostukraine

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Die Ukraine prägt in diesen Monaten nicht nur eine tiefe politische, sondern auch eine tiefe soziale und wirtschaftliche Krise. Sie hat vor allem die russisch geprägten Kreise der Ost- und Südukraine massiv getroffen. Dazu zählt der Kreis Lugansk. Ein Drittel der 2,3 Millionen Einwohner sind Pensionisten; ihr Durchschnittsalter liegt bei nur 50 Jahren, weil in der krisengeschüttelten Bergbauregion viele in Frührente gingen. Während Frührentner oft schwarzarbeiten, haben viele alte Menschen nur eine minimale Rente und oft auch keine Verwandte. Um sie kümmert sich in Lugansk auch die österreichische Caritas; seit 15 Jahren betreut sie in Lugansk alte Menschen aber auch Familien mit behinderten Kindern. Für diese Familien ist die Lage besonders schwierig, weil nicht nur zu wenig gut Betreuungszentren im Kreis Lugansk gibt, sondern auch der behindertengerechte öffentliche Verkehr ein Fremdwort in dieser ostukrainischen Stadt ist. Kaum eine soziale Rolle spielen die Kirchen. Die Folgen des Kommunismus und seiner atheistischen Ideologie wirken noch stark nach, die religiöse Wiedergeburt steht eigentlich erst am Beginn in dieser Stadt. Trotzdem gibt es eine große religiöse Vielfalt, die leider auch die politische Spaltung zwischen pro-ukrainisch und pro-russisch widerspiegelt, die durch die schlechte soziale und wirtschaftliche Lage noch verschärft wird, weil die allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung in Kiew groß ist.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Antonina Schetikowa Sozialarbeiterin der Caritas

Insert2: Vera Nagatska, Leiterin der Caritas in Lugansk

Insert3: Vladimir Konotschuk, Rektor Theologische Fakultät Lugansk

Insert4: Mihaiil Juschtischin, Griechisch Katholischer Pfarrer in Lugansk

Gesamtlänge: 5’40

Das Stahlwerk in Alschewsk ist das drittgrößte der Ukraine. Teile der Anlage lieferte die Voest-Alpine. In Sowjetzeiten arbeiteten hier 22.000 Personen; nun sind es 13.000, gebraucht würden nur 8.000 Mitarbeiter. Das Werk gilt als das modernste der Ukraine, gerade das zeigt auch die enormen sozialen Herausforderungen, vor der das Land steht. Ein weiteres Beispiel liefert Lugansk, die nur wenige Kilometer entfernte Kreishaupt. Das Zentrum macht einen sauberen und wohlgeordneten Eindruck. Das Zentrum ist die Ausnahme, nicht die Regel. In Kamenobrodskij Rayon, dem ältesten Stadtteil, ist die Infrastruktur viel schlechter. Am Markt des Bezirks beginnt die Sozialarbeiterin Antonina Schetikowa ihren Einsatz. Sie kauft für ein Pensionistenehepaar ein, das sie drei Mal pro Woche versorgt. Ausgegeben hat sie 20 Griwna, umgerechnet weniger als zwei Euro:

"Der Familie habe ich sechs Stück weiches Gebäck und eine Hauswurst gekauft. Sie bestellt nicht sehr viel, weil sie nicht sehr viel Geld hat. Die Pension ist klein, und die Mehrheit des Geldes wird für Medikamente und für Gebühren wie Strom ausgegeben. Die Familie bekommt keine Unterstützung und bezahlt daher alles selbst."

In diesem kleinen Häuschen lebt das Ehepaar, das keine nahen Verwandten mehr hat. Im Grunde ist für die alten Menschen die Sozialarbeiterin fast der einzige persönliche Kontakt zur Außenwelt. Juri Alekseewitsch ist 82 Jahre alt. Er kämpfte für die Rote Armee in China und Korea; seinen Arm verlor er aber bei einem Arbeitsunfall. Seine Frau Alexandra ist 84 Jahre alt; sie war Stuckateurin, hört und sieht schlecht. Zusammen haben beide 300 Euro Pension. Der Kreis Lugansk zählt 2,3 Millionen Einwohner, jeder Fünfte ist 70 Jahre und älter.

"Es läuft immer auf das Geld hinaus. Für die Altenbetreuung zu Hause braucht man Sozialarbeiter, die natürlich bezahlt werden müssen, und das lassen die Budgets in vielen Orten einfach nicht zu. Hinzu kommt, dass der Staat überhaupt nur sehr selten materielle Hilfe leistet. Im Gegensatz dazu bietet unsere Organisation einen größeren Umfang an Hilfe."

Gering sind die Kontakte der Caritas zu den orthodoxen Kirchen in der Stadt:

"Die orthodoxen Geistlichen des Moskauer Patriarchats kommen an den großen christlichen Feiertagen zu uns und lesen die Messe. Diese Hilfe können sie uns leisten, weil vor allem die älteren Personen, unabhängig vom jeweiligen Religionsbekenntnis, tief gläubig sind. Daher ist für sie die Anwesenheit beim Gottesdienst sehr wichtig."

Die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats ist die wichtigste Kirche in Lugansk, einer Stadt, die kulturelle stark russisch geprägt ist. 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion hat eine religiöse Wiedergeburt eingesetzt. Die Zahl der Gläubigen steigt und 120 Studenten sind an der Theologischen Fakultät eingeschrieben. Ihr Ausbau ist vor allem eine Geldfrage, denn natürlich spürt auch die Kirche die soziale Krise:

"Wir sind davon abgegangen, Begräbnisse bezahlen zu lassen. Wir nehmen kein Geld mehr, außer jemand spendet dem Geistlichen etwas dafür. Für Hochzeiten und Taufen gibt es jedoch Tarife, die die Gläubigen zu bezahlen haben. Doch bei den Begräbnissen nehmen wir kein Geld, weil die Leute so arm sind, daher wollen wir ihnen auch nicht Geld aus der Tasche ziehen. Das wäre nicht gut."

Nach dem Gottesdienst am Samstag wird an Bedürftige Getreidebrei, Brot und Tee ausgegeben. Für umfangreichere karitative Aktivitäten fehlen die Mittel. Gleiches gilt auch für die mit Rom unierte griechisch-katholische Kirche. Ihre Gläubigen sind vor allem nationalbewusste Ukrainer. Der Gottesdienst findet daher in ukrainischer Sprache statt. Zu großen Festtagen kommen bis zu 150 Gläubige, doch die Stadt zählt knapp 500.000 Einwohner und allein Größe und Lage der Kirche zeigen ihren Stellenwert in der Kreisstadt.

"Wir sind nur eine kleine Pfarre, daher haben wir keine karitativen Tätigkeiten im größeren Umfang. Wenn sich Menschen an uns wenden, dann helfen wir. Geld geben wir keines, doch wir kaufen Medikamente, wenn sie sich Menschen nicht leisten können. Gesammelt haben wir auch fast 1000 Euro für eine Operation. Bei derartigen Fällen helfen wir."

Lugansk liegt keine hundert Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Ukrainische Truppen wurden ins Grenzgebiet verlegt, auch um ein Einsickern von Demonstranten aus Russland zu unterbinden. Mihaiil Juschtischin besucht diese Soldaten regelmäßig, um ihnen moralisch den Rücken zu stärken, aber auch um die Versorgung der Truppe aufzubessern, wie das auch viele andere ukrainische Dorfbewohner tun. Doch Militär ist keine Lösung für die sozialen Herausforderungen. Um Lugansk für sich zu gewinnen, wird Kiew endlich damit beginnen müssen, die großen sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Ostukraine zu lösen.

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