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Die Deutschen der Krim und der Anschluss an Russland

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Berichte Ukraine
Auf der Krim zieht Moskau jetzt so schnell wie möglich den Anschluss der Halbinsel an Russland durch. Ein Zeichen dafür sind die ausgebuchten Hotels im Zentrum von Simferopol, die nun nicht mehr von Journalisten, sondern vor allem von Beamten aus Russland bevölkert werden. Der Rubel ist bereits als Zweitwährung eingeführt, die Internetdomäne der Krim wird von „ua“ auf „ru“ umgestellt, wobei Russland auch bestrebt ist, die Abhängigkeit der Halbinsel vom ukrainischen Stromnetz zu reduzieren. Für den Anschluss der Krim war und ist auch die kleine deutsche Volksgruppe. 2500 Deutsche sind auf die Krim zurückgekehrt; bis zur ihrer Deportation im August 1941 lebten 54.000 Deutsche auf der Halbinsel. Von Zaren gerufen, waren die Deutschen im Grunde stets loyale Untertanen, und prorussische eingestellt. Diese Tradition spielte auch beim Krim-Referendum eine Rolle, berichtet aus Simferopol unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Jeden Sonntagvormittag treffen einander Deutsche in Simferopol zum Gottesdienst in der protestantischen Kirche. Dieses Mal kamen etwa 30 Personen; dominant sind Frauen in den besten Jahren; klar in der Unterzahl sind Männer und Jugendliche. Zu ihnen zählt die 19-jährige Olesja Litt. Sie studiert Germanistik, hat Verwandte in Bayern und möchte eine Arbeit über österreichische Dialekte schreiben. Olejsa lebt mit ihrer Mutter und Großmutter in einer Wohnung in Simferopol. Das Monatsbudget der Drei liegt bei umgerechnet etwa 600 Euro. Die Großmutter ist Lehrerin und arbeitet nebenbei als Putzfrau. Mehrere Berufe hat auch die Mutter, erzählt Olejsa Litt:

"Meine Mutter hat drei Arbeiten; sie erzeugt Fahrstühle, und sie arbeitet auch als Putzfrau. Meine Mutter war 20 Jahre alt, hat geheiratet, und hat keinen Beruf bekommen. Sie arbeitet sehr schwer."

In Simferopol kostet ein Liter Milch etwa 70 Cent, 10 Eier 90 Cent. Die Familie kommt über die Runden, größere Anschaffungen brauchen aber Zeit, erzählt Olesja Litt:

"Wir sparen, und dann vielleicht in einem Jahr oder so, können wir einen Kühlschrank kaufen oder etwas für unser Haus."

Die Studentin war klar für den Anschluss an Russland – allerdings nicht aus materiellen Gründen; Olesija Litt:

"Ich glaube nicht, es wird besser; es wird schwer in den ersten fünf oder zehn Jahren. Aber wir werden schon in einem anderen Land leben und unsere Kinder werden schon in einem anderen Land leben. Und meine Kinder werden kein Ukrainisch lernen oder vielleicht werden lernen sie es, aber sie können Filme sehen auf Russisch und sie können Sendungen sehen auf Russisch, und ich habe das nicht. Ich habe nur auf Ukrainisch Sendungen gesehen, ich habe ukrainische Sprache in der Schule gelernt. Ich kenn nur die ukrainische nicht aber die russische Geschichte."

Die 19-jährige ist eine der wenigen Deutschen der Krim, die ein Interview in deutscher Sprache geben kann. Trotz aller Deutschkurse wirkt die Zeit der Sowjetunion noch nach. Im Gegensatz zur Ukraine hat Russland ein Gesetz verabschiedet, dass die Rehabilitierung deportierter Völker vorsieht. Das ist auch einer der Gründe, warum die Vorsitzende des Rates der Lutherischen Gemeinden in Simferopol, Marina Gusarowa-Schmidt für den Anschluss gestimmt hat:

"Es geht vor allem um die Rehabilitierung. Für uns Deutsche ist das eine schmerzliche Frage, weil wir durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges sehr schwer getroffen wurden. Die Älteren unter uns haben das als Kinder noch stark gespürt, weil sie in einem Land aufwuchsen, wo das faschistische Deutschland sehr viele Menschen umgebracht hat. Das war für uns Deutsche sehr bitter. Und dass der Staat sagt, ihr seid unschuldig, das war nicht eure Schuld, das ist die Hauptsache."

Ein weiteres Motiv nennt der Vorsitzende des Deutschen Vereins in Simferopol, Viktor Raisner. Sein Beweggrund galt nicht nur für die Deutschen, sondern wohl auch für die Mehrheit der Bewohner der Krim. Viktor Raisner:

"Bei uns gibt es weder Blutvergießen noch Unordnung, wie sich das in der Ukraine und konkret in Kiew zugetragen hat. In der Ukraine ist alles noch nicht zu Ende. Das wird sich nach der Präsidentenwahl weiter entwickeln und sicherlich zu einer Verschärfung der innenpolitischen Lage in der Ukraine führen. Gott gebe, dass sich das nicht zu einem Bürgerkrieg auswächst, denn der liegt sehr in der Luft. Für uns ist es daher ein Vorteil, dass wir das alles bereits hinter uns gelassen haben."

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