FJ8 Vor entscheidender Woche für die Ukraine

In der Ukraine läuft die Zeit für einen tragbaren Kompromiss zwischen dem prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und der proeuropäischen Opposition langsam aber sicher ab. Denn in etwa 24 Stunden wird in Kiew das Parlament zu seiner außerordentlichen Sitzung zusammentreten, bei der sich zeigen wird, ob Janukowitsch und seine Regierung wirklich zu einem ernsthaften Kompromiss mit der Opposition bereit sind. Noch ist eine Einigung nicht in Sicht, doch eine Parlamentssitzung ohne wirkliche Zugeständnisse an Opposition und Demonstranten würde die Lage in der Ukraine zweifellos noch weiter verschärfen. Aus Kiew berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Seit Beginn der Bürgerproteste Anfang November verfolgte Präsident Janukowitsch offensichtlich eine Strategie des Aussitzens gepaart mit politischer und polizeilicher Repression. Dazu zählte die handstreichartige Verabschiedung von Gesetzen, die bürgerliche und mediale Freiheiten massive einschränken sollten. Hinzu kommen fünf tote Demonstranten. Das Scheitern dieser Strategie zeigen nicht nur die Proteste in Kiew, sondern auch die sich auf immer mehr Regionen ausweitenden Proteste unzufriedener Ukrainer. Dazu sagt in Kiew der Abgeordnete der oppositionellen Partei „Vaterland“, Ostap Semerak:

„Leider hat Janukowitsch Zeit vergeudet. Doch jetzt ist es seiner Regierung nicht mehr möglich, einen Kompromiss mit minimalen Verlusten zu finden. Janukowitsch muss daher verstehen, dass ein weiteres Spielen auf Zeit nichts bringt. Denn er dachte, dass der Frost und der Winter in der Ukraine dazu führen würden, dass die Leute nach Hause gehen. Dieses Szenario ist nicht eingetreten, sondern das Gegenteil. Auf den Straßen von Kiew hatten wir in der Nacht minus 20 Grad, doch es waren Zehntausende draußen, um die Erfüllung ihrer Bedingungen zu fordern. Den Menschen fällt das schwer, sie sind müde und daher wird es immer schwieriger, einen Kompromiss zu finden.“

Als Vorbedingung für einen Kompromiss nennt Ostap Semerak die Rücknahme der verfassungswidrigen Gesetze und die Amnestie aller Demonstranten bei der morgigen Sondersitzung des Parlaments. Unverzichtbar seien auch vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen noch in diesem Jahr. Der morgige Tag wird zeigen, ob der Machtkampf in der Ukraine ein friedliches Ende nehmen kann.