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Brennende Grenze - Beginn des jugoslawischen Dramas

Fernsehen
ORFIII
Berichte Slowenien

ORFIII 30 Jahre nach dem Beginn des Zerfalls

Brennende Grenze - Beginn des jugoslawischen Dramas

Christian Wehrschütz

Kamera: Andrej Suvacarov

Drohne: Luka Suvacarov

Schnitt: Barbara Katzelmayer

AKM

Komponist und Interpret: David Byrne

Titel:
„The Lodger“. Länge: 2min12sek
„Mnemonic Discordance“.  Länge: 2min06sek

Thrill Jockey Records  (thrill133)

Mod

Vor 30 Jahren begann mit den Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien der blutige Zerfall des sozialistischen Jugoslawien, das den Tod seines Staatsgründers, des Diktators Josip Broz Tito, gerade einmal um 10 Jahre überlebt hatte. Der Krieg in Slowenien dauerte nur zehn Tage, die Kriege in Kroatien und Bosnien und Herzegowina aber jeweils mehr als drei Jahre und auch die Zahl der Opfer, Vertriebenen und Flüchtlinge war weit höher. 1999 folgte dann als Höhepunkt der NATO-Krieg um den Kosovo, der de facto dazu führte, dass Serbien die Kontrolle über seine albanisch dominierte Provinz verlor! Doch die Unabhängigkeit des Kosovo haben nach wie vor viele Staaten nicht anerkannt, und auch die Folgen der Auflösung des Tito-Staates sind weiter spürbar.

Der blutige Zerfall des ehemaligen Jugoslawien begann an der Staatsgrenze zwischen Österreich und Jugoslawien, der heutigen Grenze zu Slowenien, weil die Volksarmee versuchte, Grenzübergänge wieder in Besitz zu nehmen, die slowenische Truppen kontrollierten. Dieser Krieg an der Staatsgrenze führte auch zum größten militärischen Einsatz des österreichischen Bundesheeres. Etwa 7.700 Soldaten waren von Ende Juni bis Mitte Juli 1991 in der Steiermark und in Kärnten im Einsatz. Militärische Opfer gab es auf österreichischer Seite keine, doch kam ein österreichischer Journalist und sein Fahrer ums Leben als der Flughafen in Laibach bombardiert wurde.

Inserts

00’53 - 00‘59

Insert1: Martin Weber, ehemaliger Wachkommandant in Radkersburg

02’41 – 02’47

Insert2: Gustav Beyer, ehemaliger Vizeleutnant des Bundesheeres

04’19 – 04’25

Insert3: Brigadier Josef Paul Puntigam, ehemaliger Kommandant des Bundesheeres an der steirisch-slowenischen Grenze

09’07 – 10’03

Insert4: Werner Fasslabend, Verteidigungsminister von 1990 bis 2000

11’26 – 11’32

Insert5: Brigadier Josef Paul Puntigam, ehemaliger Kommandant des Bundesheeres an der steirisch-slowenischen Grenze

14’00 – 14’06

Insert6: Niko Brus, Slowenischer Veteran in Gornja Radgona Markus Waibel

15’51 – 15’56

Insert7: Ladislav Lipic, Vorsitzender des Veteranenverbandes in Slowenien Alexander Rossi

17’51 – 17’57

Insert8: Drago Kos, Ermittler der Polizei im Fall Holmec Alexander Rossi

19’13 – 19’20

Insert9: Janko Bostjancic, Slowenisches Museum für Militärgeschichte Andy Woerz

 

20’21 – 20’27

Insert10: Lojse Peterle, erster demokratisch gewählter Ministerpräsident Sloweniens Markus Waibel

25’11 – 25’17

Insert11: Jadranka Kosor, ehemalige kroatische Radio-Journalistin Christa Hofmann

 

29’05 – 29’12

Insert12: Momir Bulatovic , ehemaliger Präsident Montenegros Andy Woerz

30’31 – 30’37

Insert13: Stipe Mesic, letzter Präsident Jugoslawiens Markus Waibel

 

31’35 – 31’42

Insert14: Milan Kucan, erster Präsident Sloweniens Alexander Rossi

32’27 – 32’33

Insert15: Stipe Mesic, letzter Präsident Jugoslawiens Markus Waibel

33’34 – 34’01

Insert16: Budimir Loncar, ehemaliger Jugoslawischer Außenminister Thomas Eichhorn

38’22 – 38’30

Insert17: Ivica Osim, letzter Trainer der jugoslawischen Nationalmannschaft Thomas Eichhorn

40’49 – 40’56

Insert18: Werner Fasslabend, Verteidigungsminister von 1990 bis 2000

43’31 – 43’39

Insert19: Jadranka Kosor: ehemalige kroatische Ministerpräsidentin Christa Hofmann

Gesamtlänge: 45’00

Text:

00’04

Die Zwillingsstädte Bad Radkersburg und Gornja Radgona trennt seit dem Ende des Ersten Weltkrieges die Mur. Unter dem Dach der EU ist diese Grenze nun kaum mehr spürbar – etwas, das vor 30 Jahren völlig utopisch schien. Damals herrschte Krieg an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien.

00‘35

Die Kaserne in Radkersburg liegt nicht weit von der Staatsgrenze entfernt. Wachkommandant war hier damals Martin Weber

 

00’46 Martin Weber

„Ich da in dem Wachlokal … der Krieg losgegangen ist.“

1‘21

Die Kaserne wurde sofort in Alarmbereitschaft versetzt; auch der Kontakt der Soldaten mit der Außenwelt wurde aus Geheimhaltungsgründen eingeschränkt:

 

1’32 Martin Weber

„Wir haben zu Hause anrufen dürfen oder müssen … was ist jetzt dann“

2‘09

Bei Radkersburg bildete die Brücke die mögliche vorderste Frontlinie. Die Bewohner am Flussufer und auch eine Volksschule wurden sofort zu Beginn der Kämpfe evakuiert. An der Brück befehligte damals Vizeleutnant Gustav Beyer einen Zug Einjährig-Freiwilliger, die bereits neun Monate Ausbildung hinter sich hatten. Obwohl seit einem Tagen gekämpft wurde, erfolgte der Befehl zum Einsatz des Bundesheeres erst am Freitag, den 28. Juni, am Abend:

2’40 Gustav Beyer

„Wir hatten unseren EF-Zug auch für den Einsatz … können wir nichts dafür, das ist es.“

3’05

Oberstleutnant Josef Paul Puntigam hatte damals das Kommando über bis zu 1.600 Soldaten an der Grenze zwischen der Steiermark und Slowenien. Puntigam führte stets von vorne; das Soldatenhandwerk hatte er von der Pike auf gelernt.

3’25

Josef Paul Puntigam war einer meiner Ausbildner zum Reserveoffizier. Die jugoslawische Luftwaffe verletzte wiederholt den österreichischen Luftraum, um Stellungen slowenischer Soldaten zu bekämpfen.

3‘58

In einem Waldstück beim Grenzübergang Spielfeld setzten jugoslawische Hubschrauber Soldaten auf österreichischem Gebiet ab:  

4’07 Frage

 

4’13 Antwort JPP Waldweg bei Spielfeld

5’47

Brenzlig war die Lage auch beim Grenzübergang Sveti Duh; nach einer Schießerei zwischen jugoslawischen und slowenischen Soldaten, hatte das Bundesheer beide Gruppen zu trennen, die sich auf österreichischem Territorium befanden:  

6’02 Puntigam Sveti Duh

„Die österreichischen Soldaten … verfolgen können.“

 

6’33 Frage:

Puntigam Sveti Duh

CW: Gibt es eine Schätzung, wie viel Mann das waren von beiden Streitparteíen

6’38 Puntigam

„Ich glaube, bei den Jugoslawen … um sich gegenseitig umzubringen.“

6’56

Die Grüne Grenze zwischen der Steiermark und Slowenien verläuft oft im Zickzack, wechselt öfters die Straßenseite und ist daher sehr unübersichtlich. Der Grund dafür ist die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg. Bei der Abtrennung der Untersteiermark wurde die neue Grenze zu Jugoslawien vielfach entlang der Kataster-Grenzen der Bauern gezogen. Das gilt auch für den Hochgrassnitzberg;

bei diesem Gebäude lagerten jugoslawische Truppen unmittelbar an der Grenze. Nach einer Beratung mit seinem Dolmetscher, der auch Psychologe war, wandte sich Puntigam an den Kommandanten der jugoslawischen Soldaten:

 

6‘47

Puntigam Hochgrassnitzberg2 (2) 1’48 (18‘58’38 – 18‘59‘05 ) 2‘14

„Herr Hauptmann, das Spiel ist aus … dass ich Ihnen das sagen darf.“

8’07

Nach kurzer Beratung waren die jugoslawischen Soldaten bereit, sich den Slowenen zu stellen, die bei dem Gehöft weiter unten warteten.

Puntigam Hochgrassnitzberg2 (4) 3’21 (19‘03’22 – 19‘03‘37) 3’37 (17)

 

8’17 CW: Was ist das Besondere an diesem Ereignis hier?

8’20 Puntigam

„Ich glaube, es gibt in Österreich ... der freiwilligen Waffenneiderlegung einer jugoslawischen Einheit wurde.“

8’34

Verteidigungsminister war damals Werner Fasslabend von der ÖVP. Im Bundeskanzleramt berichtete er regelmäßig über die Lage in Jugoslawien.

8’48

Bundeskanzler war Franz Vranitzky von der SPÖ. Außenminister war Alois Mock. In der Frage Jugoslawien und Bundesheereinsatz gab es zwischen SPÖ und ÖVP unterschiedliche Meinungen:

9’05 Fasslabend

"Zum Sicherungseinsatz hat es auch ... das ist Ihre Verantwortung Herr Kollege."

9’46

Über die Krise in Jugoslawien informierte sich Außenminister Alois Mock rund um die Uhr beim Verteidigungsminister:

9’56

Werner Fasslabend 16’44 Alois

10’23

Alois Mock war besorgt, dass ein zu starkes militärisches Auftreten falsche Signale an das Ausland sendet. Daher ersetzte man vollausgebildete Grundwehrdiener teilweise durch unerfahrene:

10’36 Frage

10’44 Werner Fasslabend 16’40 GDW Verlängerung

11’04

In Straß war Paul Puntigam viele Jahre Regimentskommandant.

11‘11

In der Kaserne gibt es auch ein kleines Militärmuseum; ein Raum ist dem Krieg in Slowenien gewidmet. Teilt er die Einschätzung seines ehemaligen Verteidigungsministers Werner Fasslabend?

11’23 JPP „Falsch kann man nicht steigern …“

11’40

Doch zum Glück ging alles gut, und kein einziger österreichischer Soldat kam ums Leben. Dieses Soldatenglück spielt für Puntigam bis heute, noch 30 Jahre später, die entscheidende Rolle für die erfolgreiche Durchführung des Sicherungseinsatzes:

11‘58

Puntigam Museum 9’19 (20‘36’57 – 20‘37‘28) 9’49 (30)

„Unsere stärkste Waffe war das Glück … wie der Einsatz dann wirklich abgelaufen wäre.“

12’31

Die Brücke über die Mur eröffneten Josip Bros Tito und Bundespräsident Franz Jonas vor mehr als 50 Jahren. Sie war ein Symbol für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Jugoslawien und Österreich.

12’47

Freundschaftlich sind die Kontakte zwischen Paul Puntigam und den slowenischen Veteranen des Unabhängigkeitskrieges.

12’58: Szene offen

13’12

Auf der slowenischen Seite der Brücke erinnert ein Denkmal an die Kämpfe in Gornja Radgona.

13‘20

Obmann des Veteranenverbandes der Stadt ist Niko Brus. Er kämpfte an vorderster Front gegen die jugoslawischen Truppen. Schwer getroffen wurde auch der Kirchturm;

13‘37

die Schäden durch die Gefechte waren in der Stadt beträchtlich. Die jugoslawischen Panzer standen direkt am Ufer der Mur; von oben versuchten Slowenen einen Angriff:

13’55 Niko Brus mit Blick auf die Murbrücke Markus Waibel

„Hier hatten wir fünf Jungs mit panzerbrechenden Waffen; sie beschossen die Panzer der jugoslawischen Armee bei der Mur massiv. Die Panzer erwiderten das Feuer. Unsere Jungs konnten sich retten, aber einem wäre fast der Arm weggeschossen worden“.

14‘17

Bei schweren Waffen war die jugoslawische Volksarmee zu Beginn des Krieges klar überlegen. Doch die Panzer hatten mit Straßenblockaden sowie Blockaden von Kasernen zu kämpfen.

14‘37

Die Slowenen versuchten durch Angriffe auf den Nachschub auch mit selbst gebastelten Sprengsätzen den Mangel an panzerbrechenden Waffen auszugleichen; ein Beispiel schildert Niko Brus:  

14’53 Niko Brus Molotow-Cocktails Markus Waibel

„Als die jugoslawische Armee am 28. Juni nach Gornja Radgona kam, versammelten sich unsere Jungs in diesem Gebäude und entschlossen sich zum Angriff mit Molotow-Cocktails. Dabei wurden etwa 10 LkWs vernichtet; somit blieb die Armee ohne Nachschub, Treibstoff und Wasser. Trotzdem fuhren ihre Panzer direkt zum Grenzübergang.“

15’20 Szene offen

15’34

Mehr als 30.000 Slowenen waren im Einsatz; sie wussten wofür sie kämpften. Vorsitzender des landesweiten Veteranen-Verbandes ist der frühere Generalmajor Ladislav Lipic:

15’50 Ladislav Lipic – 18’56 Alexander Rossi

„Der Nachrichtendienst der jugoslawischen Armee bewertete die Widerstandsfähigkeit der slowenischen Territorialverteidigung falsch. Die Armee rechnete nicht mit einem Widerstand zumal auch die Wirtschaft in der Krise war. Doch es gab es nicht nur einen Rebellion der Öffentlichkeit, sondern auch einen bewaffneten Widerstand der Territorialverteidigung und der Polizei.“

16’25

Gering war dagegen die Kampfmoral der jugoslawischen Vielvölker-Armee. Außerdem konnte Slowenien über seine Nachbarstaaten Waffen beschaffen; ob diese Kanäle auch über Österreich liefen, ließen alle befragten Veteranen offen. Klar ist, dass auch die jugoslawische Seite als unfreiwilliger Waffenlieferant diente:

16’48 Ladislav Lipic 18’51’46 Alexander Rossi

„Entscheidend war auch, dass die Einheiten der Territorialverteidigung Waffenlager der jugoslawischen Armee in Besitz nahmen, in denen sich schwere Waffen befanden. Dadurch bekamen wir enorm viele Waffen, sodass wir am Ende des zehntägigen Konflikts stärker waren als die Jugoslawische Armee.“

17‘18

Die Kämpfe am Grenzübergang Holmec bei Bleiburg spielten eine Sonderrolle im Krieg. Ein ORF-Team filmte spektakuläre Bilder von den Gefechten zwischen slowenischen Truppen und der jugoslawischen Volksarmee. Holmec ist der einzige Schauplatz in Slowenien, wo der Verdacht von Kriegsverbrechen bestand. Drago Kos leitete damals die Ermittlungen der slowenischen Polizei:

17’47 Drago Kos 3’05 (23‘23’30 – 23‘24‘10) 3’44 Alexander Rossi

„Wir untersuchten mögliche Kriegsverbrechen auf jugoslawischer aber auch auf unserer Seite. Besonders interessierte uns, unter welchen Umständen drei jugoslawischen Soldaten und zwei unserer Polizisten fielen. Abgesehen von einem Soldaten ermittelten wir genau, wer die übrigen vier Personen getötet hat und wie. Wir stellten fest, dass sich das in einem normalen militärischen Konflikt ereignete. Unseren Bericht gaben wir dann an die Staatsanwaltschaft, die mit unserer Arbeit zufrieden war und keine weiteren Ermittlungen anordnete. Damit war die Sache beendet.“

18’26

Das heißt, die Aufnahmen des ORF zeigen nicht die Schlüsselereignisse?

18’33

Drago Kos 10’33 (23‘30’59 – 23‘31‘06) 10’41 Alexander Rossi

„Diese Aufnahmen zeigen sicher nicht das Ereignis, das zu den Opfern in Holmec geführt haben.“

18’43

Das Museum für Militärgeschichte in Pivka vermittelt einen umfassenden Eindruck über den Krieg in Slowenien. Untergebracht ist das Museum in einer ehemaligen Kaserne der jugoslawischen Volksarmee. Von hier aus rollten die ersten jugoslawischen Panzer an die Grenze zu Italien, und zwar am Nachmittag desselben Tages, an dem Slowenien in Laibach feierlich seine Unabhängigkeit proklamierte:

19’10 Janko Bostjancic 18‘17‘48

„Die slowenische Führung wusste davon, verschwieg die Information aber der Öffentlichkeit. Für die slowenische Seite war es sehr wichtig, dass die Erklärung der Unabhängigkeit am Platz der Republik so feierlich wie möglich erfolgte, damit die Bilder des neuen Staates schneller verbreitet wurden als die Bilder vom Krieg. Jugoslawien sollte den Krieg nicht als Bürgerkrieg darstellen können, sondern diese Militäraktion als Aggression gegen einen unabhängigen Staat dargestellt werden.“  

19’50

Diese Strategie ging auf, und die Bilder der Unabhängigkeitsfeier gingen um die Welt. Die Unabhängigkeit war das Ergebnis eines Schulterschlusses zwischen der alten kommunistischen Elite und den neuen demokratischen Kräften. Massiv für die Selbständigkeit gekämpft hat Lojse Peterle; --- der christ-demokratische Politiker war 1990 der erste demokratisch gewählte Regierungschef Sloweniens:

20’19 Lojse Peterle Platz der Republik, 22’45 Markus Waibel

„Ich war glücklich, dass wir das erleben durften, dass wir vom Traum zur Realität der slowenischen Staatlichkeit und Demokratie kamen. Auf diesem Platz spürten wir den Hauch der Geschichte, doch während wir uns hier freuten, kamen bereits die Panzer, die in den Händen jener waren, die unsere Freiheit nicht kümmerte.“

20’51

Das Unabhängigkeitsstreben unterstützen in Österreich zunächst vor allem Politiker der ÖVP. Persönlich berührte Peterle aber die Haltung vieler Österreicher:

 

21’04 Peterle Markus Waibel

„Besonders muss ich erwähnen, dass damals die Österreicher als Volk eine sehr starke Sympathie und eine sehr starke Unterstützung für Slowenien gezeigt haben. Sobald ich nach Österreich kamen, erkannten mich die Menschen und grüßten mich; das war eine schöne Zeit, in der die Karawanken viel niedriger wurden.“

21’35

Der Krieg in Slowenien dauerte 10 Tage. Im Land lebten nur wenige Serben, daher hatte Belgrad kein massives Interesse, die kleine jugoslawische Teilrepublik zu halten. Auch deshalb forderte der Krieg in Slowenien weniger als 100 Todesopfer.

21’54 Musik offen

22’00

Dagegen liegen allein auf diesem kroatischen Friedhof mehr als 1000 gefallen Soldaten und getötete Zivilisten. Die meisten starben bei der Schlacht um die Stadt Vukovar im Jahre 1991. Das zeigen auch die Inschriften auf den Grabsteinen; sie zeigen aber auch, wie viele junge Menschen hier in einem Krieg ihr Leben verloren, den kaum jemand für möglich gehalten hatte, und dem EU und USA tatenlos zusahen.

22'34

Die Belagerung von Vukovar begann Ende August 1991 und dauerte drei Monate. Federführend war damals noch formell die jugoslawische Volksarmee unterstützt von Freiwilligen aus Serbien. Artilleriebeschuss und Häuserkampf führten zu massiven Zerstörungen. Die genaue Zahl der Toten und Verletzten auf beiden Seiten ist nicht bekannt. Von der Bewaffnung her waren die kroatischen Verteidiger klar unterlegen; Ende November war auch der letzte Widerstand gebrochen.

23’16

In Vukovar sind die meisten Kriegsschäden nun beseitig. Viele Gebäude weisen noch auf die Zeit der Habsburger hin. Vor dem Krieg war die Industrie ein Träger des Wohlstandes, doch nun liegt das Volkseinkommen weit unter dem kroatischen Durchschnitt. Vukovar liegt ebenso wie Wien und Belgrad an der Donau. Die Donau bildet auch die Grenze zwischen Kroatien und Serbien; vor Corona legten immer mehr Kreuzfahrtschiffe hier an und belebten den Tourismus.

23’55

Der Wasserturm ist Symbol der Stadt und Mahnmal zugleich; aus diesem Grund wurden auch nicht alle Kriegsschäden beseitigt.

24’07

Sein Inneres beherbergt nun ein Museum, das Zeugnis ablegt über den Krieg und seine dramatischen Folgen auch für die Stadt. Vor dem Krieg zählte Vukovar 45.000 Einwohner, 30 Prozent waren Serben. Das Verhältnis blieb in etwa gleich, doch die Einwohnerzahl sank auf 24.000. Abwanderung und Überalterung sind ein großes Problem; auch das Verhältnis zwischen beiden Völkern ist nach wie vor belastet. Die Beseitigung der Erblast des Krieges erweist sich als sehr schwierig.

24’46

Beim staatlichen Radio in Zagreb treffe ich meine frühere Kollegin Jadranka Kosor. Sie zählte während des Krieges zu den bekanntesten Journalistinnen in Kroatien. Für das Radio führte sie unzählige Interviews mit Flüchtlingen und zeigte so wie viel Leid und Elend hinter dem Begriff Krieg steckt:

25’08 Jadranka Kosor

„Ich habe hunderte Kinder kennengelernt, die die Belagerung von Vukovar erlebt haben, das heißt ein Leben im Keller ohne Wasser, Strom und Lebensmittel. Faszinierend war, dass diese Kinder gut ausgesehen haben – im Unterschied zu den Erwachsenen, die abgemagert und ausgezehrt aussahen. Warum? Weil die Kinder auch noch das letzte Stückchen Brot bekamen. Das sagte ich einem Kind; es sah mich wie ein Erwachsener an und sagte, Du weißt nicht, wie es in mir aussieht. Somit wurden diese Kinder in diesem Schrecken einfach erwachsen.“

25’46

Das Elend Vertriebener läßt Journalisten nicht kalt, wie auch ich aus meiner Erfahrung in der Ukraine weiß. So versuchte auch Jadranka Kosor zu helfen, wo es machbar war.

25’59 Jadranka Kosor

„Vertriebene Frauen, die in Schulhöfen und Baracken all diese Jahre lebten, machten daraus ein neues Zuhause. Diese Frauen beschäftigten sich mit Nähen und Häkeln, und so begann ich mit humanitärer Hilfe, denn die Nachfrage nach Nähmaschinen war groß. Dadurch konnten sie für ihre Kinder nähen und auch ihre Nerven beruhigen. Und so habe ich Nähmaschinen beschafft, etwa durch Aufrufe im Radio.“

26’35

Das 20. Jahrhundert war ein außerordentlich blutiges im ehemaligen Jugoslawien; das gilt insbesondere für den Zweiten Weltkrieg. Ein Symbol dafür ist die sogenannte steinerne Blume auf dem Gebiet des ehemaligen Konzentrationslagers Jasenovac in Kroatien;

 

26’56

die meisten Opfer wurden mit dem Zug hierher transportiert. vom Lager selbst gibt es nur Bilder, weil die faschistischen Ustasa die Gebäude im April 1945 sprengten. Die relative Mehrheit der Opfer sind Serben sind. Jasenovac belastet bis heute das Verhältnis zwischen Serbien und Kroatien. Hinzu kommt der politische Missbrauch der Zahlen. Seriöse Historiker gegen von bis zu 120.000 Opfern im Hauptlager aus, in Serbien ist dagegen sogar die Zahl 800.000 im Umlauf. Namentlich erfasst sind mehr als 80.000 Opfer.    

27’46: Geräusch offen

27’49

Wie blutgedrängt die Erde aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges im ehemaligen Jugoslawien ist, zeigte im März 2008 die Öffnung eines Massengrabes bei der Stadt Lasko in Slowenien. Ein ehemaliges Kohlebergwerk hatten die siegreichen Partisanen im Frühsommer 1945 als einen Ort für Massenmorde genutzt. 1.400 menschliche Überreste wurden bis zum Jahre 2016 ausgegraben, darunter auch einige Frauen. Insgesamt sind mehr als 500 Massengräber in Slowenien registriert

28’34

In der Zeit des Tito-Jugoslawien waren diese Morde ein Tabuthema; obwohl die lokale Bevölkerung natürlich um die Massengräber wusste, fand eine Aufarbeitung der Vergangenheit nicht statt.

Das gilt auch für Montenegro , dessen Präsident Momir Bulatovic in den 90iger Jahren war. Spielten die Massenmorde im Zweiten Weltkrieg auch eine Rolle beim blutigen Zerfall von Jugoslawien?

29’02 Momir Bulatovic Andy Woerz

„Ich fürchte ja. Nehmen wir doch mein Montenegro, das zuerst von den Italienern und dann von den Deutschen besetzt war. Während des Zweiten Weltkrieges kam etwa in der Ortschaft Kolasin nur ein Deutscher ums Leben, und der bei einem Autounfall. Die enormen Opfer gab es zwischen Partisanen und Tschetniks. Die Besatzungsmächte verwalteten das Land, doch diese Besatzung führte zu einem Bruderkrieg bzw. Bürgerkrieg. Dieser Wahrheit haben wir uns nicht gestellt; und dann wiederholte sich die Geschichte."

29’41

Zwischen Titos-Tod im Jahre 1980 und dem Zerfall Jugoslawiens vergehen mehr als zehn Jahre. Warum wurde diese Zeit nicht für eine friedliche Umwandlung des Staates genutzt?

29’55 Momir Bulatovic Andy WOERZ

"Wir haben nicht versucht, die Probleme zu lösen, die uns erwarteten, sondern wir kehrten in die Vergangenheit zurück, um  über vergangene Ungerechtigkeiten zu streiten, die zugedeckt waren, solange Tito als unbestrittene Autorität da war, der das nicht erlaubt hat."

30’14

Ein Zeitzeuge erster Ordnung ist auch der Kroate Stipe Mesic, der letzte Präsident des jugoslawischen Staatspräsidiums. Auch Mesic betont die Schlüsselrolle, die Tito für das Bestehen Jugoslawiens spielte:

30’29 Stipe Mesic Interview Markus Waibel

„Das Jugoslawien, das Tito schuf, eine Föderation mit sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Provinzen, konnte nur solange funktionieren, solange Tito lebte. Denn seine Autorität war der wichtigste Faktor des Zusammenhalts. Nach seine Tod konnte Jugoslawien nur als Konföderation überleben, doch dazu fehlte der politische Wille.“

31’01

Tito starb in Laibach, wurde im Parlament aufgebahrt, und dann nach Belgrad überführt. Internationale Befürchtungen vor einer jugoslawischen Krise unmittelbar nach seinem Tod erwiesen sich als falsch.

31‘17

Am selben Platz in Laibach treffe ich Milan Kucan, den ehemaligen Vorsitzenden der slowenischen Kommunisten und ersten Präsidenten des unabhängigen Slowenien. Hat auch das Ende des Kalten Krieges den Zerfall Jugoslawiens begünstigt?

31’34 Milan Kucan

Jugoslawien war mit seiner Politik der Blockfreiheit und seiner Spielart des Sozialismus eine Art Pufferzone zwischen Ost und West. Daher herrschte die Überzeugung, dass man Jugoslawien bewahren müsse. Doch mit dem Ende der Blöcke in Europa durch den Fall der Berliner Mauer wurde die Rolle Jugoslawiens bedeutungslos. Damals bestand noch die Sowjetunion; die Angst vor ihrem unkontrollierten Zerfall war ein Grund, warum die Internationale Gemeinschaft beim Zerfall Jugoslawiens zurückhaltend war. Doch als die Sowjetunion dank Michael Gorbatschow friedlich zerfiel, gab es keinen Grund mehr, die Haltung zum Zerfall Jugoslawiens nicht zu ändern.“

32’17

Am Vorabend des Zerfalls spielte auch die jugoslawische Volksarmee eine unheilvolle Rolle:

32’25 Stipe Mesic JNA Armee suchte Hilfe in Russland

„Die Generäle kamen nach Moskau und forderten von der Führung der sowjetischen Streitkräfte eine Art Unterstützung für einen Militärputsch in Jugoslawien. Doch die Russen sagten, wie haben genug eigenen Probleme, da mischen wir uns nicht ein. So kamen die Generäle zurück nach Belgrad und versuchten etwas anderes; sie wollten eine Ermächtigung durch das Staatspräsidium, selbständig handeln zu dürfen. Das wäre einem Militärputsch gleichgekommen. Doch die Abstimmung im Staatspräsidium endete mit einem Patt, und so konnte dieser Beschluss nicht gefasst werden.“

33‘02

International hoch angesehen und bestens vernetzt war Budimir Loncar, Titos letzter Außenminister. Der 96-jährige hat ein phänomenales Gedächtnis und ist eine außerordentliche historische Quelle. Loncar kannte alle führenden Politiker seiner Zeit, dazu zählte Michail Gorbatschow, der letzte Staatschef der Sowjetunion. Warum zerfiel dieser Staat friedlich, Jugoslawien aber nicht?

33’32 Budimir Loncar Thomas Eichhorn Gorbatschow

„Michail Gorbatschow war gegen den Zerfall der Sowjetunion, doch er blieb ruhig und stellte sich nicht dagegen; dagegen war auch die sowjetische Armee, die aber passiv blieb. Im Fall Jugoslawiens war das genau umgekehrt. Der wichtigste Partner von Slobodan Milosevic war die Armee; sie war der letzte Sargnagel Jugoslawiens. Milosevic wollte Jugoslawien durch Serbien majorisieren oder die weltpolitischen Änderungen nützen, um die Grenzen Serbiens zu ändern. Außerdem kam es beim 14. Kongress zum Zerfall der kommunistischen Partei Jugoslawiens; das war im Jänner 1990 in Belgrad. Slowenien und Kroatien verließen den Kongress. Das war im Grund bereits der Beginn des Zerfalls von Jugoslawien.“

34’25

Und diesem Zerfall traten EU und USA bestenfalls halbherzig entgegen. Wenige Tage vor der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und Kroatiens kam US-Außenminister James Baker am 21. Juni 1991 für wenige Stunden nach Belgrad. Waren die USA damals überhaupt ernsthaft in Jugoslawien engagiert?  

34’48 Budimir Loncar: (MiCA) Thomas Eichhorn

„Zuerst muss man wissen, dass die USA in der jugoslawischen Krise lange Zeit nicht ausreichend engagiert waren, und zwar wegen der Sowjetunion. So hat mit James Baker mehrfach gesagt, dass das Hauptproblem der USA darin besteht, die konsolidierenden Prozesse zu unterstützen, die sich in der Sowjetunion entwickeln. Die größte Angst der USA bestand darin, wie sich die sowjetische Armee verhalten würde, ob sie nicht einen Putsch durchführen wird. Daher wollten sich die USA nicht mit Jugoslawien befassen: denn sie sahen, dass das eine schwere Krise ist, die zum Zerfall führen und Anlass sein kann für ein Handeln der jugoslawischen Volksarmee, deren Führung unter Verteidigungsminister Veljko Kadijevic in Kontakt statt mit der sowjetischen Militärführung. Doch die sowjetische Armee blieb vorsichtig und zurückhaltend.

In einer derartigen Lage hielten sich die USA etwas abseits, wofür ich Verständnis hatte. Zweitens war ich der Ansicht, dass in der jugoslawischen Krise die EU der bessere Vermittler wäre, weil wir uns bereits damals festgelegt hatten über eine Assoziation in die EU zu kommen, mit der wir 20 Jahre eine Beziehung besonderer Art hatten.“

36’12

Am falschen Fuß erwischt wurden von der Krise auch die UNO und alle Länder der Europäischen Union. Sie fanden kein Mittel, den blutigen Zerfall Jugoslawiens zu verhindern oder in friedliche Bahnen zu lenken; alle Debatten

36’27

an runden Tischen wie etwa auch in Österreich im Rahmen des ORF blieben fruchtlos; die Krise verschärfte sich, die EU blieb ratlos, und so wurde Budimir Loncar immer mehr zum Außenminister ohne Land:

36’46 Budimir Loncar und EU Thomas Eichhorn

„Zunächst unterstützen daher alle diese Länder den Weiterbestand Jugoslawiens und boten Hilfe an. Das galt auch für die EU, die fünf Milliarden Dollar anbot. Auch eine Perspektive für einen Beitritt zur EU wurde angeboten. Diese Vorschläge wurden nicht angenommen, weil die Konflikte bereits zu weit gediehen waren. Doch je mehr die Unstimmigkeiten zu einem bewaffneten Konflikt wurden, und als die jugoslawische Armee sich offen auf die Seite von Slobodan Milosevic stellte, änderte sich auch die Haltung dieser Staaten; das galt auch für Österreich und Deutschland. Deutschland vermied es aber, Träger des Zerfalls zu sein, weil die Beziehungen zu Jugoslawien sehr gut waren. “

37’31

Fest steht, dass die Katastrophe nicht gleichsam über Nacht über Jugoslawien hereinbrach. Zu den Vorboten lässt sich der Fußball zählen, der bekanntlich Züge eines Ersatzkrieges tragen kann. So kam es im Mai 1990 in Zagreb zu massiven Ausschreitungen zwischen kroatischen und serbischen Fans. Sie waren so stark, dass das Spiel zwischen Dynamo Zagreb und Roter Stern Belgrad gar nicht erst angepfiffen werden konnte.

38’02

Die Krise des Gesamtstaates zeigte sich auch beim Freundschaftsspiel Jugoslawien gegen die Niederlande, das im Juni ebenfalls in Zagreb stattfand. Trainer des jugoslawischen Teams war damals Ivica Osim, der auch der letzte Trainer dieser Nationalmannschaft sein sollte:

38’20 Ivica Osim

„Es ist traurig; Du kannst nichts machen, Deine Fans pfeifen die eigene Mannschaft aus, und das bei einem vollen Stadion, was noch trauriger ist. Beim Fußball waren die Spannungen nicht schwer zu bemerken, weil es viele Zuschauer gibt. Spiele werden entweder angefeuert oder attackiert, durch Beleidigungen ihrer Mütter, ihrer Herkunft oder ihres Glaubens. Das alles wirkt negativ auf sie ein. So bat mich ein slowenischer Spieler, ihn nicht zu nominieren, weil ihn Slowenen auf der Straße angegriffen haben. Dieselbe Bitte äußerte ein Kroate; seine Frau wurde in Split auf der Straße angegriffen, weil sich ihr Mann für die jugoslawische Nationalmannschaft ausgesprochen hatte.“

39’09

Im Mai 1992 trat Osim als Nationaltrainer zurück – aus Protest gegen die Belagerung von Sarajevo, in dem auch seine Frau und sein Sohn festsaßen.

39’25

An das größte einzelne Verbrechen im Jugoslawien-Krieg gemahnt die Gedenkstätte in Srebrenica. Als einer der schlimmsten Kriegsverbrecher gilt Ratko Mladic, der General der bosnischen Serben. Im Sommer 1995 eroberte er Srebrenica. Die Stadt stand unter dem Schutz niederländischer Blauhelme, die ein klägliches Schauspiel boten. Freundlich war der Sieger nur vor den Kameras. Frauen und Kleinkinder wurden in Bussen abtransportiert und von ihren Männern getrennt. Bis zu 8.000 Männer wurden dann in etwa einer Woche ermordet.

40‘08

Die Identifizierung der Opfer dauert nach wie vor an; noch immer werden Massengräber gefunden, denn die Mörder taten alles, um ihre Spuren zu verwischen – und Ratko Mladics Flucht in Serbien endete erst nach mehr als zehn Jahren.

40‘27

Im Sommer 2021 verurteilte das Haager Tribunal den 78-jährigen Mladic rechtskräftig wegen Völkermordes zu lebenslanger Haft. Doch Gerichtsurteile können die Versäumnisse des Westens nicht kompensieren:

40’46 Fasslabend Slo, Kro, BIH Versagen

"Bei Slowenien und Kroatien ... leiden wir heute noch darunter."

41’47

Im ehemaligen Jugoslawien besteht keine Kriegsgefahr mehr und die Zusammenarbeit nimmt zu. Doch viele Probleme sind ungelöst, auch weil die Aussöhnung zwischen den Völkern nur geringe Fortschritte macht.

42’03

Ein positives Zeichen setzten Serbien und Kroatien im Raum Vukovar als die Präsidenten beider Länder, Boris Tadic und Ivo Josipovic, vor mehr als zehn Jahren die Gedenkstätte bei Ovcar besuchten. Hier ermordeten jugoslawische und serbische Verbände nach dem Fall von Vukovar im November 1991 etwa 200 kroatische Soldaten und Zivilisten.

42’31

Die beiden Präsidenten besuchten aber auch ein kroatisches Dorf, in dem serbische Zivilisten ermordet wurden; denn nicht vergessen werden darf, dass auch die Serben einen hohen Blutzoll zahlten und Hunderttausende aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

42’49

Doch die EU-Perspektive, der eigentliche Motor für Aussöhnung und Reformen am sogenannten Westbalkan, stockt. Nach Slowenien im Jahre 2004 schaffte im ehemaligen Jugoslawien nur noch Kroatien 2013 den Beitritt zur EU. (43’06)

Dieses Kunststück gelang Jadranka Kosor, die von Juli 2009 bis Ende 2011 kroatische Ministerpräsidentin war. Damit krönte sie ihre politische Karriere, die 1995 begann, als Staatspräsident Franjo Tudjman die bekannte Radio-Journalistin in die Politik holte.          

 

43’28 Jadranka Kosor Christa Hofmann

„In der EU herrscht derselbe Unwille wie zu der Zeit als ich die Regierung übernahm. Niemand in der EU war in dieser Zeit der großen Wirtschaftskrise bereit, über die Erweiterung nachzudenken oder daran interessiert, dass Kroatien beitritt. Alle sagten mir, dass wir die Blockade Sloweniens nicht lösen und die Verhandlungen nicht beenden würden. Ähnlich ist es heute; die EU ist beschäftigt mit der Corona-Pandemie und der von ihr hervorgerufenen Wirtschaftskrise, und niemand denkt aufrichtig über irgendeine Erweiterung nach.“  

44’14

Trotzdem überwiegt aus österreichischer Sicht das Positive. So stand 30 Jahre nach dem Beginn des jugoslawischen Dramas das Bundesheer zwar wieder an der Grenze zu Slowenien – allerdings nicht wegen drohender Kriegsgefahr, sondern wegen der Corona-Krise. Slowenien und Kroatien sind nun Mitglieder von EU und NATO und politisch gefestigte Staaten. Obwohl am Balkan noch viele Herausforderungen bestehen, hat sich das geographische Umfeld Österreichs stabilisiert – auch das ist eine Realität, die vor dreißig Jahren völlig utopisch erschienen wäre.

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