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Sloweniens Kampf um die Unabhängigkeit

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Berichte Slowenien

Vor 30 Jahren begann mit den Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien der blutige Zerfall des sozialistischen Jugoslawien, das den Tod seines Staatsgründers, des Diktators Josip Broz Tito, gerade einmal um 10 Jahre überlebt hatte. Der Krieg in Slowenien dauerte nur zehn Tage und forderte weniger als 100 Todesopfer. Dass Slowenien seine Unabhängigkeit erkämpfte lag auch an der guten Vorbereitung auf den Tag X, die bereits viele Monate vor Kriegsbeginn einsetzte. Der kurze aber heftige Krieg führte auch zum größten militärischen Einsatz des Bundesheeres an der Staatsgrenze. Mit slowenischen Veteranen und militärischen Experten hat darüber unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen; hier sein Bericht:

Der Grenzübergang Gralblach-Holmec bei Bleiburg erweckt einen sehr beschaulichen Eindruck. Die Österreicher kontrollierten hier zum Zeitpunkt meines Lokalaugenscheins nur wegen der Corona-Pandemie; auf slowenischer Seite war überhaupt niemand am Grenzposten anzutreffen. Vor 30 Jahren war die Lage ganz anders. Ein ORF-Team filmte spektakuläre Bilder vom Kampf zwischen slowenischen Truppen und der jugoslawischen Volksarmee. Holmec ist der einzige Schauplatz im Slowenien-Krieg, wo der Verdacht von Kriegsverbrechen bestand; die Ermittlungen leitete nach dem Krieg der slowenische Polizist Drago Kos:

Drago Kos 3’05 (23‘23’30 – 23‘24‘10) 3‘44

„Wir untersuchten mögliche Kriegsverbrechen auf unserer Seite. Besonders interessierte uns, unter welchen Umständen drei jugoslawischen Soldaten und zwei unserer Polizisten fielen. Abgesehen von einem Soldaten ermittelten wir genau, wer und die übrigen vier Personen getötet hat und wie. Wir stellten fest, dass sich das in einem normalen militärischen Konflikt ereignete. Unseren Bericht gaben wir dann an die Staatsanwaltschaft, die mit unserer Arbeit zufrieden war und keine weiteren Ermittlungen anordnete.“

Besondere Brennpunkte waren die Grenzübergänge, die die jugoslawische Volksarmee zurückerobern wollte. Einerseits sollte damit demonstriert werden, dass der Versuch Sloweniens, sich von Jugoslawien abzuspalten, keine Aussicht auf Erfolg hatte. Zweitens ging es darum, die Zolleinnahmen wieder in jugoslawische Hand zu bekommen, die Laibach nicht mehr nach Belgrad ablieferte. Aus diesen Gründen besetzte die Volksarmee auch den Übergang bei Gornja Radgona und ließ Panzer am Ufer der Mur auffahren. Die Mur bildet seit dem Ende des Ersten Weltkrieges die Grenze zwischen Gornja Radgona und Bad Radkersburg.

Zu Kriegsbeginn fehlten den slowenischen Soldaten und Freiwilligen vor allem schwere Waffen, daher setzte man auf selbst gebastelte Sprengsätze und Angriffe auf den Nachschub; dazu zählt ein Hinterhalt an einer Zufahrtsstraße zur Grenze bei Gornja Radgona; dort beschreibt Niko Brus, der Vorsitzendes des Veteranenverbandes der Stadt, die Aktion so:

Niko Brus Ort des Angriffs auf die Kolonne

0’21 ( 18‘30’19 – 18‘31‘03) 1‘05

„Als die Volksarmee am 28. Juni 1991 nach Gornja Radgona kam, versammelten sich untere Jungs in einem Gebäude und an der Straße entschlossen sich zum Angriff mit Molotow-Cocktails. Dabei wurden etwa 10 LkWs vernichtet; das waren die Begleitfahrzeuge der Einheit. Somit blieb die Einheit ohne Nachschub, ohne Treibstoff, Wasser und so weiter.“

Die Gründe für die Niederlage der jugoslawischen Volksarmee sind vielfältig: einerseits unterschätzte sie den Widerstandswillen der Slowenen, die wussten, wofür sie kämpften, während das bei der jugoslawischen Vielvölker-Armee nicht der Fall war; zweitens waren die Slowenen gut vorbereitet; und drittens gelang es der Führung in Laibach, schwere Waffen über die Nachbarstaaten zu beschaffen; außerdem diente die Volksarmee als unfreiwilliger Lieferant, weil viele Waffenlager der Volksarmee den Slowenen rasch in die Hände fielen.  

Der Krieg in Slowenien dauerte nur 10 Tage und forderte weniger als 100 Todesopfer; leider war dieser Krieg nur der Auftakt im jugoslawischen Drama, das politische bis heute nicht abgeschlossen ist.

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