COVID von Slowenien bis Serbien
Auch das gesamte ehemalige Jugoslawien hat derzeit schwer mit steigenden Corona-Zahlen und deren Folgen für Gesundheitssystem und Wirtschaft zu kämpfen. Besonders angespannt ist die Lage derzeit in Slowenien; mit mehr als 1.600 Toten liegt das zwei Millionen Einwohner zählende Land international ganz vorne in der Opferstatistik. Bis Freitag wurde etwa ein Viertel der Bevölkerung getestet, infiziert sind derzeit mehr als 80.000 Personen. In Slowenien sind die Maßnahmen - verglichen mit den anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien - seit Wochen am strengsten, doch wirklich in den Griff bekommen hat man das Virus bisher nicht.
Ein Faktor der Ausbreitung war dabei im Sommer und Früherbst die enge Verzahnung mit dem ehemaligen Jugoslawien, erläutert in Laibach die Epidemiologien Bojana Beovic: "Im Juli hatten wir eine Welle, die aus Serbien und Bosnien kam, weil damals dort die Epidemie am Höhepunkt war. Das konnten wir durch Maßnahmen an den Grenzen eindämmen. Ende August führte dann die Rückkehr slowenischer Touristen aus Kroatien zu einer großen Welle, wegen der Wiederaufnahme der Arbeit und des Schulbeginns. Auch im September hatten wir viele Fälle aus dem Ausland.“ Mit Einschränkungen deckt sich dieser Befund auch mit Daten der ARGES für die Sommermonate in Österreich, wobei die slowenische Besonderheit darin besteht, dass etwa 100.000 Slowenien Wohnungen, Wochenendhäuser und Boote in Kroatien haben, wo im Sommer vor allem Nachtklubs eine Quelle der Infektionen darstellten.
Doch die Quellen der Infektion haben sich ab dem Herbst gewandelt; das zeigt etwa eine Analyse des Slowenischen Gesundheitsinstituts (NIJZ) in der dritten November-Woche. Demnach dominieren Infektionen an Arbeitsplätzen, dicht auf gefolgt viele Infektionen, die örtlich nicht zuordenbar sind; dahinten folgen Familien und private Treffen gefolgt von Altersheimen. Diese Struktur ist nur wenig überraschend, weil es wegen des strengen lock down eben nur mehr die Arbeit und private Aktivitäten gibt. Hinzu kommt, dass nach einer Umfrage der slowenischen Wirtschaftskammer drei Prozent aller Arbeiten von zu Hause erledigt werden, während 1,4 Prozent der Infizierten im Handel tätig sind. Fraglich ist, in welchem Ausmaß die strengen Beschränkungen für Reisen im Land positiv oder negativ wirken. So zeigt eine Statistik des „Google-Mobility-Reports“ für Slowenien, dass Besuche in Bars, Restaurants und Geschäften, sowie Reisen im Land drastisch zurückgegangen sind, während am Wohnort Bewegungsströme zugenommen haben. Wie dem auch sei: Lockerungen der Maßnahmen werden - wenn überhaupt – wohl erst zu Weihnachten möglich sein. Während der Feiertage könnte jedenfalls wieder die enge Verzahnung mit dem ehemaligen Jugoslawien wieder eine Rolle spielen, weil viele Bürger in ihre ursprünglichen Heimatländer fahren (wollen), in denen (Bosnien und Herzegowina oder Serbien), die Infektionsraten weiter hoch sind. Welche konkreten Maßnahmen dann Slowenien ergreifen will und wird, ist noch nicht völlig klar.
Serbien hat bisher trotz hoher Corona-Zahlen einen kompletten Lock down wie in Slowenien oder Österreich vermieden. Geschäfte und Restaurants arbeiten, obwohl die Öffnungszeiten beschränkt sind. Die Selbstdisziplin ist nun besser geworden, aber noch immer nicht wirklich zufriedenstellend. Daher galten weitere Einschränkungen in Serbien an diesem Wochenende. Hinzu kommt, dass ab heute Restaurants und Kaffees nur mehr bis 17 Uhr offen sein dürfen. Hauszustellung ist aber rund um die Uhr möglich. Auch in Serbien appellieren Ärzte immer wieder an die Vernunft der der Bürger; ein Beispiel dafür ist Branislav Tiodorovic, Mitglied des Krisenstabes: "Vor Weihnachten werden viele Bürger Geschenke kaufen. Daher ist es sehr wichtig maßvoll zu sein. Ich glaube, dass die große Mehrheit die Maßnahmen befolgt, doch die Minderheit hat das hervorgerufen, was wir nicht erwartet haben. Wenn sich alle daran halten, dann können wir nach dem 15. Dezember die Wirkung der Maßnahmen bewerten, und sie dann vielleicht zu Weihnachten oder Neujahr lockern."
Eröffnet wurde in der Nähe von Belgrad heute auch ein neues COVID-Krankenhaus. Es hat mehr als 900 Betten, davon 250 auf für Intensivpatienten. Ein weiteres Krankenhaus ist in Bau. Die politische Führung unter Präsident Alexander Vucic versucht mit allen (medialen) Mitteln der Bevölkerung zu suggerieren, dass sie die COVID-Krise im Griff hat, doch Zweifel sind angebracht. Zu Beginn der Vorwoche zählte Serbien bei etwas mehr als sieben Millionen Einwohnern täglich 6000 bis 7000 Neuinfizierte, wobei die Zahl der Hospitalisierten deutlich zunahm. Hinzu kommen immer mehr Infizierte unter dem medizinischen Personal; zu Beginn der Vorwoche waren es mindestens 600, wobei in beiden Fällen die Zahlen höher sein sollen. Serbien leidet unter einer starken Abwanderung von Ärzten und Krankenschwestern vor allem in die EU, hat aber auch mit massiven wirtschaftlichen Folgen der COVID-Krise zu kämpfen. Zwar ist der BIP-Rückgang wegen der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie weite geringer als in der Region, andererseits hat Serbien nun aber ein weit höheres Budgetdefizit und auch die Staatsverschuldung ist ein Problem. Negativ zu Buche schlägt auch, dass Serbien wirtschaftlich stark von der Entwicklung in der EU abhängt, im Gegensatz zu Slowenien und Kroatien aber über keinen nennenswerten Tourismus verfügt, der heuer als Wachstums-faktor dienen könnte, sollte die Corona-Krise das zulassen.