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Slowenien: Radfahrer gegen die Regierung

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Kleine Zeitung
Berichte Slowenien

In slowenischen Städten radeln seit vier Wochen Tausende Bürger durch die Innenstädte, um gegen die Koalition unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Janez Jansa zu demonstrieren. Die Proteste finden jeden Freitag am frühen Abend statt. Die Angaben über die Zahl der Teilnehmer gehen wie so oft in solchen Fällen weit auseinander, doch einiger Tausend sind es auf jeden Fall, die mit ihrem Drahtesel, Fahnen, Transparenten und Kuhglocken, ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen.

„Tod dem Faschismus“, steht auf einer der Fahnen, "Ihr seid alle Verbrecher" und "Regierung fällt" riefen die Demonstranten, die ein Sammelsurium diverser Gruppen und Aktionen bilden; das Spektrum reicht von der „Anarchistischen Initiative Laibach“ bis hin zur „Jugend für Klimagerechtigkeit“; ein informelle Zentrale der Bewegung ist ein „alternatives Kaffee“ in Laibach. Doch eine feste Organisation steht nicht hinter den Protesten, wohl aber einzelne, mehr oder weniger bekannte Personen. Dazu zählen ein Regisseur, ein Schauspieler, eine Puppenspielerin und eine Designerin. Auf „YouTube hat eine der Gruppen ein Video mit einem Lied in englischer Sprache gestellt, das in drei Minuten die „gesamte Antwort“ geben soll, warum in Slowenien protestiert wird. Teil dieser im Video nicht gegebenen Antwort ist, dass die Regierung finanzielle Mittel für NGOs gekürzt und deren Möglichkeiten bei Bauverfahren beschnitten hat, was auch die Teilnahme dieser Gruppen an den Protesten plausibel macht.

Einer der wenigen, klaren Kritikpunkte lautet, dass die Koalition unter Janez Jansa politisch nicht legitim sei, weil sie ohne Neuwahlen zustande kam. Dieser Vorwurf hängt damit zusammen, dass Jansas Partei SDS bei der Parlamentswahl im Jahre 2018 zwar stimmenstärkste Kraft wurde, aber an der Regierungsbildung scheiterte. Denn die Rentnerpartei DESUS und die SMC des ehemaligen Ministerpräsidenten Miro Cerar schworen im Wahlkampf Stein und Bein, keine Koalition mit der SDS zu bilden. Das Rennen machte daher der Bürgermeister von Kamnik, Marjan Sarec. Nach weniger als zwei Jahren warf er das Handtuch, weil eine linke Partei die Unterstützung aufkündigte, auf die dessen Regierung angewiesen war. DESUS und SMC hätten bei Wahlen nach Umfragen kaum Chancen auf einen Einzug ins Parlament. Bei der Wahl zwischen politischer Prinzipientreue und dem politischen Überleben entschieden sich beide Parteien – für Janez Jansa. Er wurde im Parlament auf völlig rechtmäßige Weise gewählt, sodass der Regierung ihre Legitimität nicht abgesprochen werden kann.

Politisch relevant sind noch weitere zwei Kritikpunkte der Protestbewegung; dazu zählt der Vorwurf von Korruption und Vetternwirtschaft bei der Beschaffung von Schutzausrüstung für den Kampf gegen die Corona-Krise, die Slowenien bisher sehr erfolgreich gemeistert hat. Publik gemacht hat die Vorwürfe ein Beamter, der zum ersten Mal in einem Beitrag im staatlichen Fernsehen auftrat. Diese Anschuldigungen betreffen aber vor allem Ministerien, die von Jansas Koalitionspartnern geführt werden. Der Beamte wurde von der Regierung ebenso massiv kritisiert wie der Sender RTV-Slovenija, dessen Führung die Regierung auswechseln will. Hinzu kommt der Vorwurf, die Regierung haben kritische Epidemiologen zum Schweigen gebracht, eine Kritik, die sich aber durchaus nicht nur auf Slowenien beschränkt. Hinzu kommt, dass es auch unter Marjan Sarec zu umfangreichen personellen Umbesetzungen kam, die in der slowenischen Medienlandschaft nicht auf besonderes Echo stießen. Fragwürdig ist die Anschuldigung, die Regierung Jansa haben die Corona-Krise für politische Zwecke nutzen wollen; erstens tat das wohl fast jede Regierung; und zweitens zeigt ein Vergleich der Maßnahmen zwischen dem konservativen Slowenien und dem links-regierten Spanien jedenfalls nicht, dass in Slowenien die Grund- und Freiheitsrechte besonders eingeschränkt worden sind.

Die Proteste in Slowenien sind keine Massenbewegung; ihr klares Ziel ist der Sturz von Janez Jansa, wobei man derzeit den „Sack“, (seine Koalitionspartner) haut, aber den „Esel“ meint. Die konservative NGO „Versammlung der Republik“ kritisierte in einem offenen Brief an die Botschaften in Laibach, dass mit Hilfe internationaler Medien ein Bild über die Regierung gezeichnet werde, das nicht „der Realität in Slowenien“ entspreche. Diese Kritik hat durchaus etwas für sich; allerdings ist Janez Jansa mit seinem stark ausgeprägten Freund-Feind-Denken, seinem autoritären Führungsstil, seinem Twitter-Account und seiner Nähe zu Viktor Orban in Ungarn auch ein äußerst „dankbares Opfer“.

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