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Migrationsbewegung und der Balkan

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Kleine Zeitung
Berichte Slowenien
Drei Mal am Tag veröffentlicht die slowenische Polizei neue Daten über Migrationsströme; von 1. Jänner 2016 bis 27.Jänner 12 Uhr waren es 52.438 Personen; von 16. Oktober, dem Stichtag für die Massenbewegung über slowenisches Territorium, bis 31. Dezember, waren es 378.604 Personen. Das macht insgesamt bis gestern 12 Uhr Mittag 431.042 Personen. Dass die Zahlen im Jänner mit durchschnittlich 2.000 Personen pro Tag deutlich geringer ausfallen als in den Monaten davor, hat vor allem zwei Gründe: das schlechtere Wetter im Winter und die Tatsache, dass an der mazedonisch-griechischen Grenze bei Gevgelija seit etwa November nur mehr Syrer, Iraker und Afghanen durchgelassen werden. Tageweise spürbar waren und sind Streiks griechischer Fähren oder Bauern, die den Übergang bei Gevgelija hin und wieder blockieren.

Keine direkte „Abhaltewirkung“ hatte der Beschluss der Regierung in Wien vom 20. Jänner, nur mehr Personen zu akzeptieren, die in Deutschland oder Österreich Asyl ansuchen. Das zeigen die Zahlen entlang der Balkanroute ganz klar. Vom 21. bis 26. Jänner passierten das slowenische Auffanglager in Dobovo im Grenzgebiet zu Kroatien 6941 Personen. Zu den Abgewiesenen in diesem Zeitraum sagt der slowenische Polizeisprecher von Novo Mesto, Robert Perc: „Seit 21. Jänner haben wir bei den Grenzkontrollen den kroatischen Organen 20 Migranten zurückgeschickt, die nicht die Bedingungen für die Weiterreise erfüllt haben. Im selben Zeitraum hat uns Österreich 166 Migranten zurückgeschickt. Davon wurden dann nach neuerlicher Überprüfung 26 von Österreich akzeptiert.“ Minimal sind auch die Zahlen in Gevgelija; nach mazedonischen Angaben passierten am 26. Jänner bis 16 Uhr 2.500 Personen die mazedonische Grenze, abgewiesen wurden 40 Personen. Warum es so wenige sind, ist einfach erklärt: erstens sind Deutschland und Österreich begehrte Asylländer; zweitens hat sich die österreichische Einschränkung rasch herumgesprochen, und ein „Abtauchen“ während der Asylverfahren ist immerhin möglich, sollte eine Person wirklich in ein anderes Zielland wollen. Somit tickt die Uhr, sollte Österreich tatsächlich nach 37.500 Asylanträgen in diesem Jahr die Grenze für die Balkanroute dicht machen; denn allein im Jänner soll es bisher 5.500 Asylanträge gegeben haben; das bedeutet, dass noch sechs Monate Zeit bleiben, sollten die Zahl der Anträge im Frühling nicht durch höhere Migrationszahlen wieder steigen.

Eine indirekte „Abwahltewirkung“ auf der Balkanroute könnte vor allem durch die Beschränkung auf Syrer, Afghanen und Iraker geben sein, weil es sich etwa in Marokko herumsprechen dürfte, dass man nun viel weniger Chancen hat, nach Deutschland oder Österreich zu kommen. Dabei ist gerade Marokko ein gutes Beispiel für die Probleme bei der Rückführung. Im Vorjahr soll aus Österreich kein einziger Marokkaner rückgeführt worden sein, obwohl es ein derartiges zwischenstaatliches Abkommen gibt, das aber etwa Länder wie Slowenien oder Kroatien nicht vorweisen können. Beide Staaten hoffen in diesem Fall auf eine Lösung durch die EU. Beide Staaten teilen mit Serbien und Mazedonien die Angst, zu einem Auffanglager für Personen zu werden, die Österreich und Deutschland nicht mehr aufnehmen. Alle diese vier Staaten haben nun die Transporte der Flüchtlinge und Migranten weit besser organisiert, wobei die großen urbanen Ballungszentren umgangen werden. Genutzt wird nun vor allem die Eisenbahn von Gevgelija bis nach Spielfeld über die Zwischenstationen in den einzelnen Ländern. Das kroatische Auffanglager bei Slawonski Brod ist direkt an eine Eisenbahnlinie angebunden, das gleiche gilt für das Lager in Sentilj. Im Ort Dobova gibt es ebenfalls einen Bahnhof, doch erfolgen von dort auch noch Transporte mit Bussen an die Grenze zu Österreich.

An der Balkanroute im Einsatz sind nunmehr auch verstärkt Polizisten aus Österreich, Deutschland, Ungarn, der Slowakei und Tschechien, um die wichtigsten EU-Staaten zu nennen. Nach wie vor nicht berauschend funktioniert aber die Zusammenarbeit zwischen Slowenien und Kroatien sowie zwischen Mazedonien und Griechenland. Da hemmen bilaterale Probleme wie der Streit um die Bucht von Piran oder der Streit um den mazedonischen Staatsnamen die Effizienz. Für den regelmäßigen „Besucher“ all dieser Grenzübergänge und Auffanglager ist es auch nur schwer verständlich, warum weiter jedes Land im Alleingang die Flüchtlinge und Migranten registriert. Im kroatischen Slavonski Brod registrieren etwa 30 Polizisten die Flüchtlinge und nehmen dort von allen zehn Fingern auch Fingerabdrücke; im slowenischen Dobova registrieren ebenfalls 30 Polizisten dann ebenfalls die Ankommenden, nehmen pro Person aber nur einen Fingerabdruck. Warum es auf diesem Gebiet aber auch bei den Registrierungsformularen keine einheitliche Vorgangsweise gibt, mag rechtlich zu begründen sein, Effizienz sieht anders aus. Natürlich sind in jedem Lager auch Rotes Kreuz, UNHCR und andere Organisationen vertreten, von der Kleiderspende bis zur Verpflegung. Die Frage nach der Effizienz stellt sich wohl auch im Falle von Sentilj und Spielfeld. Das slowenische und österreichische Lager sind vielleicht 200 Meter voneinander entfernt; die Slowenen führen daher die Flüchtlinge zu Fuß zur österreichischen Seite, wo sind dann übernommen werden, wobei österreichische Verbindungsbeamte auch auf slowenischer Seite im Einsatz sind. Dass Sentilj und Spielfeld nicht zusammengelegt werden, mag für einen Balkan-Korrespondenten noch erklärbar sein, die dieser Region wollen doch weder Österreich noch Slowenien wirklich zugerechnet werden – oder doch nicht?

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