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PC Sora und die Anschläge in Kärnten

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Kleine Zeitung
Berichte Slowenien
Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Sommer 1968 wuchs in Jugoslawien neuerlich die Angst vor einem möglichen Einmarsch der Roten Armee. Daher wurden kleine Einheiten gebildet, die nach einem allfälligen Einmarsch im besetzten Gebiet als Diversanten aktiv sein und Sabotageakte gegen die Besatzungstruppen durchführen sollten. Dieses Konzept entsprach in den Grundzügen dem NATO-Programm „Gladio“, dessen Waffenlager vor einigen Jahren auch in Österreich gefunden wurden. Derartige Einheiten bestanden auch im Raum Pettau (Ptuj) und Cilli (Celje). Geführt wurden sie vom regionalen Zentrum der slowenischen Staatssicherheit (SDV, Sluzba Drzavne Varnosti) in Marburg (Maribor). Nachdem Marburg das Zentrum war, wurden diese Einheiten Podcentar (PC / Unterzentrum) genannt. Geführt wurde vom SDV-Marburg aus auch eine derartige Einheit in Unterkärnten. Da jedoch keine genaue geografische Bezeichnung möglich war, wurde der slowenische Fluss Sora als Deckname für das „PC Sora“ gewählt, das in den slowenischen Geheimakten aus dem Jahre 1979 im Zusammenhang mit den Anschlägen in Unterkärnten wiederholt erwähnt wird.

Nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters der SDV in Marburg bestand diese Einheit in Unterkärnten aus Kärntner Slowenen, die vorwiegend aus Familien stammten, deren Väter oder Verwandte als Partisanen im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten. Somit bestanden Sympathien für das kommunistische Jugoslawien und für die Tradition des Partisanen-Kampfes, die von der Staatssicherheit in Marburg genutzt wurde. Denn für Anwerbung und Führung soll neben dem Chef der SDV-Marburg, Ivo Mrevlje, vor allem Vili Mlakar zuständig gewesen sein. Mlakar entstammt einer Bauernfamilie aus Crna in Slowenisch-Kärnten. 1943 ging er mit 15 Jahren zu den Partisanen, erhielt den Kampfnamen „Baltasar“ (Boltezar) und diente während des Krieges in der „Bachern Brigade“ (Pohorska Brigada). Mlakar verfügte somit über einen entsprechenden Nimbus, den er gegenüber einer Generation von Kärntner Slowenen ausspielen konnte, die während des Krieges oder knapp danach geboren wurden. Diese Personen sahen es als „Ehre“ an für Jugoslawien auf diese Weise arbeiten zu dürfen. Darüber hinaus bestanden alte Kontakte aus der Zeit des Krieges, die die slowenische Staatssicherheit stets weiter gepflegt hatte, und auf die bei der Aufstellung des PC Sora ebenfalls zurückgegriffen werden konnte.

Die Stärke des PC Sora dürfte an die zehn Mann betragen haben. Diese ungefähre Zahl deckt sich mit den Namen in den Geheimdokumenten aber auch mit entsprechenden Einheiten in Slowenien selbst. Ausgebildet wurden die Kärntner Slowenen am Bachern und in Istrien und zwar an leichten Waffen (Skorpion, AK) und im Umgang mit Sprengstoff. In der Regel soll drei Mal pro Jahr geübt worden sein. In Unterkärnten sollen nach Angaben des Gewährsmannes keine Waffenlager bestanden haben, weil der SDV-Marburg im Falle eines sowjetischen Angriffs von einer Vorwarnzeit von mindestens einer Woche ausging, so dass die zeitgerechte Ausstattung des PC Sora kein Problem dargestellt hätte. Zum Problem wurde für den SDV-Marburg jedoch die Radikalisierung, die sich unter den Mitgliedern des PC Sora nach ihrer Ausbildung und angesichts des Volksgruppen-Konflikts in Kärnten Mitte der 70iger Jahre einsetzte. Sie führten vor allem1976 zu immer massiveren Forderungen nach technischer Unterstützung für Anschläge in Unterkärnten selbst, wobei diese Kärntner Slowenen auch mit der passiven Haltung Belgrads in der Volksgruppenfrage unzufrieden waren. Höhepunkt dieser Serie war der Anschlag auf das Volksabstimmungsmuseum in Völkermarkt im Herbst 1979. Nach Ansicht des Gewährsmanns in Marburg dürfte die Idee dazu von Mitgliedern des PC Sora gekommen sein, denn das Museum war so manchem Kärntner Slowenen ein Dorn im Auge.

Der Anschlag in Völkermarkt geriet jedoch zum Fiasko, weil sich die beiden Mitarbeiter der slowenischen Staatssicherheit selbst schwer verletzten und gefasst wurden. Lukar Vidmar verlor als Haupttäter ein Bein; seine Begleiterin, Marina Blaj, spielte nur eine Nebenrolle. Sie diente nicht zum ersten Mal als weibliche Tarnung für Einsätze im Ausland. Obwohl Vidmar von Ivo Mrevlje speziell für diesen Einsatz aus Laibach engagiert worden sein soll, zweifelt der SVD-Gewährsmann, dass die SDV-Zentrale in Laibach ein detailliertes Wissen über den geplanten Anschlag gehabt hat, weil zwischen dem SDV in Laibach und Marburg eine Art Konkurrenzverhältnis betsand. Überhaupt nicht eingeweiht könnte die Führung in Belgrad gewesen sein. Das Fiasko führte zum Köpferollen in SDV in Marburg. Ivo Mrevlje, Vili Mlakar und noch ein dritter Mitarbeiter verloren ihre Posten und wurden in einem geheimen Prozess zu zwei bis drei Jahren Haft verurteilt. Den übrigen Mitarbeitern des SDV-Marburg versuchte die Führung in Laibach einzureden, die beiden hätten im Auftrag von KGB oder CIA als Provokateure gehandelt, eine These die jedoch niemand glaubte.

Marina Blaj und Luka Vidmar wurden im September 1981 gegen einen österreichischen Agenten ausgetauscht und nach Jugoslawien abgeschoben. Blaj, Mrevlje und Mlakar leben zurückgezogen in Marburg. Lukar Vidmar ist schon vor längerer Zeit gestorben. Er hat sein Wissen ebenso mit ins Grab genommen, wie der 1997 verstorbene Johann Hanin. In den slowenischen Geheimakten wird er als Urheber mehrerer Anschläge genannt; auf dem Anwesen seiner Familie in Schilterndorf hob die Polizei im Juli dieses Jahres ein Waffen- und Sprengstofflager aus. Selbst wenn Hanin tatsächlich Anschläge verübt hat ist offen, ob er Mitglied des PC Sora war. Dem SDV in Marburg galt Hanin als nicht vertrauenswürdig und zu wenig konspirativ. Diese Beschreibung deckt sich mit der Eintragung in seinem militärischen Grundbuch: „Unzuverlässig, bedarf dauernder Dienstaufsicht“. Hanin diente im Jäger-Bataillon Nr. 25 in den Jahren 1964/65 in einer Kompanie mit 105 Soldaten. Über mehrere seiner Kameraden finden sich Eintragungen in den Listen der UDBA, die im Internet zu finden sind. Ein Kamerad wird sogar in den Geheimpapieren namentlich erwähnt; in diesen Dokumenten ist auch zu lesen, dass sich das PC Sora Mitglied „Rastko“ über seinen „persönlicher Freund“ Hanin, den er bei „Militärübungen kennen gelernt“ hatte, eine größere Menge an Donarit beschaffen konnte. Da die Beziehung dieser Gruppe als „relativ eng“ beschrieben wird, sind die Mitglieder des PC Sora zweifellos im Umfeld von Johann Hanin zu suchen. Die Aufklärung des Falles PC Sora und der Anschläge in Kärnten wäre zweifellos um vieles leichter, würden auch das Innen- und das Verteidigungsministerium ihre Akten öffnen. Doch Offenheit ist bei Polizei und Bundesheer bisher offensichtlich nicht angesagt.

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