Schengen und der Balkan
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Wiener Zeitung
Berichte Slowenien
Vor 15 Jahren begann die Zusammenarbeit, die durch den EU-Beitritt Sloweniens neue Impulse erlebte. Es gibt einen gemeinsamen Autobus, am Vormittag fährt ein Slowene, am Nachmittag ein Italiener. Wer ein Abonnement in einen Theater hat, bekommt im anderen Ermäßigungen. Ausstellungen haben zweisprachige Texte. Doch zur gemeinsamen Vermarktung des enormen touristischen Potentials kam es bisher nicht. Die Grenze in den Köpfen sitzt tief, obwohl nun zunehmend auch Italiener Slowenisch lernen.
Während somit zwischen Italien und Slowenien die (geistige) Grenze verschwindet, wurde die Grenze zu Kroatien EU-Außengrenze. Gemildert wird dieser Umstand dadurch, dass die Kroaten für die EU keine Visa benötigen, obwohl der Streit um die ungeklärte Grenze zwischen Slowenien und Kroatien ein sehr heikles Thema ist, der den Beitritt Kroatiens zur EU zunehmend belastet. In der Praxis noch belastender wirkt sich die neue Schengen-Grenze jedoch auf die übrigen Staaten des Westbalkan aus. Zwar sollen für Bosnien, Montenegro und Serbien demnächst Visa-Erleichterungen für spezielle Bevölkerungsgruppen, etwa für Studenten, Wissenschaftler und Unternehmer in Kraft treten, doch das Gefühl der Isolation ist in all diesen Staaten sehr groß. Versucht wird daher, das Visa-Regime zu umgehen, etwa dadurch, dass Mazedonier plötzlich bulgarische Wurzeln entdecken, und die bulgarische Staatsbürgerschaft erwerben, ungeachtet dessen, dass Bulgarien nicht zum Schengen-Raum zählt.
Bei aller Freude über die Ausdehnung des Schengen-Raumes sollte somit nicht vergessen werden, dass vor der EU am Westbalkan noch ein großes Stück Arbeit wartet. Denn selbst wenn der Status des Kosovo demnächst friedlich gelöst werden sollte, so wird es Jahrzehnte dauern, bis die (geistige) Grenze zwischen Serben und Albanern jenes Niveaus erreicht hat, das nun in Görz zwischen Italienern und Slowenen erreicht worden ist.