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Slowenien, Österreich und die Vergangenheit

Zeitung
Osterbeilage:
Berichte Slowenien
Christian Wehrschütz

Kleine Zeitung: Osterbeilage: Slowenien, Österreich und die Vergangenheit

Der Gottscheer Hornwald (Kocevjski Rog) in Slowenien ist ein wahres Naturparadies. Im Frühling bricht sich die Sonne bereits ihre Bahn und taucht die Bäume und den bemoosten Boden in ein besonderes Licht. Vereinzelt liegt noch Schnee, die Forstwege sind aufgeweicht, die Zeit des Wanderns ist noch nicht gekommen, obwohl die Luft würzig ist und der Wald eine fast urwaldartige Atmosphäre ausstrahlt. Zu sehen sind im Hornwald immer wieder Weg-kreuze mit der Aufschrift „Grobnica“. Die angekündigten „Grabkammern“ sind Teil der dunklen Seite des Hornwaldes und der Geschichte Sloweniens und Jugoslawiens im 20 Jahr-hundert. Wie viele Tausende Menschen hier im und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg umkamen ist noch immer unklar.

Mit diesen blutigen und tragischen Seiten der Geschichte befaßt sich auch eine Ausstellung, die derzeit in Kranj, dem alten Krainburg zu sehen ist. Die Ausstellung wurde vom Klagen-furter Hermagorasverein organisiert, wurde von slowenischen und österreichischen Histori-kern gemeinsam gestaltet, ist zweisprachig, und trägt den Titel „Unter Hakenkreuz und Titostern“. Die Ausstellung ist der erste Versuch, die Geschichte Sloweniens während und nach dem Zweiten Weltkrieg umfassend aufzuarbeiten. Dargestellt wird die nationalsozia-listische Herrschaft, deren Terror und Umsiedlungspolitik Zehntausende Opfer forderte; gezeigt wird, daß die Besatzungsmacht vor allem Steirer und Kärntner verkörperten, ein Umstand, der das Verhältnis zu Österreich lange belastet hat.

Gezeigt werden in der Ausstellung auch die Verbrechen der Tito-Partisanen an Deutschen, Slowenen, politischen Gegnern und Flüchtlingen und vielen anderen Bürgern Jugoslawiens begingen, die die Waffen niedergelegt hatten, von den Briten in Kärnten aber an die Partisa-nen ausgeliefert wurden. So schätzen der Laibacher Historiker Joze Dezman, daß in den ersten Wochen nach Kriegsende in Slowenien 100.000 Personen getötet wurden, das ist mehr als in den vier Kriegsjahren zu vor. Ort dieser Verbrechen und Endpunkt vieler Todesmärsche war auch der Gottscheer Hornwald. Menschen wurden erschossen und in Karsthöhlen gewor-fen oder einfach in Höhlen getrieben, die dann gesprengt wurden.

Doch dem Terror in den Nachkriegsjahren fielen auch viele Slowenen zum Opfer, die keine politische Rolle gespielt und auf keiner Seite gestanden hatten aber eben keine Kommunisten waren. In dem Zusammenhang zeigt die Ausstellung, wie sensibel diese innerslowenische Ab-rechnung der ersten Jahre der Tito-Herrschaft nach wie vor ist. Zwar wurden nach der Unab-hängigkeit Sloweniens Denationalisierungsgesetze erlassen und mit Restitution und Entschä-digung begonnen. Doch die Gerichte sind langsam und bisher mußte sich erst ein früheres Mitglied der Partisanenbewegung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten und wurde freigesprochen. Partisanenverbände waren es auch, die in Slowenien mit Protesten und Interventionen die Ausstellung zu verhindern suchten. Sie wurde von der EU und vom Wissenschaftsministerium in Wien, nicht aber vom Land Kärnten gefördert. Zum Schwachpunkt der Ausstellung zählt trotzdem, daß sie zur sehr auf das Verhältnis zwischen Kärnten und Slowenien fixiert ist und die spezifische Lage in der ehemaligen Unter-steiermark in der Zwischenkriegszeit zu wenig berücksichtigt. Doch befaßt sich mit dem ge-samten Themenkomplex der Ausstellung auch die österreichisch-slowenische Historikerkom-mission; sie soll ihren Bericht bis Jahresende vorlegen, der auch die Ereignisse im Hornwald umfassen wird. Neben einer seiner Höhlen steht ein schlichtes Holzkreuz; davor liegt ein Holzstück. Darauf steht in Slowenisch: „Auch wir starben für die Heimat“; doch dieser Opfer-gang harrt noch seiner umfassenden Anerkennung, obwohl auch in dieser Hinsicht Slowenien den anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken weit voraus ist. So schätzt der Grazer Historiker Stefan Karner, daß der Zweite Weltkrieg in Jugoslawien 1,7 Millionen Menschen-leben forderte; davon soll eine Million den internen Abrechnungen zum Opfer gefallen sein.
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