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Sloweniens Regierung kämpft gegen die Krise

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Berichte Slowenien
In Slowenien hat die Regierung in der Vorwoche ihren Budgetplan für die Jahre 2013 und 2014 vorgelegt. Ziel ist es, das Defizit von 6,4 Prozent im Vorjahr auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Erreicht werden soll dieses Ziel durch weitere Einsparungen im öffentlichen Dienst sowie durch Steuererhöhungen. So wird die Mehrheitsteuer auf bestimmte Dienstleistungen angehoben, eine Steuer auf Finanzdienstleistungen eingeführt, was zusätzliche Einnahmen im Ausmaß von 250 Millionen Euro bringen soll. Die Gehälter bei den Beamten sollen um fünf Prozent gekürzt werden, außerdem plan die Regierung auch einen Personalabbau, was die Gewerkschaften besonders gegen die Pläne aufbringt. Doch Einsparungen sind nur ein Teil eines umfassenden Programms, das Slowenien aus der Krise führen soll. Über das Maßnahmenpaket der konservativen Fünf-Parteien-Koalition sowie über die Ursachen der slowenischen Krise hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz den folgenden Beitrag gestaltet:

Im September ist die Arbeitslosigkeit in Slowenien leicht gesunken. Trotzdem sind noch immer 105.000 der zwei Millionen Slowenen erwerbslos. Wie sehr die Krise viele Bürger getroffen hat, zeigt die Ausgabestelle des Roten Kreuzes in einem Außenbezirk von Laibach. In guten Zeiten wurden hier zwei, drei Mal pro Jahr Pakete ausgegeben, jetzt stellen sich Pensionisten, Familien aber auch junge Menschen, die keine Arbeit finden, auch acht Mal pro Jahr an, um Hilfspakete zu bekommen. Zum wachsenden Andrang sagt der Generalsekretär des slowenischen Roten Kreuzes Danijel Starman:

"In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Hilfesuchenden von weniger als 100.000 auf fast 150.000 erhöht. 2007 haben wir 1.700 Tonnen an Lebensmittel verteilt; im vergangen Jahr waren es bereits mehr als 3.700 Tonnen. Die Not wird immer größer, Ersparnisse gibt es keine mehr, und daher hängen viele von unserer Hilfe ab und zwar nicht nur am Land; gerade auch in den Städten, wo es keine Gärten und keine Nachbarschaftshilfe gibt, ist die soziale Not groß."

In Slowenien lag das Durchschnittseinkommen im Vorjahr noch bei etwa eintausend Euro netto im Monat. Doch auf die schlechter werdenden Zeiten reagieren auch Slowenen, die von der Krise nicht unmittelbar betroffen sind. Bei einer Straßenbefragung sagt ein älterer Mann:

"Ja natürlich; die Löhne sind niedriger, und das spürt man mehr. Zum Teil spare ich; wenn ich einkaufen gehe, vergleiche ich, wo ich gute Produkte zu guten Preisen bekomme."

Und ein Student ergänzt:

"Persönlich muss ich sagen, dass ich besser schaue, wenn ich einkaufen gehe, was ich kaufe, das betrifft vor allem Lebensmittel, aber vielleicht auch Kleidung. Wir greifen auch nicht zu neuen Computern, oder zu einem neuen Mobiltelefon; ich plane keine größeren Ausgaben oder Reisen, so empfinde ich selbst die Krise."

Ausgelöst wurde sie zweifellos die durch internationale Finanzkrise im Jahre 2008, die dann zur Wirtschaftskrise wurde und die starke slowenische Exportwirtschaft massiv traf. Doch es gibt auch hausgemacht Ursachen; sie reichen bis in die Zeit knapp nach dem EU-Beitritt im Jahre 2004 zurück. Dazu sagt in Laibach der Präsident der slowenischen Wirtschaftskammer Samo Hribar Milic:

„Im Jahre 2005 bereite sich Slowenien bereits auf den Beitritt zur Eurozone vor. Und sowohl für die Wirtschaft als auch für die Bevölkerung war Kapital sehr billig, und so haben wir uns sehr verschuldet. 2004 lag die gesamte Verschuldung inklusive der privaten Haushalte bei 14 Milliarden Euro, doch bis 2008 wuchs diese Verschuldung auf 42 Milliarden Euro, das bedeute eine Verdreifachung. Am höchsten war die Verschuldung im privaten Konsum aber auch bei Investitionen der Bauwirtschaft. Gleichzeitig waren Aktien von Finanzgesellschaften und Firmen am Balkan lukrativ, vor allem in Bosnien und Serbien. Und viele Slowenen haben daher Kredite auf ihre Wohnungen aufgenommen, um auf diesen Märkten Aktien und Wertpapiere zu kaufen. 2008 kam es dann zum Kollaps und der Wert dieser Papiere sank bis auf ein Fünftel.“

Zusätzlich verschärfte die Krise die sogenannte Tycoon-Privatisierung die schließlich die ausgekauften Unternehmen ebenso traf wie die Banken. Den Ablauf dieses Management-Buy-outs beschreibt Christian Miller, der österreichische Handelsdelegierte in Slowenien:

"Der Manager hat sich einen Bankkredit genommen und als Sicherheit die Aktien, die Anteile des übernommenen Unternehmens verwendet. Mit Eintritt der Wirtschaftskrise fiel der Wert der Aktien in den Keller, sind die Gewinne in den Keller gerasselt, aber die Bankverbindlichkeiten blieben auf gleicher Höhe."

Die Krise traf in Slowenien zwar alle, trennte aber recht rasch die Spreu vom Weizen. Viele große Firmen der Bauwirtschaft brachen zusammen als die fremdfinanzierte Immobilienblase platze. Hinzu kommt, dass in die Infrastruktur heute zehn Mal weniger investiert wird als vor fünf Jahren. Massiv betroffen sind die slowenischen Banken, die Kredite ohne entsprechende Sicherheiten vergaben. Notleidend ist nach Angaben der Nationalbank jeder zehnte Kredit. Der große Kapitalbedarf der Banken trifft den Staat unmittelbar, weil die zwei größten Banken zu je 50 Prozent im Staatseigentum sind. Ganz anders stehen exportorientierte Betriebe da; dazu zählt der Konzern Hidria, der in Tolmein am Südrand der Julischen Alpen seinen Stammsitz hat. Hidria hat 2.700 Mitarbeiter. Produziert werden auch Zündkerzen für die Autoindustrie. Nach Auftragseinbrüchen von 40 Prozent war 2011 das beste Jahr in der Geschichte des Privatbetriebs. Insgesamt legten die slowenischen Exporte 2011 um sieben Prozent zu, und gemessen an der Bevölkerungszahl exportiert Slowenien sechs Mal mehr als Griechenland. Trotzdem spürt auch Hidria die Krise. Warum erläutert der Vizepräsident des Konzerns Bostjan Bratus

"Es ist sehr schwer zu neuen Geldquellen für Entwicklungsprojekte zu kommen. Das beeinflusst auch unsere Automobilindustrie. Ein Beispiel ist ein neuer Sensor bei Autokerzen zur Druckmessung, wo wir zehn Patente angemeldet haben und etwa 20 Millionen Euro in die Entwicklung dieses Produktes investieren. Doch die Finanzierung in dieser Lage ist außerordentlich schwierig, weil die Banken selbst für sehr gute Projekte kein Geld geben. Das hat auch mit der Bauwirtschaft zu tun, wo in der Vergangenheit ohne entsprechende Sicherheiten Kredite gewährt wurden. Heute sind wir ins andere Extrem gefallen, wo die Banken fast niemandem Geld leihen."

Die Krise hat aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Gründe. In den fetten Jahren vor 2008 verzichtete der damalige konservative Ministerpräsident Janez Jansa unter dem Druck der Gewerkschaften auf umfassende Strukturreformen. Die Wahlen im Herbst 2008 brachten ein Mitte-Links-Bündnis an die Macht, doch die Regierung hielt nur knapp drei Jahre. Politisch das Genick brach ihr das Scheitern der Pensionsreform durch ein Referendum im Juni 2011. Die Wahlen im Dezember brachten wiederum Janez Jansa an die Macht; er führt nun eine Fünf-Parteien-Koalition; sie muss Reformen durchführen, um eine weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit Sloweniens durch Rating-Agenturen zu vermeiden. Zu bewältigen sind, die Reform und Sanierung der Banken, Pensions- und Arbeitsmarktreform sowie die Senkung von Staatsverschuldung und Budgetdefizit. Um das Defizit im nächsten Jahr unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken soll unter anderem die Mehrwertsteuer erhöht werden. Folgende Bereiche nannte Finanzminister Janez Sustersic in der Vorwoche in Laibach:

„Wir schlagen vor, dass die Mehrwertsteuer in gewissen Bereichen vom niedrigeren Steuersatz von 8,5 auf den allgemeinen Steuersatz von 20 Prozent erhöht wird; das betrifft kommunale Dienstleistungen wie Müllabfuhr, die Nutzung von Sportanlagen, den Verkauf von Zeitschriften und Zeitungen sowie Tierfutter, die Fensterreinigung, Friseure sowie die Lieferung von Gartenpflanzen, Setzlingen und Schnittblumen. Das sind Dinge, für die es weder sehr überzeugende wirtschaftliche noch andere Gründe gibt, um sie mit dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz zu schützen.“

Scharfe Proteste dagegen kamen aus der Medienbranche; weit schwieriger zu überwinden sein wird aber der Widerstand der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes. Er umfasst 160.000 Bedienstete, fast die Hälfte ist gewerkschaftlich organisiert. Die Regierung will nicht nur deren Löhne um fünf Prozent kürzen, sondern auch Personal abbauen. Gleichzeit soll der Arbeitsmarkt reformiert werden, weil Kündigungen in der Privatwirtschaft nur schwer möglich sind. Die Wünsche der Wirtschaft formuliert der Hidria-Manager Bostjan Bratus so:

"Das neue Arbeitsrecht müsste dem Arbeitgeber eine größere Anpassung an die Wirtschaftslage und an die Schwankungen beim Verkauf ermöglichen, die wesentlich größer sind als vor zehn Jahren. Der Arbeitgeber, der eine entsprechende gesetzliche Flexibilität hat, entschließt sich auch schneller zu neuen Einstellungen."

Ob sich die Regierung zur tiefgreifenden Reform des Arbeitsrechts durchringen kann, ist fraglich; trotzdem stellt der Vorsitzende der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, Branimir Strukelj, bereits die Rute ins Fenster:

"Die Reform des Arbeitsmarktes ist eine viel anspruchsvollere Frage, insbesondere, wenn in diesem Augenblick die Regierung mit dem Abbau öffentlicher Bediensteter beginnen sollte; dann würde unsere Gewerkschaft die Reform des Arbeitsmarktes blockieren: Denn es wäre wohl verrückt, wenn wir Entlassungen akzeptieren während wir über eine Reform verhandeln, die schlechter für die Bediensteten wäre."

Eine Einigung ist dagegen bei der Pensionsreform in Sicht. Hier kam die Regierung den Gewerkschaften entgegen und verzichtete auf ein generelles Pensionsantrittsalter von 65 Jahren. 40 Arbeitsjahre werden weiter ausreichen, wobei über Details noch verhandelt wird, und Wirtschaft wie Gewerkschaften davon ausgehen, dass in drei, vier Jahren eine weitere Pensionsreform nötig sein wird. Massiv umstritten ist aber die geplante Gründung einer Staatsholding und einer sogenannten „Bad Bank“. Die Holding soll mehr als 150 staatliche Beteiligungen verwalten, deren Wert auf mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt wird. Opposition und Gewerkschaften befürchten einen völlig intransparenten Ausverkauf von Volksvermögen. Die „Bad Bank“ soll im Gegenzug für staatliche Wertpapiere die schlechten Kredite der Banken im Ausmaß von etwa vier Milliarden Euro übernehmen. Damit soll eine Banken-Privatisierung möglich werden. Kritik kommt hier sogar aus der Wirtschaft, die an sich für die Gründung der „Bad Bank“ ist. Seine Bedenken formuliert der Präsident der Wirtschaftskammer, Samo Hribar Milic, so:

„Ich fürchte, dass die Bad Bank eine Beuter der politischen Eliten wird. Denn die Art der Verwaltung dieser Institution, die ein sehr großes Vermögen verwalten soll, ist sehr wichtig. Internationale Institutionen haben empfohlen, dass diese Verwaltung von Experten geführt wird und entpolitisiert sein soll. Nötig sind außerdem Kontrollmechanismen außerhalb der Regierung selbst. Doch derzeit ist die Zusammensetzung der Aufsichtsorgane der Bad Bank außerordentlich politisch zusammengesetzt. Das Ministerium und das gesamte Kabinett des Regierungschefs haben ihre Vertreter in diesen Aufsichtsorganen.“

Die Gesetze zu Staatsholding und „Bad Bank“ wird das Parlament in Laibach demnächst endgültig beschließen. Doch gegen die Staatsholding sammeln Gewerkschaften bereits Unterschriften für eine Volksabstimmung, und daran könnte auch die „Bad Bank“ scheitern, betont der Vorsitzende der Gewerkschaften öffentlicher Dienst Branimir Strukej

"Ein Referendum ist sehr wohl möglich bei der Bildung einer Bad Bank; denn die Lösung, die wir am Tisch haben, ist um ein vielfaches teurer, als wenn es zu einer zusätzlichen Kapitalausstattung käme; das haben auch unsere Experten festgestellt. Und ich bin überzeugt, dass es richtig ist, dass die Menschen am Ende entscheiden, was sie wollen, eine Bad Bank oder einen anderen Weg aus der Krise."

Die Gewerkschaften sind grundsätzlich gegen Privatisierung an Ausländer, die wiederum von der Wirtschaftskammer befürwortet wird. Dabei geht es nicht nur um Banken, sondern die Eisenbahnen, den Hafen Koper, Versicherungen oder andere Betriebe, an denen der Staat beteiligt ist. Die Regierung braucht jedenfalls zusätzliches Geld, weil durch die Krise auch die Staatseinnahmen sinken, und Slowenien heuer und nächstes Jahr noch mit einer Rezession wird leben müssen. Trotz aller Probleme blickt Samo Hribar Milic nicht pessimistisch in die Zukunft:

„Wenn wir entsprechende Maßnahmen setzen, dann kann es sein, dass wir im Jahre 2014 wieder ein Wirtschaftswachstum haben werden. Wenn wir nicht nur den Arbeitsmarkt reformieren, sondern bis dahin auch andere Reformen wie eine Entpolitisierung und Privatisierungen durchgeführt haben, dann werden wir sicher für ausländische Investoren interessanter werden. Dann könnte Slowenien 2015 eine stabile Wirtschaftsstruktur mit einer relativ niedrigen Arbeitslosigkeit haben. …Die Slowenen sind ein fleißiges Volk und wir exportieren sehr viel, so bin ich langfristig optimistisch: Die Gewerkschaften werden noch einige Zeit Probleme machen, und in der Wirtschaft wird es große Einwände gegen den Umfang der Reformen geben. Doch angesichts des Ausmaßes der Verschlechterung werden wir die Slowenen auf Reformen vorbereiten, die heute noch nicht machbar sind.“

Diese Reformen werden auch nötig sein, damit Slowenien die Hilfe des Euro-Rettungsschirms vermeiden und im internationalen Standortwettbewerb konkurrenzfähig bleiben und sein angekratztes Image wieder herstellen kann, obwohl jeder Vergleich mit Griechenland völlig unberechtigt ist.

Trotzdem werden auch in Slowenien die kommenden Wochen und Monate sehr spannend werden. Denn di Verhandlungen in der Regierung über Budget und Reformen treten ebenso in die entscheidende Phase wie die Verhandlungen mit den Gewerkschaften über die Reform des Arbeitsrechts. Dabei wird sich zeige, in welchem Ausmaß die Regierung ihren Sparkurs wird durchsetzen können, und ob allfällige Abstriche so weitrechend sein werden, dass die Reformziele überhaupt in Frage gestellt sind. Eine Hilfe durch den Eurorettungsschirm will Slowenien auf alle Fälle vermeiden, doch vom Tisch ist diese Option natürlich noch nicht.

Links:

Slovenia News

http://www.world-newspapers.com/slovenia.html

Mit wirtschaftlichen Informationen und Links zu slowenischen Institutionen in englischer Sprache

Slowenisches Finanzministerium

http://www.vlada.si/en/about_the_government/who_is_who/ministries/ministry_of_finance/

http://www.vlada.si/si/o_vladi/kdo_je_kdo/ministrstva/ministrstvo_za_finance/

Informationen in englischer und slowenischer Sprache

Webseite der slowenischen Regierung (Englisch)

http://www.vlada.si/en/

Statistisches Zentralamt in Laibach (Englisch)

http://www.stat.si/eng/index.asp

Außenhandelsstelle der WKO in Laibach

http://wko.at/aussenwirtschaft/si

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