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Interview mit Präsident Danilo Turk zur Krise in Slowenien

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Berichte Slowenien
Vom EU-Musterschüler zum EU-Sorgenkind- diesen Weg hat Slowenien in den vergangenen vier Jahren zurückgelegt. Sogar in die Nähe Griechenlands wurde unser südlicher Nachbar gerückt, eine vorwiegend mediale Wahrnehmung, die die Warnung vor einem drohenden Bankrott durch Ministerpräsident Janez Jansa jüngst noch genährt hat. Doch die Realität ist besser als der Ruf; so ist zwar die slowenische Staatsschuld rasant gestiegen, doch sie liegt nur bei etwa 50 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes – in absoluten Zahlen sind das 17,5 Milliarden Euro – das entspricht in etwa der Haftungen des Bundeslandes Kärnten. Über die Ursachen der Krise in Slowenien und über die Chancen sie zu meistern hat in Laibach unser Korrespondent Christian Wehrschütz mit Staaspräsident Danilo Turk gesprochen; hier sein Bericht:

Wer in fetten Jahren nicht vorsorgt, muss in mageren Jahren umso schmerzlichere Reformen durchführen. Das gilt auch für Slowenien, das sich zu lange auf den Lorbeeren des Musterschülers unter den EU-Reformstaaten ausgeruht hat. Die Ursachen der aktuellen Krise in Slowenien beschreibt Staatspräsident Danilo Turk daher so:

"Die Hauptgründe liegen in der Zeit nach dem EU-Beitritt. Nach dem Jahre 2004 kam es zu einer großen Verschuldung slowenischer Unternehmen und Banken; im Ausland war das die Zeit billiger Kredite und da hat Slowenien übertrieben. 2008 kam es dann zur schweren Finanzkrise, die auch Slowenien getroffen hat. In dieser Zeit hat Slowenien nicht die nötigen Reformen durchgeführt; dazu zählen insbesondere die Pensionsreform und die Reform des Arbeitsmarktes. Außerdem hat es sein Bankensystem nicht geordnet. Kurz: es kam zu einem Reformstau, und daher haben wir jetzt größere Probleme als nötig."

Verzögert haben Strukturreformen auch der Umstand, dass in Slowenien Volksabstimmungen sehr leicht zu erreichen sind, wobei es kein Mindestquorum für die Verbindlichkeit eines Referendums gibt. So scheiterte die Pensionsreform der sozialdemokratischen Regierung von Borut Pahor im Vorjahr, obwohl am Referendum nur 19 Prozent der Stimmbürger teilgenommen hatten. Dazu sagt Danilo Turk:

Das politische System ist ein Teil des Problems; wir sind ein Staat der sehr der Entscheidung der öffentlichen Meinung und Volksabstimmungen zuneigt. Das ist unser Verständnis von Demokratie; und natürlich hat das sehr viel Gutes, doch damit sind auch einige Probleme verbunden. Doch ich denke, dass sich im vergangenen Jahr in unserer öffentlichen Meinung eine Veränderung ereignet hat, und die Menschen verstehen besser die Bedeutung der Pensionsreform und einer umfassenderen Reform des Arbeitsrechts. Daher glaube ich, dass nun die Gefahr viel geringer ist, dass Reformvorschläge durch ein Referendum unmöglich werden."

Doch was ist mit den Gewerkschaften, die schließlich das Referendum gegen die Pensionsreform maßgeblich getragen haben? Danilo Turk:

„Ich glaube, dass auch die Gewerkschaften die Herausforderungen des Vorjahres verstanden haben; und soweit ich sehe, besteht eine gute Kommunikation mit der Regierung. Daher haben wir Hoffnung, dass es zu einer Verständigung kommen wird. Für eine endgültige Bewertung ist es noch zu früh, doch es gab auch hier einen Lernprozess. Wichtig ist zu erwähnen, dass die slowenische Wirtschaft exportorientiert ist; und unter diesen Verhältnissen arbeiten unsere Exportbetriebe gut. Unser Problem sind die Banken, die Kreditverknappung. Doch Exportprojekte laufen gut, und so haben wir eine sehr gute Basis, denn trotz aller Probleme besteht die Kraft der slowenischen Wirtschaft."

Wenn dem so ist, warum hat dann der konservative Ministerpräsident Janez Jansa erst jüngst vor dem Staatsbankrott gewarnt. Diese Aussage bewertet Turk so:

" Mehrmals machen unsere Politiker Aussagen die rein innenpolitische Gründe haben und diese Politiker achten nicht auf die internationalen Auswirkungen. Auch dieses Beispiel fällt in diese Kategorie: eine Aussage gerichtet auf die innenpolitische Szene ohne gute Überlegung über die Außenwirkung. Ich glaube, dass diese Aussage korrigiert wird und dass auch die internationale Gemeinschaft ein ausreichend ausgewogenes Bild über die Lage in Slowenien hat."

Zu hoffen bleibt, dass es der Regierung durch rasche Reformen gelingt, auch die Finanzmärkte und die Ratingagenturen zu überzeugen, die Sloweniens Bonität heuer bereits mehrmals herabgestuft haben.

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