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Wie groß ist die Krise wirklich?

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Berichte Slowenien


Seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008 hat auch unser Nachbarland einen drastischen Wandel seines Images erlebt. Von der Krise durch seine exportorientierte Wirtschaft massive getroffen und von einer Bankenkrise heimgesucht, wurde Slowenien vom „Musterschüler“ der neuen EU-Mitglieder in der öffentlichen Wahrnehmung sogar in die Nähe Griechenlands gerückt. Dazu beigetragen hat der konservative Ministerpräsident Janez Jans, der jüngst vor einem Bankrott seines Landes warnte. So sank der Inlandskonsum im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent, die Investitionen gingen um fast ein Viertel zurück, und die Wirtschaftsleistung sank um mehr als drei Prozent. Über die Lage in Slowenien berichtet aus Laibach unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Slowenien leidet unter einer Banken- einer Wirtschafts- und einer Vertrauenskrise der Finanzmärkte und seiner Bevölkerung. Die Bankenkrise hat internationale und hausgemachte Gründe. Spezifisch slowenisch war die hohe Verflechtung mit der weitegehend insolventen Bauwirtschaft und die beachtliche Misswirtschaft kirchennaher Firmen; spezifisch slowenisch ist der hohe Staatsanteil im Bankensektor, der von drei slowenischen Banken dominiert wird, auf die mehr als 40 Prozent der gesamten Bilanzsumme entfällt. Der größten, der Nova Ljubljanksa Banka, musste der Staat mit einer massiven Kapitalspritze helfen. Ein weiteres Problem sind notleidende Kredite; dazu sagt in Laibach der Präsident der Nationalbank, Marko Kranjc:

„2008 waren weniger als fünf Prozent der Kredite notleidend; heute liegt diese Zahl bei etwa 10 Prozent. Dabei ist das Ausmaß von Bank zu Bank natürlich sehr verschieden, doch auf der Basis der Bilanzsumme kann man von einem Umfang von zwei bis vier Milliarden Euro ausgehen. Doch bei notleidenden Krediten, kann man nicht sagen, dass sie völlig verloren sind. So sagt die Erfahrung klar, dass von derartigen Krediten bei Sanierungs- oder Konkursverfahren etwa 40 Prozent erlöst werden können; das ist auch ein Hinweis auf das Ausmaß des zusätzlich benötigten Kapitals; doch es ist schwer, genaue Angaben zu machen, weil das ein dynamischer Prozess ist. "

Notwendig seien eine bessere Kapitalausstattung, ein besseres Management eine bessere Kontrolle der Kreditvergabe auch in den Banken selbst. Kein Tabu dürfe die Privatisierung an Ausländer sein, betont Kranjc, die in Krisenzeiten nicht einfach ist. Doch Slowenien muss auch sein Budgetdefizit senken und lange verschleppte Strukturreformen durchführen. Ein Sparpaket im Ausmaß von 800 Millionen Euro hat die Regierung von Janez Jansa durchgebracht, das unter anderem eine Senkung der Gehälter im öffentlichen Dienst von acht Prozent vorsieht. Verhandelt wird nun in der Fünf-Parteien-Koalition über die Reform des Pensionssystems und des Arbeitsmarktes. Slowenien will alles tun, um nicht die Hilfe des Euro-Rettungsschirms für seine Banken in Anspruch nehmen zu müssen. Dazu sagt der Präsident der Nationalbank, Marko Krajnc:

" Wir arbeiten intensiv mit der Regierung zusammen und derzeit bewerten wir, dass dieses Stabilisierungsprogramm erfolgreich sein wird. So wie der Vorsitzende der Länder der Eurozone, Jean-Claude Juncker, gehen wir von der Arbeitshypothese aus, dass in diesem Fall Slowenien nicht um Hilfe beim Bankenrettungsschirm oder bei Europäischen Stabilisierungsfonds wird ansuchen müssen. Doch wenn keine innenpolitische Einigung zustande kommt, kann man das natürlich nicht ausschließen. Doch derzeit ist das völlig unmöglich zu sagen, ob das nötig sein wird oder nicht."

So scheiterte im Vorjahr die Pensionsreform bei einem Referendum an den Gewerkschaften aber auch am damaligen Oppositionsführer Janez Jansa, der der Mitte-Links-Regierung keinen Erfolg gönnen wollte. Diesem Kabinett gehörte damals der Wirtschaftsexperte und frühere Nationalbankpräsident Mitja Gaspari an. Er sieht einen Missbrauch der direkten Demokratie:

"An sich ist das Referendum nichts schlechtes, doch man hat begonnen, es als Instrument zu verwenden, um Änderungen zu verhindern, die man nicht will. Daher brauchen wir eine Änderung der Gesetzgebung für Volksabstimmungen. Hätte Slowenien im Vorjahr wenigstens zwei oder drei Schlüsselgesetze verabschiedet, dann wäre die Wahrnehmung Sloweniens im Ausland nicht so, dass wir nicht fähig sind, laufende Entscheidungen zu treffen, die die äußeren wirtschaftlichen Rahmen erfordern."

Diese Entscheidungen muss nun Janez Jansa durchsetzen. Obwohl die Zeit drängt, und die Staatsverschuldung in den vergangenen fünf Jahren drastisch gestiegen ist, liegt sie doch erste bei etwa 50 Prozent der Wirtschaftsleistung und in absoluten Zahlen bei 17 Milliarden Euro. Ein Vergleich mit Griechenland ist daher völlig verfehlt, so tief die Krise in Slowenien derzeit auch sein mag.

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