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Wirtschaftskrise, Roformen und Referenden

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Berichte Slowenien
Im Herbst 2008 wurde auch Slowenien von der internationalen Wirtschaftskrise voll erwischt. Die Wirtschaftsleistung sank um acht Prozent, das war nach den drei baltischen Staaten der stärkste Rückgang in der EU. Lag das Budgetdefizit 2007 noch bei null, betrug es im Jahre 2010 5.8 Prozent und die Arbeitslosigkeit stieg auf 8 Prozent. Die rasante Talfahrt des einstigen Musterschülers hat auch mit der starken Abhängigkeit slowenischer Zulieferbetriebe von den Märkten im Ausland zu tun. Doch das ist nur ein Teil des Problems, das in Slowenien auch daran besteht, dass Reformen durch Volksabstimmungen leicht zu Fall gebracht werden können. Wirtschaftsfragen spielten auch im Wahlkampf eine starke Rolle; was die neue Regierung nach dem kommenden Wahlsonntag erwartet, darüber hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Laibach mit Wirtschaftsexperten gesprochen, hier sein Bericht:

Den Grundstein für die tiefe Krise in Slowenien legte nicht erst die nun gescheiterte Mitte-Links-Regierung des Sozialdemokraten Borut Pahor. Einen ernsten Beitrag dazu leistete auch Pahors Vorgänger, der konservative Politiker Janez Jansa, der nach der Parlamentswahl am Sonntag wieder Ministerpräsident werden könnte. Jansas Versäumnisse fasst der Dekan der Wirtschaftsfakultät an der Universität Laibach, Dusan Mramor zusammen:

„Von 2004 bis 2008, das heißt bis zum eigentlichen Beginn der Krise, erhöhte Slowenien seine Auslandsverschuldung um 160 Prozent. Das war eines der Schlüsselprobleme; als es zur Verknappung der Kredite kam, konnte die Wirtschaft keine Darlehen mehr von den Banken bekommen, weil diese ihre Kredite aus dem Ausland refinanzieren mussten, und das war wegen der Kreditverknappung auf dem Weltmarkt nicht mehr möglich. So verminderten die Banken die Finanzierung der Wirtschaft, wie das auch heute noch der Fall ist.“

Hinzu kommt ein stark staatlich dominierter Finanzsektor mit der unterkapitalisierten Nova Ljubljanska Banka an der Spitze. Warum die Mitte-Links-Regierung die übernommene Erblast nicht bewältigen konnte und an der Krisenbewältigung scheiterte, erläutert der scheidende Wirtschaftsminister Mitja Gaspari:

„Die Mehrheit der Bürger wollte nicht verstehen, dass man sich an die geänderten äußeren Bedingungen rasch anpassen muss, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Zweitens gab es in der Koalitionsregierung unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Fragen und zu ihrer Lösung. Das hat ebenfalls ein rasches Handeln verhindert. Und drittens war die politische Lage in Slowenien so, dass es große Interessensgruppen gab, die nicht wollten, dass die Regierung gut arbeitet.“

Daran scheiterte auch die Pensionsreform, und zwar bei einer Volksabstimmung im Juni. Daher sind Gaspari und Mramor auch dafür, das Recht auf Referenden einzuschränken, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhöhen. In der Endphase der Regierung scheiterte schließlich auch der Plan einer Schuldenbremse am Widerstand der Opposition im Parlament. Die Ratingagenturen haben Slowenien bereits herabgestuft, obwohl die absolute Verschuldung nur bei 43 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Dazu sagt Luka Vesnavar von PricewaterhouseCoopers in Laibach:

„Slowenien hatte im vergangenen Jahr den höchsten Anstieg an Schulden in der Eurozone. Außerdem wurde diese zusätzliche Verschuldung vor allem für soziale Transfers verwendet, um das Budgetloch zu schließen, für Pensionen und Gesundheitswesen. Langfristig ist dieser Trend nicht durch zu halten. Dass Slowenien von den Finanzmärkten trotz seiner relativ geringen Schulden als relativ riskant eingestuft wird, hat wahrscheinlich folgende Gründe: die schwache Wirtschaft und das Fehlen entsprechender Strukturreformen, ohne die die öffentliche Verschuldung noch weiter wachsen wird.“

Zu diesen Strukturreformen zählt der scheidende Wirtschaftsminister Mitja Gaspari auch den öffentlichen Dienst nötig:

„Kurzfristig wäre eine große Entlassung im öffentlichen Sektor kontraproduktiv, weil das die Arbeitslosigkeit in der gesamten Wirtschaft erhöhen würde. Vergleichszahlen mit anderen entwickelten Staaten zeigen, dass die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung etwa im EU-Durchschnitt liegt, und dass sie aber überdurchschnittlich ist im Schul- und Gesundheitswesen. Das große Problem ist somit die Senkung der Löhne im öffentlichen Sektor, die kurzfristig notwendig ist.“

Gesundheits- Pensions- und Arbeitsmarktreform wird nach dem Wahlsonntag wohl eine konservative Regierung umzusetzen haben. Doch Reformen könnten wieder an Volksabstimmungen scheitern, wenn Regierung, Gewerkschaften und Opposition nicht einen gemeinsamen Nenner finden, um einen weiteren Zeitverlust zu vermeiden, den sich Slowenien nur schwer leisten kann.

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