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Grenze fällt zwischen Italien und Slowenien bei Görz

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Berichte Slowenien
Am 21. Dezember wird auch in Slowenien der Vertrag von Schengen Realität. Fallen werden damit nicht nur die Grenzen zwischen Slowenien und Österreich, sondern auch die Grenzen zu Italien. Davon weiter profitieren will auch die Region um die Stadt Görz im slowenisch-italienischen Grenzgebiet am Isonzo. Görz, italienisch Goricia, blieb nach dem Zweiten Weltkrieg bei Italien. Nur einige Außenbezirke fielen an das damalige Jugoslawien, und daraus entwickelte sich ab dem Jahre 1948 die Stadt Nova Gorica, Neu Görz. Endgültig festgelegt wurde die Staatsgrenze erst 1975, die entlang des Bahnhofs durch die Stadt verlief. Einen Teil dieses grünen Metallzauns haben die Bürgermeister von Görz und Neu-Görz schon unmittelbar vor dem EU-Beitritt Sloweniens am 1. Mai 2004 beseitigt. Doch wie hat sich das Zusammenleben zwischen Italienern und Slowenen seit damals verändert? Darüber berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz, der beide Städte besucht hat.

Die Region von Görz macht die historische Dimension des Falls der EU-Binnengrenzen besonders deutlich. Im Ersten Weltkrieg wurde die Stadt durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt, und am Fluss Isonzo fielen bei 12 Schlachten 210.000 Italiener und 150.000 Soldaten der K. und K. Monarchie. Insgesamt kämpften 22 Völker am Isonzo. Nach 1918 bei Italien, wurde Görz nach dem Zweiten Weltkrieg Grenzstadt. Die Grenze durchschnitt Weingärten und auf slowenischer Seite wurden viele Bauern enteignet. Das Misstrauen saß tief auf beiden Seiten; Vor 15 Jahren begann die Zusammenarbeit beider Städte, die durch den EU-Beitritt Sloweniens neue Impulse erlebte:

"Der städtische Autobus fährt jeden Tag. Bis Mittag fährt ein slowenischer Busfahrer, am Nachmittag ein italienischer. Beim Kauf der Fahrkarten gibt es keine Hindernisse. Sehr bedeutend sind die kulturellen Projekte. Wer ein Abonnement in dem einen Theater hat, bekommt beim anderen eine Ermäßigung. Die Ausstellungen haben zweisprachige Aufschriften und Texte. Die Beseitigung der Grenze ist an sich nicht schwer, doch schwer ist es, die Grenze in den Köpfen zu beseitigen und die Denkweise zu ändern. Dieses Gefühl, dass es keine Grenze gibt, das ist wichtig, vor allem dass sie durchlässig ist, denn die Grenze bleibt ja. "

… erläutert Bogdan Kofol von der slowenischen Gemeinde Nova Gorica. Doch auch mit Hilfe der EU werden wichtige grenzüberschreitende Projekte umgesetzt. Bogdan Kofol:

"Dabei geht es darum, die Kataster auf beiden Seiten der Grenze zu vereinheitlichen. Für uns, für das slowenische Neu Görz und das italienische Görz, werden wir dreidimensionale, digitalisierte Katasterpläne erhalten, die wir dann beim Planen verwenden können. Dieses Projekt ist praktisch schon abgeschlossen. Darauf haben wir Jahrzehnte gewartet. Heute wird daher in größerem Umfang geplant; damit verbunden ist das so genannte Transland-Projekt; es sieht eine gemeinsame Raumplanung auf beiden Seiten der Grenze vor. Ziel ist es auch die kulinarischen Angebote auf beiden Seiten gemeinsam in Europa zu vermarkten.“

Das gilt etwa für die Weine und die typischen Speisen der Region. Doch dazu ist es auch drei Jahre nach dem EU-Beitritt Sloweniens und trotz des Euro als gemeinsamer Währung noch nicht gekommen; das bisher Erreichte bewertet der italienische Bürgermeister von Görz, Ettore Romoli, denn auch recht skeptisch:

"Gemeinsame Projekte waren vor allem verbunden mit der Umwelt. Da denke ich vor allem an die Reinigung des Flusses Isonzo und an die Reinigung der Luft, die durch einige Betriebe auf slowenischer Seite verschmutzt wurde. Die Zahl der konkreten Projekte ist noch nicht sehr hoch. Sie hatten vor allem symbolische Bedeutung. Es gab vor allem viele Aktionen der Freundschaft zwischen den beiden Völkern, die nach dem Zweiten Weltkrieg verblasst war.“

Vor allem wirtschaftlich sei eine intensivere Zusammenarbeitet nötig, betont Romoli:

" Ich wünsche mir, dass italienische Firmen ihre Betriebe auch auf slowenischer Seite eröffnen und umgekehrt. Dadurch könnten sich beide Volkswirtschaften ergänzen. Was die Entwicklung der gesamten Region betrifft, so ist die Entwicklung zu gering, um nicht stärkere Worte zu gebrauchen."

Das slowenische Neu- Görz hat 16.000 Einwohner; etwa 1000 von ihnen arbeiten täglich im italienischen Görz, das etwa 36.000 Bewohner hat; knapp sieben Prozent sind Slowenen. Zur Zweisprachigkeit sagt Bogdan Kofol aus Neu-Görz:

" Wir haben immer gewusst, dass unsere Sprache von großen Staaten nicht geteilt wird. Obwohl Görz keine zweisprachige Region ist, denn in den Schulen ist es nicht verpflichtend, italienisch zu lernen, können wir alle mehr oder weniger italienisch. Die Sprache ist auch ein Mittel dafür, dass man mit der Kultur und den Menschen in Berührung kommt. Ich freue mich daher, dass in Italien auch slowenisch gelernt wird, weil das ein Zugang ist, der den Fall der Grenze auch in den Köpfen ermöglichen wird."

Dieser Fall wird noch einige Zeit dauern. Doch mit dem 21. Dezember fallen immerhin die fünf Grenzübergänge, die bisher zwischen beiden Städten bestanden haben, und damit wird auch die Überwindung jener geistigen Teilung möglich, die mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ihren Anfang nahm

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