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Slowenien und die Massengräber nach dem Zweiten Weltkrieg

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Berichte Slowenien
Während sich Kroatien, Bosnien und Serbien mühen, die schrecklichen Folgen der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien aufzuarbeiten, steht Slowenien vor ganz anderen Herausforderungen. Der Unabhängigkeitskrieg dauerte nur wenige Tage, trotzdem haben Historiker in Slowenien bisher etwa 570 Massengräber entdeckt. Die meisten stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals befand sich in Slowenien eine enorme Zahl an Soldaten der Deutschen Wehrmacht, aber auch Truppen aus Kroaten, Serbien und Montenegro, die sich vor den Partisanen-Verbänden zurückgezogen hatten. Viele von ihnen wurden liquidiert; dasselbe Schicksal ereilte auch Gefangene, die aus der Steiermark und Kärnten von den Briten ausgeliefert wurden. Hinzu kommen noch Opfer der deutschen Volksgrupe und slowenische Zivilisten. Aus Slowenien berichtet Christian Wehrschütz

In der Nähe von Bleiburg in Kärnten erinnert ein Denkmal an jene Kroaten, die von den Briten an die siegreichen Tito-Partisanen nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeliefert wurden. Nach ihren Leichen wird in Slowenien noch immer gesucht, wie etwa in einem Waldstück beim Dorf Marija Reka in der Nähe von Celje dem alten steirischen Cilli. Unter der Anleitung des Historikers Mitja Ferenc gräbt ein kleiner Bagger den verschneiten Waldboden auf. Bereits nach einem halben Meter lässt sich an der Beschaffenheit des Erdreichs feststellen, ob hier etwas sein könnte. Die Suche ist zeitraubend, weil nur spärliche Informationen vorhanden sind, erläutert Ferenc:

„Schriftliche Quellen über Liquidierungen nach dem Krieg gibt es praktisch nicht, auch nicht über geheime Massengräber. Was die Gemeinde Maria Reka betrifft, blieb ein Dokument im Umfang von drei Seiten erhalten. Wir kennen Häftlinge, die in die Gemeinde Marika Reka zur Liquidation geführt wurden. Einer konnte fliehen; und vor 12 Jahren hat er seine Erlebnisse auf Video aufgezeichnet. Doch die Örtlichkeiten, an denen er war, haben wir noch nicht.“

Dass bei Marija Reka etwas zu finden sein muss, steht für Ferenc fest. Dafür spricht das Denkmal am Waldesrand aus dem Jahre 1995. Der gekreuzigte Christus steht für die Opfern unter der lokalen Bevölkerung sowie für ermordete deutsche Soldaten und Kroaten. Fündig geworden ist man dagegen schon an vielen anderen Stellen, so etwa am Bachern. Doch auf Schätzungen will sich Ferenc nicht einlassen:

„Die Gesamtzahl zu ermitteln wird solange nicht möglich sein, solange die Gräber nicht erforscht sind. Das zeigt ein Beispiel aus jüngster Zeit. So haben wir in einem von 22 Gräbern am Bachern Opfer exhumiert; gerechnet haben wir mit 20 bis 30 Opfern, gefunden haben wir 189.“

Dass die Zahl sehr groß sein muss, zeigen jedoch folgende Angaben über die Lage bei Kriegsende; Mitija Ferenc:

„Die überwältigende Mehrheit der Soldaten, etwa einige Hunderttausend, darunter kroatische Soldaten, Zivilisten und andere Nationalitäten befanden sich Anfang Mai 1945 in Slowenien. Doch auch jene, die sich nach Österreich zurückziehen oder fliehen konnten, und zwar in die britische Besatzungszone, haben die britischen Machthaber den jugoslawischen Machthabern Mitte oder Ende Mai ausgeliefert. Die Abrechnung mit ihnen erfolgte leider auf slowenischem Boden; daher ist Slowenien mit vielen derartigen Gräbern und vielen Opfer konfrontiert.“

Gesicherte namentliche Angaben liegen nur zu den slowenischen Opfern vor:

„Von den 80.000 slowenischen Opfern sind etwa 14.500 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ermordet worden. Davon waren etwa 13.000 Soldaten, so genannte Domobranzen, der Rest waren Zivilisten. Diese Gruppe suchen wir in den verborgenen Massengräbern. “

Doch was geschieht, wenn die Massengräber gefunden sind? Mitija Ferenc:

„Wir wollen aus den einzelnen Gräbern so viel wie möglichen Daten für eine Identifizierung gewinnen. Das gilt für die Namen der Opfer, was sehr schwierig ist, aber auch für den Status, die Zahl, das Alter, das Geschlecht und die Nationalität. Doch das hängt von den Möglichkeiten ab. Vor allem bei den Gräbern mit weniger Opfern, wo die mündliche Quellenlage besser ist, könnte auch eine individuelle Identifizierung auf der Basis einer DNS-Analyse möglich sein. Das ist in einzelnen Fällen bereits vorgekommen, einige Gräber sind in der Phase der Untersuchung. Doch möglich ist das nur bei kleineren Gräbern, das muss man klar betonen. Bei Gräbern, wo es mehrere Tausend Opfer gibt, wo wir im Allgemeinen montenegrinische und kroatische Opfer haben, wird ein Identifizierung fast unmöglich sein.“

Dafür sollen alle Opfer würdig bestattet werden, etwa beim neuen Friedhof von Maribor, dem alten Marburg. Bei Straßenarbeiten stieß man hier 1999 auf einen Panzergraben. Auf 70 Metern Länge fand man fast 1.200 Leichen. Das Denkmal beim Friedhof symbolisiert daher einen Panzerturm. Der Panzergraben war 940 Meter lang; weiter Sondierungen verliefen positiv; bis zu 15.000 Opfer könnten hier noch vergraben sein.

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