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Lage in Slowenien nach dem EU-Beitritt und vor der Parlamentswahl

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Berichte Slowenien


In Slowenien wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Es ist das nach der Europawahl im Juni die zweite Wahl seit dem EU-Beitritt Sloweniens vor fünf Monaten. Die Regierung unter dem liberaldemokratischen Ministerpräsidenten Anton Rop verweist im Wahlkampf auch auf diesen Erfolg und hofft, in ihrem Amt bestätigt zu werden. Bei der Europawahl haben die Regierungsparteien jedoch schlechter als erhofft abgeschnitten, und auch der Musterschüler unter den neuen EU-Mitgliedern hat noch mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Über die Lage in Slowenien vor der Parlamentswahl und fünf Monate nach dem EU-Beitritt hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz folgenden Bericht verfasst:

Am EU-Referendum Ende März vergangenen Jahres nahmen noch 60 Prozent der Slowenen teil, wobei 90 Prozent für den Beitritt stimmten. Bei der Wahl zum Europa-parlament im Juni dieses Jahres lag die Beteiligung bei nur mehr 28 Prozent. Für diesen Rückgang verantwortlich sind auch die Debatte um die hohen Gehälter der EU-Abgeordneten sowie eine gewisse Wahlmüdigkeit; mit einer Enttäuschung über die EU hat die niedrige Wahlbeteiligung aber nichts zu tun. Erstens waren und sind die Slowenen ein sehr nüchternes Volk und ohne Illusionen beigetreten. Zweitens ist es für eine Bilanz noch zu kurz, wie der Oppositionsführer und Vorsitzende der Slowenischen Demokratischen Partei Janez Jansa betont:

„Vier Monate sind für eine Bewertung zu kurz. Die Slowenen warten auf die Einführung des Euro, weil die Mehrheit glaubt, dass der Euro das tägliche Leben, den Handel mit Europa und das Reisen erleichtern wird. Die Mehrheit derer, die in Nachbarländern einkaufen, sagen, dass die Preise sich nicht wesentlich unterscheiden. Das tägliche Leben hat sich mit dem EU-Beitritt nicht verändert, und alle warten auf ein Zeichen, um sich festlegen zu können, ob es jetzt besser ist oder nicht.“

Beschleunigt hat der EU-Beitritt die Debatte um die Regionalisierung Sloweniens. Das Land hat weder Bezirke noch Bundesländer und hat von der EU als ganzes den Status eines Ziel-Eins-Gebietes erhalten. Damit verbunden sind Förderungen aus Brüssel, die jedoch nur bezahlt werden, wenn die Wirtschaftsleistung unter 75 Prozent des EU-Durchschnittes liegt. Diesen Status könnte Slowenien verlieren, wenn Bulgarien und Rumänien 2007 der EU beitreten, obwohl es in Slowenien große regionale Unterschiede gibt, die mangels Regionen für die EU jedoch nicht zum Tragen kommen. Die Regierung hat daher vorgeschlagen, Slowenien in drei Regionen zu gliedern, einzelne Oppositionsparteien wollen sogar mehr als 10 Regionen. Die Debatte darüber ist voll im Gange, auch deshalb, weil durch eine regionale Gliederung die grenzüberschreitende Zusammenarbeit etwa mit der Steiermark und Kärnten leichter und finanziell via Brüssel noch attraktiver wird.

Noch attraktiver geworden ist Slowenien bereits für ausländische Gäste. Die Zahl der Touristen stieg in den ersten acht Monaten dieses Jahres um sieben Prozent. Dazu beigetragen hat auch der Ausbau des Straßennetzes. Erst vor wenigen Tagen wurde ein weiteres Teilstück der Autobahn Richtung Küste eröffnet, die Autobahn Maribor – Ljubljana wird zügig ausgebaut und auch Richtung Zagreb sind Baufortschritte klar erkennbar. Positiv entwickeln sich auch die meisten Wirtschaftsdaten. Exporte und Importe etwa aus und nach Österreich haben in diesem Jahr weiter zugenommen.

Auch die Löhne liegen durchschnittlich netto bereits bei 720 Euro im Monat. Dazu sagt der österreichische Handelsdelegierte in Slowenien Georg Krauchenberg

„Man spricht von zwei Drittel vom EU-Durchschnitt, das würde bedeuten an sich nur etwa die Hälfte des österreichischen Lohndurchschnittes, aber wenn wir benachbarte Bundesländer nehmen, ist es nicht mehr ganz so extrem, und es kommt sehr auf die Branchen an. In den Bereichen, in denen hier viele Arbeitskräfte sind, kann es auch nur ein Drittel sein in Extremfällen. In anderen Bereichen, ich denke hier etwa an die Kunststoffindustrie, ist Mangelware an diversen Facharbeitskräften, da ist der Unterschied zu Österreich kaum mehr gegeben.“

Trotzdem zählt neben dem langsamen Gerichtswesen mit 560.000 anhängigen Fällen gerade die soziale Lage zu den Schattenseiten der slowenischen Erfolgsgeschichte. Im Juli lag die Arbeitslosenrate bei knapp 11 Prozent und etwa die gleiche Zahl an Slowenen war arm und musste mit etwa 400 Euro im Monat auskommen. Das Thema Armut hat daher auch im Wahlkampf eine gewisse Rolle gespielt, wahlentscheidend wird es nicht sein, selbst wenn es zu einem Regierungswechsel kommen sollte. Denn als realistisches Volk wissen die Slowenen, dass der Weg zu den reichen EU-Staaten noch weit ist, und dass Slowenien auch das einzige Land des ehemaligen Jugoslawien ist, dass bei dieser Aufholjagd bereits weit fortgeschritten ist.

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