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Kucan Interview

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Kucan: Ich glaube an individuelle Schuld

In Bled in Slowenien wird heute das Gipfeltreffen der 14 Staatschefs der Zentraleuropäischen Staaten fortgesetzt und abgeschlossen. 14 Staatschefs nehmen daran teil. Österreich ist durch Bundespräsident Klestil in Slowenien vertreten. Slowenien selbst ist mit seinen zwei Millionen Einwohner ein wichtiger Handelspartner Österreichs. Pro Kopf haben die Slowenen vergangenes Jahr österreichische Waren im Wert von 633 Euro gekauft und liegen damit deutlich vor der Schweiz, Deutschland und Ungarn. Außerdem ist Österreich der wichtigste ausländische Investor in Slowenien. Doch trotz dieser engen Wirtschaftsbeziehungen ist das Verhältnis zwischen beiden Staaten vor allem historisch belastet. Abwehrkampf in Kärnten, Abtrennung der damaligen Untersteiermark, die Verbrechen der Partisanen am Ende des Zweiten Weltkrieges in Kärnten stehen auf der einen Seite. Für die Slowenen wiederum trug der Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen vor allem ein österreichisches Gesicht. Hinzu kommt die Auseinandersetzung über die Rechte der slowenischen Minderheit, die jüngst am Streit um weitere zweisprachige Ortstafeln wieder deutlich geworden sind. Zum Verhältnis zwischen Österreich und Slowenien hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz den slowenischen Präsidenten Milan Kucan in Laibach interviewt und folgenden Bericht gestaltet:

Der slowenische Präsident Milan Kucan geht davon aus, daß Österreich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten umsetzen wird. Kucan verweist in diesem Zusammenhang auf die internationalen und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen und sagt:

„Was die verfassungsrechtliche Position betrifft, hat der österreichische Verfassungsgerichts-hof das seine gesagt. Österreich halte ich für einen Rechtsstaat; ich glaube, daß diese Stand-punkte verwirklicht werden. Insbesondere glaube ich, daß der Bundeskanzler Schüssel sehr viel Mühe investiert, daß die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes umgesetzt wird.“

Besorgt ist Kucan generell über die rückläufige Zahl der Slowenen in Kärnten. An dieser Ent-wicklung hat auch der Umstand nichts geändert, daß das Land Kärnten bei Kindergärten und Volksschulen zusätzliche Unterstützung gewährt und der ORF die Finanzierung von Radio 2 sichergestellt hat. Andere strittige Punkte haben Österreich und Slowenien in geordnete Bahnen gelenkt. Zum Atomkraftwerk in Krsko ist eine zweite seismische Studie in Auftrag gegeben worden, die die Gefahr möglicher Erdbeben auch im benachbarten Kroatien unter-suchen soll. Zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte haben Österreich und Slowenien eine Historikerkommission gebildet. Sie hat bereits grundsätzliche jene Fragen definiert, die bearbeitet werden soll. Dazu zählt auch die Zeit des Nationalsozialismus und die Verbrechen, die damals vor allem von Österreichern in Slowenien begangenen wurden. Am Ende des Krieges wurden die Deutschen in Jugoslawien kollektiv für diese Verbrechen verantwortlich gemacht, entei-gnet und vertrieben. Eine Kollektivschuld gibt es für Kucan jedoch nicht:

„Ich glaube nicht an die Kollektivschuld von Völkern. Ich glaube aber an die individuelle Schuld. Es gibt die Schuld, die wir zugeben, und jene, die die Menschen nicht zugeben wollen. Nach der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 wurden erweiterte Möglichkeiten für den Fall eingeräumt, daß jemandem Unrecht widerfahren ist.“

Kucan spricht damit das Rückgabegesetz an, das Slowenien bisher als einzige ehemalige jugoslawische Teilrepublik verabschiedet hat. Zwar hat das Gesetz auch Schwachstellen und über die großen Vermögenswerte wurde noch nicht entschieden. Doch von den fast 1700 Anträgen wurden etwa 700 Fälle bereits positiv entschieden. Hinzu kommt, daß im Mai das bilaterale Kulturabkommen in Kraft getreten ist. Damit hat sich auch Slowenien verpflichtet, Anliegen der Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe zu berücksichtigen. Die Auf-nahme dieser Formulierung blockierte das Abkommen mehrere Jahre. Nähergekommen sind sich Österreich und Slowenien vor allem durch die Unterstützung für die Unabhängigkeit im Jahre 1991. Trotzdem und trotz enger wirtschaftlicher Kooperation wird es noch Zeit brauchen, um das Verhältnis völlig zu entkrampfen. Grundsätzlich positiv bewertet Kucan auch den Vorschlag des steirischen Landeshauptmanns Waltraud Klasnic, gemeinsam mit Regionen in der Steiermark und in Ungarn eine Art Europaregion zu bilden. Dazu sagt Kucan:

Ich sehe keinen Grund, nicht darüber nachzudenken, aus Mitteleuropa eine besondere „Euroregion“ zu machen – für künftige Projekte, die das vereinte Europa oder konkret die EU in Angriff nehmen wird. Das ist natürlich eine Region, die viel mehr umfaßt als nur die Grenzgebiete, obwohl es innerhalb dieser Region auch konkrete Interessen gibt und geben wird, die auf der Linie Graz – Marburg – Klagenfurt, oder auch auf der Linie Graz – Marburg – Zagreb – Laibach – Triest, vielleicht sogar bis nach Udine, gelöst werden können. Doch das sind Sachen, die sehr konkret sind, und wenn die Staatspolitiken keine Hindernisse in den Weg legen, wird diese Zusammenarbeit sicher sehr umfangreich.
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