Slowenien zwischen Tito-Straße und Massengräbern
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Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Slowenien
Insert1: Peter Bozic, Kommission für Straßennamen (Deutsch)
Insert2: Jernej Vrtovec:, Parteijugend Neues Slowenien
Insert3: Joze Dezman, Leiter der Kommission für Massengräber
Insert4: Danilo Turk Staatspräsident Sloweniens
Insert5: Joze Dezman, Leiter der Kommission für Massengräber
Gesamtlänge: 5’43
Die wechselvolle Geschichte Sloweniens zeigen in der Hauptstadt Laibach auch die Straßennamen. So beseitigte die Unabhängigkeit vor 18 Jahren nicht nur Titos Staat, sondern auch seine Straße. Nun soll Tito wieder ins Stadtbildt zurückkehren. Die Kommission für Straßennamen leitet in Laibach Peter Bozic. Er ist generell für die Bewahrung historischer Namen und gegen Umbenennungen:
„Das ist Liquidieren der eigenen Geschichte und der eigenen Identität; und die Geschichte wird dann immer dünner und kleiner.“
Doch noch ist die Straße gare nicht fertiggebaut, die Titos Namen tragen soll; trotzdem löste sie eine Kontroverse aus. Für die Tito-Straße sind Bürgermeister Zoran Jankovic und die Linksparteien. Dagegen sind die nationalkonservativen-katholischen Parteien. Die Jugendorganisation der Kleinpartei Neues Slowenien übergab Jankovic eine entsprechende Petition mit 5.000 Unterschriften. Doch Laibach hat mehr als 250.000 Einwohner und Tito wird seine Straße wohl bekommen:
“Josip Bros Tito ist schuld an den Morden nach dem Krieg; er hat sie direkt angeordnet; er ist verantwortlich für die Verletzung der Menschenrechte, für das Leiden des Volkes und für ein nicht demokratisches Jugoslawien. Hätte Tito 1991 noch gelebt, hätte er die Unabhängigkeit Sloweniens nicht zugelassen. Aus all diesen Gründen muss man verhindern, das eine Straße seinen Namen trägt.“
Die Debatte über die Verbrechen der Tito-Partisanen bekam im März durch die Öffnung eines Massengrabes in der Gemeinde Lasko neue Nahrung. In einem Bergwerk, der „Huda Jama“, der Bösen Grube, vermuten Historiker bis zu 4.000 Personen, die von Partisanen im Frühsommer 1945 liquidiert wurden. 460 mumifizierte Leichen haben Gerichtsmediziner und Historiker bereits untersucht:
„Vor dem Ort, wo wir die Masse an Skeletten gefunden haben, gab es einen engeren Raum; dort mussten sich die Menschen ausziehen; hinlegen und dann wurden sie mit Kopfschuss getötet. Das ist weitgehend bestätigt. Was Nationalität, Alter und Geschlecht betrifft, so warten wir auf die Gerichtsmedizin. Einiges spricht dafür, dass hier wahllos gemordet wurde, wie im Gotscheer Hornwald. Dort wurden auch Invalide und Verwundete ermordet. Das zeigt nur, wie schrecklich diese Taten waren.“
Knapp 600 Massengräber aus der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Dezman und seine Kommission in Slowenien erfasst. Etwa 100.000 Personen wurden binnen sechs Monaten liquidiert. Das sind mehr Tote als in vier Jahren Krieg davor. Ermordet wurden auch Personen, die Verbrechen begangen oder mit Besatzern kollaborierten hatten; doch Gerichtsverfahren gab es kaum, und schon gar keine, die rechtsstaatlichen Kriterien entsprachen. Die Bewertung dieser Ereignisse spaltet auch die Parteien. Sie verkörpern die Nachfahren der Partisanen-Generation und ihre Gegner, das nationalkonservative, katholische Slowenien. Zur Linken zählt Staatspräsident Danilo Türk; Josip Bros Tito beschreibt er als komplexe Persönlichkeit:
"Ohne Tito wäre der Widerstand gegen den Faschismus im ehemaligen Jugoslawien kaum erfolgreich gewesen. Tito hat sich auch Stalin widersetzt und damit 1948 eine neue Situation geschaffen, die den kommunistischen Block sehr stark aufgelockert hat. Damit konnte der Kalte Krieg anders ablaufen, als es der Fall gewesen wäre, wenn der kommunistische Block kompakt geblieben wäre. All das sollte man berücksichtigen; Ich meine aber nicht, dass gute Seiten schlechte Seiten rechtfertigen in der Rolle Titos, doch man darf auch die positiven Seiten nicht übersehen."
Türk lässt offen, was aus dem Massengrab werden und mit den Opfern geschehen soll. Im Gegensatz dazu, hat die Kommission unter Joze Dezman klare Beschlüsse gefasst:
„Ersten sollen alle Opfer aus der Grube geboren und begraben werden, voraussichtlich im Gedächtnispark bei Cilli. Zweitens soll der Staat das Bergwerk aufkaufen und drittens der Öffentlichkeit zugänglich machen, denn dieser Ort soll ein Museum des Titoismus werden.“
Ob diese Pläne umgesetzt werden, ist ebenso ungewiss wie die Zukunft der Kommission. Eingesetzt hat sie eine konservative Regierung; seit Jahresende regiert ein Mitte-Links-Kabinett, das die Kommission wenn schon nicht abschaffen so doch entmachten könnte.
Sicher ist, dass Laibach demnächst eine Tito-Straße bekommt; sicher ist auch, dass weitere Exhumierungen nicht geplant sind. Unsicher ist daher, ob in Slowenien die politischen Eliten die Kraft aufbringen, sich den dunkeln Seiten Titos zu stellen; sie sind mit der Öffnung der Huda Jama wieder ein Mal ans Licht gekommen, während viele Opfer noch auf eine würdige Bestattung warten.