Berichte Serbien
Bericht 1 bis 10 von 2037
20250202 Kleine Zeitung A. Vucic: zwischen Winkelried und „Kontroll-Freak“
20250202 Kleine Zeitung A. Vucic: zwischen Winkelried und „Kontroll-Freak“
Neben dem mythischen Wilhelm Tell ist Arnold Winkelried der zweite Nationalheld der Schweiz. Die Legende besagt, dass Winkelried am 9. Juli 1386 in der Schlacht bei Sempach die Speere der Habsburger Ritter auf sich zog, um den Schweizern „eine Gasse“ zu machen; sie soll zur Niederlage der Habsburger geführt und so den Weg zum Separatismus der Schweiz frei gemacht haben.
Gegen den Separatismus des Kosovo, der auch massiv von der albanischen Diaspora in der Schweiz finanziert wurde, kämpft nach wie vor der Präsident Serbiens, Alexander Vucic. Andererseits hat er politisch sehr viel mit Arnold Winkelried gemein. Denn in Serbien gibt es kein Ereignis, mittlerer und größere Bedeutung, bei dem Vucic medial nicht die entscheidende Rolle spielen würde. Wie weiland Winkelried zieht Vucic somit alle Speere seiner Kritiker auf sich. Langjährige Kenner des 55-jährigen Präsidenten führen dieses Verhalten auf drei Faktoren zurück. Erstens soll er keinem Mitstreiter zutrauen, so gescheit zu sein wie er selbst. Damit fehlt Vertrauen, dass andere Politiker Krisen so gut bewältigen können wie der Präsident selbst. Zweitens agiert Vucic nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, und einer meiner Gesprächspartner bezeichnete Vucic denn auch als „Kontroll-Freak“. Drittens ist Vucic die dominante politische Figur, von der ihre Anhänger erwarten, dass sie an vorderster Front steht. Vor allem die ersten zwei Faktoren führen dazu, dass viele eigenständig-denkende und selbstbewusste Personen, die Regierungspartei SNS meiden; in Verbindung mit massiver Parteibuchwirtschaft kann das dazu führen, dass „Bausünden“ wie in Novi Sad nicht nur auf Korruption, sondern auf Unfähigkeit und Schlamperei zurückzuführen sind.
Unabhängig davon widersprecht Vucics Omnipräsenz nicht nur der Verfassung, denn für Bausünden ist auch der serbische Präsident nicht zuständig, sondern führt dazu, dass er als Person zum Kristallisationspunkt allen Unmutes wird, der sich in den mehr als zehn Jahren seiner Führung in Serbien aufgestaut hat. Das jüngste und tragische Paradebeispiel dazu ist der Einsturz des Vordaches am Bahnhof von Novi Sad Anfang November, der 15 Bürgern das Leben kostete, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen sind. Diese Tragödie löste Studentenproteste und eine Blockade der Universitäten aus, die andauern und insofern gefährlich sind, weil sie bis in die Familien hinein polarisierend wirken; denn zweifellos sind nicht alle knapp 180.000 Studenten für den Lehrboykott so lange nicht alle vier Forderungen der Studenten verfüllt sind. Dazu zählt, dass der Lehrbetrieb erst wieder aufgenommen werden soll, bis alle Verantwortlichen für Novi Sad vor Gericht zur Verantwortung gezogen worden sind. Wie ein Blick etwa auf kleiner Justizfälle ohne Opfer in der Steiermark zeigt, die bereits mehr als drei Jahre dauern, ist diese Forderung jenseits aller Realität. Hinzu kommt, dass strittig ist, inwieweit Vucic die anderen drei Forderungen bereits erfüllt hat, wie die Veröffentlichung aller Dokumente zum Bauprojekt Novi Sad.
Doch die Polarisierung in Serbien hat ein Ausmaß erreicht, das einen Dialog immer schwieriger macht. So haben weder der Rücktritt zweier Minister, mehrere Verhaftungen noch der Rücktritt des Ministerpräsidenten Milos Vucevic und des Bürgermeisters von Novi Sad die Lage entspannt. Eine äußerst negative Rolle spielen dabei viele Medien auf beiden Seiten, wobei zu betonen ist, dass von einer medialen Diktatur des Präsidenten nicht gesprochen werden kann. Bei etwa 6,7 Millionen Einwohnern erreichen oppositionelle Portale pro Tag ein Publikum von einer bis zu 3,6 Millionen Bürger! Somit widerspricht auch die mediale Realität in Serbien dem im Westen beliebten „Gut-Böse“-Schema, wobei natürlich Alexander Vucic die Rolle des Bösen zufällt. Er hat nach dem Rücktritt von Milos Vucevic nun zwei Optionen – einen neuen Ministerpräsidenten oder Neuwahlen. Gegen Neuwahlen sprechen die Schwäche der Opposition, die derart groß ist, dass sie die Wahlen wohl nur boykottieren könnte, was Vucic in der EU noch mehr Kritik einbringen würde. Denn die Opposition eint nur die Gegnerschaft zu Vucic. Von der Protestwelle konnte sie nicht profitieren, weil sich die Studenten nicht vereinnahmen ließen.
Hinzu kommen unbestreitbare Erfolge von Vucic bei der Modernisierung und Reindustrialisierung Serbiens, die das Projekt EXPO im Jahre 2027 krönen sollen. Ihre Vorbereitung spricht ebenfalls gegen Neuwahlen. Alexander Vucic hat gute Beziehungen zu vielen wichtigen Staaten in der EU, zu den USA unter Donald Trump, von China und Russland ganz zu schweigen. Bisher gelang es ihm, zwischen den weltpolitischen Stühlen zu balancieren, nicht aber die Polarisierung im eigenen Land zu verringern, die sein Führungsstil ebenfalls befördert hat. Ungeachtet dessen ist aus heutiger Sicht ein Ende der Ära Vucic nicht absehbar; alle Umfragen zeigen, dass er Wahlen klar gewinnen würde, weil es in der Opposition keinen Politiker gibt, der ihm das Wasser reichen könnte. Die größere Gefahr für Serbien liegt darin, dass Vucic - warum auch immer - plötzlich abtritt. Ein Kronprinz oder Nachfolger ist nicht in Sicht - gemäß der politischen Weisheit: Unter einem Baum wächst nur Gras!
20250128 Ö1Ö2Ö3 NR Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
20250128 Ö1Ö2Ö3 NR Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
0’51
In Serbien ist am Vormittag Ministerpräsident Milos Vucevic zurückgetreten. Anlass dafür waren Übergriffe in der Nacht gegen Studenten in der Stadt Novi Sad, die Plakate gegen die Regierungspartei SNS kleben wollte. Es berichtet Christian Wehrschütz:
20250128 J18 Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
20250128 J18 Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
1’28
In Serbien ist am Vormittag Ministerpräsident Milos Vucevic zurückgetreten. Anlass dafür waren Übergriffe in der Nacht gegen Studenten in der Stadt Novi Sad, die Plakate gegen die Regierungspartei SNS kleben wollte. Die Proteste dauern bereits Monate und haben auch die Universitäten erfasst, die von den Studenten boykottiert werden. Es berichtet Christian Wehrschütz:
20250128 ZiB2 Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
20250128 ZiB2 Serbien Regierungschef tritt zurück Wehrsch Mod
In Serbien ist am Vormittag Ministerpräsident Milos Vucevic zurückgetreten. Anlass dafür waren Übergriffe in der Nacht gegen Studenten in der Stadt Novi Sad, die Plakate gegen die Regierungspartei SNS kleben wollten. Vier Männer sollen die Studenten angegriffen und eine Studentin schwer verletzt haben. Die Proteste in Serbien dauern bereits fast vier Monate und haben auch die Universitäten erfasst, die von den Studenten boykottiert werden. Nach dem Rücktritt des Regierungschefs gibt es nun eine Frist von 30 Tagen, in denen Präsident Alexander Vucic und seine Partei SNS entscheiden werden, wie es politisch in Serbien weitergeht.
20241219 MiJ Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
20241219 MiJ Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
Werden in Serbien Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft mehr oder minder systematisch von Polizei und Geheimdienst ausspioniert, und zwar ohne richterliche Genehmigung? Zur Anwendung kommen dabei verschiedene Formen der Spionagesoftware, die auf Mobiltelefone übertragen werden. Wie das erfolgt, beschreibt unter anderem ein Bericht der Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Gelesen hat ihn unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz; hier sein Bericht:
20241220 MiJ Serbien Studenten streiken gegen Führung Wehrsch Mod
20241220 MiJ Serbien Studenten streiken gegen Führung Wehrsch Mod
20241220 ZiB1 Serbien Studenten streiken gegen Führung Wehrsch Mod
20241220 ZiB1 Serbien Studenten streiken gegen Führung Wehrsch Mod
In Serbien streiken seit Anfang Dezember die Studenten. Der Lehrbetrieb ruht bereits an den Universitäten in Belgrad und Novi Sad; auch andere Städte könnten noch vom Streik erfasst werden. Anlass sind keine bildungspolitischen Forderungen, sondern ein tragisches Unglück am Bahnhof von Novi Sad, das Anfang November 15 Menschen das Leben kostete.
20241219 ORFIII Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
20241219 ORFIII Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
Werden in Serbien Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft mehr oder minder systematisch von Polizei und Geheimdienst ausspioniert, und zwar ohne richterliche Genehmigung? Zur Anwendung kommen dabei verschiedene Formen der Spionagesoftware, die auf Mobiltelefone übertragen werden. Wie das erfolgt, beschreibt nun unter anderem ein Bericht der Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
20241219 ZiB1 Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
20241219 ZiB1 Serbien Spionagesoftware gegen Journalisten Wehr Mod
Werden in Serbien Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft mehr oder minder systematisch von Polizei und Geheimdienst ausspioniert, und zwar ohne richterliche Genehmigung? Zur Anwendung kommen dabei verschiedene Formen der Spionagesoftware, die auf Mobiltelefone übertragen werden. Wie das erfolgt, beschreibt nun unter anderem ein Bericht der Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
20241217 WeltWeit Serbien Überwachungskameras ohne Kontrolle Wehrs Mod
20241217 WeltWeit Serbien Überwachungskameras ohne Kontrolle Wehrs Mod
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz;
Kamera: Nenad Dilparic, Predrag Crvenkovic;
Schnitt: Mica Vasiljevic
Insert1: Tomislav Petrovic, Firma BITMEDIA in Belgrad
Insert2: Tomislav Petrovic, Firma BITMEDIA in Belgrad
Insert3: Vlada Mrkonic, Taxifahrer in Belgrad
Insert4: Danilo Krvokapic, Direktor der Stiftung SHARE in Belgrad
Insert5: Danilo Krvokapic, Direktor der Stiftung SHARE in Belgrad
Insert6: Ana Toskic-Cvetinovic, Nichtregierungsorganisation „Partner Serbiens“
Insert7: Milan Marinovic, Volksanwalt zum Schutz personenbezogener Daten
Insert8: Maja Bjeloš, Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik
Insert8: Maja Bjeloš, Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik
Gesamtlänge: 9’50
Das künstlich-intelligente Ebenbild meines Kollegen ist täuschend echt – und auch die Übersetzung ins Kroatische ist korrekt. Ersetzbar werden Korrespondenten vor Ort durch KI trotzdem nicht,
weil der Lokalaugenschein unersetzbar ist. Bei mir beginnt er in Belgrad in einem Geschäft das Überwachungskameras verkauft. Grundsätzlich kann jeder Serbe derartige Kameras erwerben, doch:
00’45: Petrovic:
„Das Gesetz verlangt eine begleitende Dokumentation, in der festgelegt ist, wo die Kameras installiert werden und wozu diese dienen. Man kann in Serbien nicht eigenmächtig Kameras montieren. Erforderlich ist ein Plan sogar für Privatpersonen, wenn sie öffentliche Flächen filmen, oder wenn jemand ihr Grundstück betritt. Die Aufnahmen müssen 30 Tage aufbewahrt werden; installieren darf die Kameras nur eine Firma, die eine Lizenz des Innenministeriums hat.“
Dominieren auch in Serbien chinesische Kameras den Markt?
09:00 Petrovic:
„Was hier ausgestellt ist, sind hauptsächlich chinesische Marken. Hikvision und Huawei sind die Marktführer weltweit. Hikvision ist der erste; das ist ein staatliches Unternehmen in China, das Sicherheitsausrüstung, einschließlich technischer Sicherheitssysteme für Videoüberwachung, Alarmsysteme und so weiter produziert.“
Derartige Kameras sind in ganz Belgrad in Straßen und öffentlichen Plätzen zu finden. Wie verbreitet sie bereits sind, wissen insbesondere Taxi-Fahrer sehr gut. Sie kennen die verschiedenen Modelle und wissen auch, wo welche zum Einsatz kommen:
2:30 VLADA (verschiedene Arten von Kameras)
„Der größte Teil der Kameras zeichnet nur visuelle Effekte auf, die dann jemand an einem Monitor betrachtet; aber einige Kameras zeichnen Geschwindigkeit, das Überfahren einer roten Ampel, Sicherheitsgurte und Handys auf. Und sie können das Gesicht erkennen.“
Je nach Verstoß beträgt der Strafrahmen zwischen umgerechnet 50 und 500 Euro. Die Zentrale der Verkehrsüberwachung in Belgrad durfte nicht gefilmt werden. Diese Bilder stammen vom Innenministerium; seinen Angaben nach hat das Ministerium mehr als 1.560 Kameras in Belgrad im Einsatz, allerdings ohne die Nutzung einer Software zur Gesichtserkennung.
Ein Interview wurde dem ORF nicht gegeben, der die Behörde nicht zu den massiven Bedenken und Vorbehalten serbischer Nichtregierungsorganisationen befragen konnte. Dazu zählt die Organisation SHARE, die seit Jahren dafür kämpft, dass bei Video-Überwachung rechtstaatliche Kriterien und Transparenz gelten. Ihr Direktor, der 36-jährige Danilo Krivokapic, zeigt mir am Platz der Republik im Herzen Belgrads, wie viele Kameras hier bereits installiert sind. Spezifikationen vom Staat bekam SHARE nicht, doch:
8:41 Krvokapic SHARE
„Als diese Kameras installiert wurden, hat damals unser Kollege zufällig dort vorbeigeschaut und die Kartons fotografiert. So konnten wir zum ersten Mal sehen, welche Modelle das sind. Wir haben sie gegoogelt, dann auf der Huawei-Website gesucht. Huawei hatte eine Website mit einer Fallstudie über Belgrad; dort bekamen wir die ersten Informationen darüber, was dieses System ist. Als wir diese Seite ins Serbische übersetzten und veröffentlichten, wurde die Seite von Huawei in weniger als 10 Stunden entfernt.“
Der Kampf der Zivilgesellschaft gegen den Überwachungsstaat begann vor fünf Jahren. Seither wurden zwei Entwürfe für ein Polizei-Gesetz zurückgezogen; der Druck der NGOs zeigte Wirkung, doch Rechtssicherheit fehlt nach wie vor:
11:18 Krvokapic (Büro)
„Wir sind von einer Stadt, die vor wenigen Jahren nur Dutzende von Kameras hatte, zu einer Stadt mit mehreren Tausend Überwachungskameras geworden. Uns wurde nie völlig erklärt, warum wir ein so fortschrittliches und potenziell gefährliches Überwachungssystem benötigen. Die Kriminalitätsrate auf den Straßen ist nicht besonders hoch, die Menschen fühlen sich sicher, und wir hatten keine terroristischen Angriffe. Unser Gefühl ist, dass es nicht nur um die Sicherheit der Bürger, sondern auch um die Möglichkeit geht, den öffentlichen Raum durch die Behörden zu kontrollieren.“
Diese fragwürdigen Kontrollen nehmen wegen zunehmender Demonstrationen gegen die Regierung unter Staatspräsident Alexander Vucic möglicherweise zu. Während die politische Opposition schwach ist, kam es zu massiven Protesten gegen den geplanten Abbau von Lithium im Sommer 2024; und im Herbst führten Bausünden und Behördenversagen zum Einsturz eines Vordaches am Bahnhof von Novi Sad mit 15 Toten. Auch in diesem Fall gab es wochenlange Proteste, die nicht ohne Folgen für Teilnehmer blieben:
13’30 Toskic-Cvetinovic
„Vor allem in Belgrad kam es vor, dass nach Protesten die Polizei an die Türen der Bürger klopfte, sie festnahm und sagte, sie seien identifiziert worden. Doch wie wurden sie identifiziert? Es gab auch den Fall, dass ein Boulevardblatt das Foto eines Demonstranten veröffentlichte, das von offiziellen Kameras des Belgrader Flughafens stammt. Das waren biometrische Aufnahmen. Jemand vom Flughafen hat das Foto des Aktivisten, an das Boulevardblatt geschickt. Es veröffentlichte dieses Foto mit einem Text, dass dieser Mann jetzt aus dem Land flieht. Das ist absolut nicht wahr.“
„Die Partner Serbiens“ sind eine NGO, die sich vor allem um die Stärkung des Rechtsstaates bemüht. Sie gestaltete eine Plakatkampagne mit den häufigsten Ausreden von Behörden, die nicht tätig werden wollen. Dazu zählen: „Alle sind auf Dienstreise“ oder etwa „Die Untersuchung ist im Laufen.“ Die Ausrede: „Wir schützen das staatliche Interesse.“ Hängt hinter dem Schreibtisch des Volksanwalts zum Schutz personenbezogener Daten in Serbien. Er war das einzige staatliche Organ, das zu einem Interview bereit war:
32:41 Milan Marinovic
„Unsere Kontrolle im Jahre 2019 hat festgestellt, dass keine Software vorhanden ist. Seither wurden viele hochentwickelte Kameras beschafft, aber ohne Software. Später hörten wir, dass die Software aus China beschafft werden sollte. Danach wurde über eine Software aus Schweden geredet. Ich weiß nicht, was geplant ist, welche Software eingeführt werden soll, doch das ist mir völlig gleichgültig. Mir ist wichtig, dass personenbezogenen Daten geschützt werden. Meine letzte Information ist, dass es Kameras gibt, aber keine Software, und Kameras können ohne Software nichts tun. Zurzeit erlaubt kein Gesetz in Serbien diese Art der Verarbeitung.“
Doch die Überwachung durch Kameras und die mögliche Nutzung von Software zur Gesichtserkennung sind offensichtlich nur ein Teilproblem für Rechtsstaat und Demokratie in Serbien. Denn Kameras im öffentlichen Raum sind wenigstens sichtbar, doch …
5’31 Maja Bjeloš
„Es gibt eine andere Form der Überwachung, die unsichtbar ist, und die vor allem Geheimdienste und Polizei verwenden. Das ist Spionagesoftware, mit denen man die Telekommunikation der Bürger überwachen kann. Genutzt werden auch traditionelle Methoden des Abhörens. Ich war zum Beispiel eines der Ziele. Mein Gespräch mit einem Journalisten des Guardian wurde abgehört und in einer serbischen Boulevardzeitung veröffentlicht noch ehe der Artikel im Guardian erschien. Und ein Teil meiner Kollegen, die in der Zivilgesellschaft arbeiten, waren Ziele der Spionagesoftware Pegasus.“
Doch es gibt noch andere Fälle:
„Wir wissen, dass einige Aktivisten präventiv festgenommen wurden, sogar bevor sie zu Protesten gegangen sind; das deutet darauf hin, dass der Staat ihre elektronischen Geräte überwacht und ihren Standort kennt. Daher nehmen wir an, dass es nicht nur um Huawei-Kameras geht, sondern dass der Staat Spionagesoftware einsetzt; sie ermöglicht es, die Privatsphäre zu gefährden.“
Ein Mitte Dezember von Amnesty International veröffentlichter Bericht listet detailliert den Einsatz von Spionagesoftware in Serbien auf. Journalisten und Aktivisten nahmen Polizei und Geheimdienst unter einem Vorwand ihre Mobiltelefone ab und installierte darauf diese Software, die zum Teil auch aus dem Westen stammt. Auch in diesem Fall verweigerten die Behörden eine Stellungnahme, und zwar gegenüber Amnesty International. Rechtsstaat und Demokratie sehen anders aus, vor allem in einem Land, das angeblich auf dem Weg Richtung EU-Mitgliedschaft ist. Doch auf dem Rückzug sind liberale Grundfreiheiten leider nicht nur in Serbien und nicht nur am Balkan.
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