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Serbien und Massenimpfung

Zeitung
Kronen Zeitung
Berichte Serbien

Zwei Hallen im Belgrad Messezentrum bilden das größte Zentrum in Serbien, in dem seit Dienstag die massenhafte Impfung der Bevölkerung erfolgt. Beim Eintritt messen Mitarbeiter in weißen Schutzanzügen und mit Masken die Körpertemperatur; dann wird die elektronisch erfolgte Anmeldung überprüft, wobei die endgültige Einverständniserklärung auch noch vor Ort ausgefüllt werden kann. Darauf folgt eine kurze ärztliche Untersuchung, dann wird in den Kabinen die Spritze verabreicht. Anschließend hat der Patient noch eine Viertel-stunde zu warten, ob etwaige allergische Reaktionen auftreten. Im Einsatz sind in der Belgrader Messe 25 Volontäre, mehr als 50 Ärzte und Krankenschwestern sowie etwa 40 IT-Spezialisten.

Insgesamt bestehen in Serbien mehr als 40 Impfzentren; gespritzt wird auch in den Ambulanzen in kleineren Städten und Gemeinden. Die Kapazität in der Messe liegt bei bis zu 8.000 Personen; am Tag meines Besuches waren es 4.000 Personen, die sich allein in Belgrad die Spritze geben ließen; an diesem Tag wurden im ganzen Land 36.000 Personen geimpft. Die Zahlen zeigte mit der 30igjährige Grozdic Vukasin, Mitarbeiter im Kabinett der serbischen Regierungschefin, Ana Brnabic, bei meinem Besuch auf Nachfrage immer wieder auf seinem Mobiltelefon. Ablesbar ist auf der internen Internetseite der Regierung Zahl der täglichen Impfungen in ganz Serbien, die Gesamtzahl der bisher Immunisierten sowie das Schicksal jeder einzelnen Impfdose, sobald sie ins Land kommt. Mitte der Woche hatten sich bereits etwa 350.000 Personen der insgesamt sieben Millionen Einwohner impfen lassen, angemeldet waren mehr als 660.000. Sie erfolgt online über ein Internetportal, das das Amt für elektronische Verwaltung mit dem Gesundheitsministerium und dem Kabinett der Regierungschef ausgearbeitet hat. Darin trägt der Impfwillige alle seine persönlichen Daten ein; dazu zählen Angaben über allfällige Allergien oder Krankheiten und natürlich der Wohnort. Impfberechtigt sind auch Ausländer, die in Serbien leben. Gemäß der Rangliste bekommt die Person dann einen Impftermin per SMS oder Email, wobei der Termin automatisch auch in den Impfkalender am Ort der Impfung eingetragen wird.

Die Bewohner dürfen selbst wählen, welchen Impfstoff sie wollen, doch die Mehrheit hat nun keine klaren Präferenzen. Zunächst wurden vor allem Pfizer und den russischen Impfstoff SputnikV angekreuzt, weil das Vertrauen in Russland sehr groß sei. Weit geringer war die Bereitschaft, sich das chinesische Serum spritzen zu lassen. Diese Vorbehalte seinen nun geschwunden, sagt Grozdic Vukasin, der bei der Vorbereitung der Massenimpfung massiv im Einsatz war. Von allen Balkan-Ländern arbeitet Serbien am engsten mit China zusammen, dessen Impfstoff derzeit das Rückgrat bei der Immunisierung gegen das Corona-Virus bildet. Probleme mit der Zulassung gibt es nicht, auch weil Serbien kein Mitglied der EU ist. Von Pfizer hat Serbien 1,8 Millionen Dosen bestellt; Verträge wurden für die Lieferung von insgesamt 6,5 Millionen Dosen abgeschlossen; hinzukommen noch ein Anteil aus dem Kontingent, das die EU dem Westbalkan zur Verfügung stellt sowie das internationale Beschaffungssystem COVAX (AstraSeneka / Moderna), doch diese beiden Sera sind noch nicht in Serbien vorhanden.

Bei der Organisation der Massenimpfung nutze Serbien die Erfahrungen aus Israel, dass in äußerst kurzer Zeit sehr erfolgreich war. Dazu zählte die Frage, wie man am besten aus einer Pfizer-Dose sechs statt fünf Impfungen herausbekommt, sagt Vukasin. Israel habe dazu eine spezielle Nadel genutzt, Serbien eine Spritze mit der genau ein Milliliter verabreicht werden könne. Doch der Erfolg ist vor allem Marke Eigenbau. Bereits Mitte 2020 stellte die Regierung ein Team aus Spezialisten zusammen, das die Entwicklung und den Prozess der Zulassung von Impfstoffen genau verfolgte. Generalstabsmäßig geplant wurde die Logistik für die Massenimpfung. Da man nicht wusste, wann genau welcher Impfstoff zur Verfügung stehen würde, wurde von einem fiktiven Tag NULL begonnen und von da an generalstabsmäßig geplant, wie Lagerung und Verteilung zu erfolgen haben. So wurde etwa jede Ambulanz mit einem entsprechenden Kühlschrank ausgestattet. Bei der Bewertung der nötigen Kapazitäten griff man auf die Erfahrungen mit Grippe-Impfungen aus den Vorjahren zurück. Hinzu kommt die Digitalisierung, die Serbien seit 2016 unter der Führung von Ministerpräsidentin Ana Brnabic massiv vorangetrieben hat:

"Erstens ging es um die elektronische Verwaltung; daher haben wir heute dieses Informationssystem, um sich zur Impfung anzumelden. Zweitens ging es um die Digitalisierung des Bildungswesens; wir wollen alle Schulen bis Ende des nächsten Jahres digitalisieren; dank dessen haben wir keinen einzigen Schultag im Vorjahr verloren, weil wir sofort auf den Online-Unterricht umstellen konnten. Dadurch erhöhen wir die Effizienz der öffentlichen Verwaltung. Da haben wir noch sehr viel zu tun, doch wir haben viel erreicht. Das hilft uns in derartigen Situationen.“

P.S.: meine Mitarbeiter im ORF-Büro und ich haben uns ebenfalls zur Impfung angemeldet und uns nach Rücksprache mit Ärzten für einen Impfstoff entschieden. Journalisten zählen in Serbien zur ersten Gruppe. Wenn Sie diesen Artikel zu Ende gelesen haben, stehen wir entweder knapp vor der Impfung oder haben diese in Belgrad bereits erhalten.

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