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Serbien Covid und das explodierte Budgetdefizit

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Berichte Serbien

Auf den ersten Blick ist Serbien ein Land, das die Corona-Krise wirtschaftlich bisher sehr gut überstanden. So wird der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, also der gesamten Wirtschaftsleistung, auf nur 1,5 Prozent geschätzt; das ist deutlich niedriger als in allen entwickelten Staaten und als in Mittel und Osteuropa. Andererseits prognostiziert der serbische Staatsschuldenausschuss aber ein Budgetdefizit von fast neun Prozent, was wiederum deutlich höher ist als in der Region. Das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch; wenn die Produktion nicht so stark gesunken ist, dann waren auch die Budgeteinnahmen höher, und daher stellt sich die Frage, warum Serbien ein derart hohes Defizit hat. Diese Frage hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Belgrad dem Vorsitzenden des serbischen Staatsschuldenausschusses gestellt; hier sein Bericht:

Pavle Petrovic, der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, nennt zwei Gründe, warum der Wirtschaftsrückgang in Serbien nur gering ausfallen wird: der weit höhere Anteil der Landwirtschaft als in der EU und zweitens die lebensmittelverarbeitende Industrie; beide Sektoren hätte die Corona-Krise weit besser überstanden; daher sei der Rückgang in Serbien viel geringer als in Ländern mit hoher Abhängigkeit vom Tourismus. Anderseits sei daher in Serbien in den kommenden beiden Jahren auch das Potential für großes Wachstum geringer; die Annahme von sechs Prozent, die dem Budget für 2021 zugrunde liegt, hält Petrovic für zu optimistisch. Zu den Unbekannten zählen die Corona-Krise und die Entwicklung in der EU, die der entscheidende Handelspartner Serbiens ist. Doch warum rechnet der Staatsschuldenausschuss für heuer mit einem derart hohen Budgetdefizit von fast neun Prozent. Darauf antwortet Pavle Petrovic so:

Pavle Petrovic:

9'17 - Budgetdefizit warum? -10'32 (41)

„Von diesem Defizit von 4,2 Milliarden Euro wurde eine Milliarde mehr ausgegeben als es wegen der Corona-Krise nötig gewesen wäre. Dazu zählt, dass man an alle Bürger jeweils 100 Euro verteilt hat; das machte 600 Millionen Euro aus, eine Ausgabe, die weder sozial noch wirtschaftlich gerechtfertigt war; denn damit wurden weder die Produktion noch die Steuereinnahmen erhöht, wie unsere Analyse gezeigt hat. Doch die Krise hat auch Probleme in öffentlichen Betrieben offengelegt, und auch das führte zur Erhöhung des Defizits."

Zu den strukturellen Schwächen zählt die überfällig Reform öffentlicher Betriebe; sie haben nicht nur viel zu viele Mitarbeiter, sondern zahlen Löhne, die 40 Prozent höher sind al in der Privatwirtschaft; dazu sagt Pavle Petrovic:

12'05'2 - EPS - 14'55 (38)

"Das größte öffentliche Unternehmen ist die Energiewirtschaft EPS; statt eine Wachstumslokomotive zu sein, wird kein Profit erwirtschaftet; außerdem wurde zu wenig investiert, das kann in der Zukunft dazu führen, dass die Nachfrage nach elektrischer Energie nicht mehr gedeckt werden kann. Außerdem hat EPS zu wenig in den Umweltschutz investier; das Unternehmen ist einer der größten Umweltverschmutzer in Serbien. Andererseits sind die Energiepreise in Serbien bei weitem die niedrigsten sogar in der Region."

Niedrig erscheint auf den ersten Blick auch die prognostizierte Staatsschuld von 60 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung; doch der Schein trügt, betont Pavle Petrovic:

22'14 - Staatsverschuldung - 24'18 (51)

"Serbien kann man nicht mit entwickelten Ländern vergleichen; erstens sind die Zinsen für die Verschuldung doppelt so hoch; das bedeutet, dass die Finanzierung einer Staatsschuld von 60 Prozent beim Zinsendienst einer Verschuldung von 120 Prozent entspricht, Angemessen wäre daher eine Verschuldung nicht von 60, sondern von bis zu 45 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung."

Für das Budget des kommenden Jahres hat der Staatsschuldenausschuss zwei Forderungen; erstens dürfen Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst maximal die Inflation abgelten; zweitens sollen Steuern nicht erhöht und auch bei Investitionen in die Infrastruktur nicht gespart werden, weil sie den Wirtschaftsstandort Serbien attraktiver machen.

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