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Alexander Vucic 20 Jahre nach Sturz von Milosevic

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Berichte Serbien

Am Montag, dem 5. Oktober ist es genau 20 Jahre her, dass in Belgrad der serbische Autokrat Slobodan Milosevic durch eine unblutige Revolution gestürzt wurde. Doch das Bündnis gegen Milosevic zerbrach rasch an internen Konflikten und im März 2003 wurde der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic ermordet. Schrittweise kehrten wieder jene politischen Kräfte zurück, die Milosevics Politik in den 90iger Jahren unterstützt hatten. Dazu zählt auch Alexander Vucic. Er wurde im April 2014 zunächst Regierungschef, seit 2017 ist er Staatspräsident; bei der Parlamentswahl im Juni gewann seine Partei SNS die absolute Mehrheit. Vucic zentrale außenpolitische Aufgabe ist die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo und der Weg Serbiens in Richtung EU. In Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz das folgende Exklusiv-Interview mit Alexander Vucic geführt:

Der Sturz von Slobodan Milosevic am 5. Oktober 2000 bedeutete auch einen Tiefpunkt in der politischen Karriere von Alexander Vucic, dessen Radikale Partei Milosevic lange unterstützt hatte. Am Tiefpunkt waren nach dem NATO-Krieg 1999 auch die Beziehungen zu den USA. 20 Jahre später wurde Vucic von Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Mit dem Regierungschef des Kosovo wurde ein Vertrag unterzeichnet, der die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Kosovo-Albanern deutlich verbessern soll; diesen Ansatz bewertet Alexander Vucic so:

19'49 - Vucic und Trump - 21'18

"Ich glaube, dass Präsident Trump und vor allem seine Mitarbeiter gut verstehen, dass bessere wirtschaftliche Beziehungen in Zukunft auch zu besseren politischen Beziehungen führen werden. Die USA waren bis vor kurzem das unpopulärste Land in Serbien; das hat sich geändert. Das hat teilweise mit Präsident Trump zu tun, aber auch mit seinem Botschafter in Belgrad, der anders auftritt als seine Vorgänger; er achtet Serbien und benimmt sich nicht als Verwalter einer Kolonie: Weit mehr Arroganz findet sich bei Vertretern anderer westlicher Staaten."

Doch von einer politischen Normalisierung sind Belgrad und Pristina noch weit entfernt. Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der EU in Brüssel verliefen bisher ohne Erfolg. Derzeit ist Belgrad nicht bereit, die Unabhängigkeit anzuerkennen. Warum?

21'57'8 - Kosovo und EU - 25'32'7 - 25'57

"Sie sagen uns, stimmt für die Unabhängigkeit des Kosovo, dann wird der Weg Richtung EU leichter sein, das ist ein großes Nichts. Niemand garantiert uns dafür etwa die Mitgliedschaft in der EU. Niemand sagt uns, was Serbien dafür im Kosovo bekommt, nicht einmal die Gemeinschaft der serbischen Gemeinden oder etwas anderes. Dazu zählt auch der Status unserer Kirchen und Klöster. Ich werde nicht sagen, worum es alles geht, dann hätten Verhandlungen keinen Sinn. Natürlich wir brauchen einen Kompromiss. Denn ich bin gegen einen eingefrorenen Konflikt, damit wir unseren Kindern nicht dasselbe Problem hinterlassen. Denn eingefrorene Konflikte können auch wieder auftauen, wir gerade jetzt in Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan sehen.“

Trotz wiederholter Kritik aus Brüssel bleibt der Präsident seiner Außenpolitik daher treu; Alexander Vucic:

„Serbien liegt an einer Wegkreuzung, man muss jeden Tag kämpfen, und das ist nicht leicht. Heute haben wir vier dominante Kräfte - die USA, China, Russland als erste oder zweitstärkste militärische Macht in der Welt und die EU, die eine wirtschaftspolitische Macht ist aber keine militärische; Serbien ist auf seinem Weg Richtung EU. Ich gestehen, dass wir bedeutsame Finanz- und Wirtschaftshilfe von der EU bekommen haben, was ich sehr achte. Andererseits haben wir Russland und China, die die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt haben; natürlich müssen wir auf sie zählen.“

Und wie bewertet der serbische Präsident die Politik Belgrads in den 90iger Jahren unter Slobodan Milosevic, der schließlich am 5. Oktober vor 20 Jahren durch eine unblutige Revolution gestürzt wurde:

27'07 - 20 Jahre danach - 31'10'8  

"In den 90iger Jahren haben wir nicht nur viele Fehler gemacht, sondern auch als Volk nicht verstanden, welche Änderungen sich in der Welt mit dem Fall der Berliner Mauer ergeben haben und was sich in der Welt ereignet. Nach dem Jahre 2000 dachten wir, dass es genügt, zu Empfängen der Botschaften der USA, Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs zu gehen, und damit würden alle politischen Probleme gelöst sein. Das war die Hinwendung zum anderen Extrem, und wir erlebten noch mehr Korruption und einen noch größeren Wirtschaftsrückgang als unter Slobodan Milosevic. Heute verstehen wir recht gut, was in der Welt geschieht.“

Serbien ist heute wirtschaftlich stärker als alle anderen fünf Staaten des Westbalkan zusammen. Auch das zeigt, wie sehr sich die Lage am Balkan binnen 20 Jahren geändert hat.

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