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Serbien zwischen Käse, IT und Korruption

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Berichte Serbien

„Bei der Parlamentswahl in Serbien hat Staatspräsident Alexander Vucic gestern ein historisches Resultat erzielt. Denn Seine Partei SNS gewann möglicherweise sogar die Zwei-Drittelmehrheit im Parlament. Noch nie seit dem Zerfall des kommunistischen Jugoslawien hat eine Partei Serbien so dominiert wie die von Vucic geführte SNS. Rechnet man noch die Mandate seines sozialistischen Koalitionspartners hinzu, so kommt die Regierung auf bis zu 220 Abgeordnete bei insgesamt 250 Sitzen im Parlament. Ob Alexander Vucic diesem enormen Wählerauftrag gerecht wird, werden die Lösung des Kosovo-Problems und die Reformen zeigen, die Serbien auf dem Weg Richtung EU noch durchzuführen hat. Doch wie sehr hat Vucic sein Land in den vergangenen Jahren tatsächlich modernisieren und gestalten können? Zweifellos ist Serbien mehr als alle Stereotype über den Balkan vermuten lassen – ein Lokalaugenschein von unserem Korrespondenten Christian Wehrschütz

Insert1: Vuk Simic, stellvertretender Leiter des Naturparks Zasavica

Insert2: Vuk Simic, stellvertretender Leiter des Naturparks Zasavica

Insert3: Marko Michajlovic, Verkaufsdirektor der Firma Bitgear

Insert4: Marko Michajlovic, Verkaufsdirektor der Firma Bitgear

Insert5: Milan Culibrk, Chefredakteur des Wochenmagazins NIN

Insert6: Vladimir Simic, Firma Helios Gorni Milanovac

Gesamtlänge:

Kein Problem mit sozialer Distanz hat auch in Corona-Zeiten der Naturpark Zasavica, eine Autostunde nördlich von Belgrad. Auf 3400 Hektar haben Tier und Mensch genügend Auslauf. Die Attraktion des Parks sind 250 Eselstuten; mit ihrer Milch wird unter anderem der teuerste Käse der Welt produziert; je Kilogramm kostet er eintausend Euro:

5‘05 - Schwierig Käse zu produzieren - 5'38

"Für ein Kilo Käse braucht es 25 Liter Milch; das ist die Menge, die eine Eselsstute in zwei Jahren gibt. Daher ist der Käse so teuer. Wir verkaufen ihn zu je 50 Gramm, das sind 50 Euro, weil das ausreicht, dass drei, vier Personen, den Käse probieren können, der einen ganz besonderen Geschmack hat."

In der Antike soll die ägyptische Herrscherin Kleopatra in Eselsmilch gebadet haben; ihre positive Wirkung wird hier ebenfalls vermarktet:

6'19 - Kleopatra und Cremen - 7'00

"Der bekannten Geschichte über Kleopatra folgend, die sich durch ständiges Baden in Eselsmilch verjüngt haben soll, kamen wir auf die Idee, Produkte zu erzeugen, die Eselsmilch enthalten. Dazu zählen Seife, ein Likör, der sehr süß ist, aber auch Cremen. Dabei ist unsere Devise, dass diese Creme aus einer alten Frau ein junges Mädchen macht, weil sie ebenso verjüngt wie im Falle von Kleopatra."

Innovative Produkte haben aber auch IT-Firmen in Serbien anzubieten. Viele arbeiten im Auftrag ausländischer Firmen, entwickeln aber auch eigene Produkte. 14.000 Stück hat die Firma bereits an die serbische Telekom verkauft:

MM 1:

„Diese Elektronik wird im Kanalschacht montiert und hat eine Antenne, Sensoren und eine Batterie die zehn Jahre hält. Die Reichweite beträgt mehr als einen Kilometer. Damit können die Eigentümer der Infrastruktur aller Kanalschächte in der Stadt in Realzeit kontrollieren. Damit können auch unbefugtes Einsteigen und der Diebstahl von Kupferkabel verhindert werden.“

Interesse an diesem Produkt besteht von Europa über Afrika bis nach Indien:

MM3: Indien:

„Das System dient nicht nur zur Verhinderung von Diebstahl. In Indien ist man an diesem System interessiert, weil in der Regenzeit der Sturm Kanaldeckel wegschwemmt, was wegen möglicher Unfälle gefährlich ist. Außerdem kann man mit dem Gerät auch die Arbeitszeit kontrollieren, die ein Mitarbeiter in einem Schacht verbracht hat.“

Nach Angaben der Firma, gibt es in Serbien etwa 35.000 IT-Ingenieure; es gebe noch zu wenig Nachwuchs, obwohl die Exporte jedes Jahr zunehmen. Bei der Ansiedlung ausländischer Betriebe hat die serbische Führung klare Erfolge vorzuweisen. Doch dabei gibt es auch Schattenseiten; dazu zählen hohe staatliche Subventionen pro Arbeitsplatz und niedrige Löhne:  

6'23 - Falle - niedriges Entwicklung - Lohnfertigung - 7'37

„Natürlich ist es besser, dass jemand um 300 oder 350 Euro arbeitet als dass er gar nicht arbeitet. Doch wenn wir nur derartige Investitionen ohne zusätzliche Wertschöpfung anziehen, ist das schlecht, Wir haben hier einige große Zulieferer zur Autoindustrie, doch ein großer Teil der verarbeiteten Waren wird eingeführt und deren Wert wird hier nur gering gesteigert, und im Land bleibt fast nichts.“

Zu den Firmen die Fertigprodukte erzeugen, zählt dieser Hersteller von Farben und Lacken in der Stadt Gorni Milanovac, 120 Kilometer südlich von Belgrad. Genutzt wird auch das serbische Freihandelsabkommen mit Russland, das ebenso ein wichtiger Abnehmer ist wie Weißrussland. Die Firma ist Teil eines internationalen Konzerns und beschäftigt ständig 180 Mitarbeiter. Zu den Herausforderungen zählt die Arbeitsmigration, die auch durch politische Ungewissheit, Korruption und massive Parteibuchwirtschaft begünstigt wird:  

12'19 Arbeitsmigration - 13'50

"Die Arbeitsmigration betrifft nun auch Facharbeiter und junge Arbeitskräfte. Auf dieser Basis verlieren wir pro Jahr etwa 60.000 Personen. Hinzu kommt ein zusätzliches Problem in Gorni Milanovac, eine Stadt mit einer starken Industrie. Hier haben wir zwischen 10 und 15 ausgezeichnete Betriebe, die Arbeitskräfte brauchen. Sie zu finden ist eine große Herausforderung, die in den vergangenen zwei Jahren noch größer geworden ist."

Die Corona-Krise hat der Betrieb bisher gut überstand; doch in Serbien steigen die Zahlen wieder; am Sonntag fanden Parlamentswahlen statt; ob die Wahl zu weiteren Neuinfektionen führen wird, ist derzeit ebenso offen wie die Folgen für der Corona-Krise für die serbische Wirtschaft insgesamt.

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