Vucic kritisiert Opposition und EU
In Serbien droht die Regierung der Opposition mit Neuwahlen; Anlass dafür sind die Ausschreitungen bei Demonstrationen vor zehn Tagen im Zentrum von Belgrad. Damals drangen Demonstranten in die Redaktion des serbischen Staatsfernsehens ein und blockierten den Amtssitz von Präsident Alexander Vucic. Er ist nach wie vor der populärste Politiker in Serbien und hätte Neuwahlen wohl nicht zu fürchten. Gestern tagte seine Partei SNS; ihre Parteileitung war einstimmig für Neuwahlen, Vucic selbst enthielt sich der Stimme. Er will sich noch die Tür zu weiteren Verhandlungen mit dem Kosovo offen halten und auch mögliche große ausländische Investitionen in Serbien nicht gefährden. Die Oppisition wirft Vucic vor, die Medienfreiheit massiv einzuschränken und droht mit einem Boykott der Wahl, die bereits im Juni stattfinden könnten. In einem Exklusiv-Interview für den ORF weist Vucic diese Vorwürfe zurück und kritisiert die Opposition aber auch die fehlende klare EU-Beitrittsperspektive:
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Belgrad
Inserts: Alexander Vucic Serbischer Präsident
Gesamtlänge: 3’09
In Serbien sinkt die Arbeitslosigkeit und steigen die Löhne; doch vielen Serben geht die Besserung der Lage nicht rasch genug, daher ist die Unzufriedenheit groß. Sie äußert sich auch in den Demonstrationen, die schon fünf Monate andauern. Doch der Opposition fehlen eine klare gemeinsame Linie und ein Politiker mit Charisma. Auch davon profitiert bisher der serbische Präsident:
AV: Jeder hat das Recht, zu demonstrieren, aber nur gewaltlos. Meine Aufgabe als Präsident ist es, mit jenen zu sprechen, die die Stimmen der Bevölkerung bekommen haben und die Regierung bilden werden. Welche Ideen haben denn diese Oppositionellen? Gar keine! Sie sind nur gegen alles, was wir vorschlagen. Ich bin nicht der Präsident dieser kleinen Gruppe, die nur Lärm macht, und nichts anderes.“
Nicht nur die Opposition wirft Vucic vor, die Medien unter Druck zu setzen; auch internationale Nicht-Regierungsorganisationen kritisieren die Lage. In der Rangliste der „Reporter ohne Grenzen“ fiel Serbien binnen Jahresfrist um zehn Plätze zurück; als nur mehr teilweise frei bewertet Freedom House die serbischen Medien:
AV: „Ich habe nicht diesen Eindruck, doch ich bin bereit darüber zu reden. Aber gibt es jemanden, der in den Medien stärker angegriffen wird als ich? Dazu zählen die wichtigsten Zeitungen, hinzukommen zwei TV-Sender, in denen rund um die Uhr eine Kampagne gegen mich geführt wird. Wichtiger wären eine geringere weniger Polarisierung und größere Objektivität.“
Mediale Entspannung ist ebenso wenig in Sicht wie ein Bekenntnis zu den Fehlern der eigenen politischen Elite. Vor 20 Jahren führte die NATO den Krieg um den Kosovo; alle Medien waren voll von Beiträgen über die Opfer und den Heldenmut der Soldaten. Kaum ein Wort fiel über die katastrophale Politik von Slobodan Milosevic, die den Weg zu diesem Krieg ebnete:
AV: Erstens gibt es nichts, was diese Aggression der NATO rechtfertigen kann. Doch besteht kein Zweifel, dass auch wir nicht immer die richtige und beste Wahl getroffen haben. Als serbischer Präsident bemühe ich mich, dass Serbien niemals wieder in eine derartige Lage kommt, das ist alles, was ich dazu sagen kann.“
20 Jahre später verhandelt Serbien über seinen EU-Beitritt; der allerdings noch politische Lichtjahre entfernt ist.
„In Belgrad war jüngst die Staatsekretärin des französischen Außenministeriums. Sie sagte, in der EU herrsche Skepsis gegen die Erweiterung, daher sei es schwierig, einen Beitritt in absehbarer Zeit zu erwarten. Was erwartet man dann von Serbien? Glaubt man, dass die Serben mit Begeisterung sagen werden, danke, dass ihr uns nicht wollt?! Nein, die Serben werden sagen, wir haben auch anderswo Freunde; darüber darf man sich nicht ärgern.“
Dazu zählt Wladimir Putin, der im Jänner wieder in Belgrad war. Der Einfluss Russlands und Chinas in Serbien wird immer größer, je länger eine klare EU-Beitrittsperspektive auf sich warten lässt.