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Fehlt Geschäftsgrundlage für die Normalisierung Kosovo Serbien?

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Berichte Serbien

Von der Normalisierung der Beziehungen zum Handelskrieg – das ist der enttäuschende Weg, den Serbien und der Kosovo in den vergangenen fünf Jahren zurückgelegt haben. Als Belgrad und Pristina im April 2013 in Brüssel eine Vereinbarung über die Normalisierung ihrer Beziehungen unterzeichneten, herrschte Optimismus in Brüssel und am Balkan, der zunächst auch durch viele bilaterale Vereinbarungen bestätigt wurde. Doch seit mehr zwei Jahren herrscht nun bereits Stillstand bei den Gesprächen zwischen den Serben und den Kosovo-Albanern. Erschwert wird diese Normalisierung nun durch den Handelskrieg, der seit November nun herrscht und vom Kosovo mit 100 prozentigen Strafzöllen auf serbische Waren begonnen wurde. Die Regierung des Kosovo reagierte damit auf die gescheiterte Aufnahme in die Polizeibehörde INTERPOL; gegen diese Mitgliedschaft war Serbien, das dabei auch auf die Unterstützung vor allem durch Russland und China zählen konnte. Über die Hintergründe der stagnierenden Normalisierung zwischen Serbien und dem Kosovo berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

15 Punkte umfasst die Vereinbarung von Brüssel zwischen Belgrad und Pristina vom April 2013. Tatsächlich konnten viele dieser Punkte bis Mitte 2015 durch etwa 30 Abkommen über technische Fragen umgesetzt, die auch den Telefonverkehr zwischen Serbien und dem Kosovo normalisierten und für die Bürger billiger machten. Nicht verwirklicht wurden aber zwei wichtige Punkte. Dazu zählt erstens der Verband der serbischen Gemeinden im Kosovo, den das Parlament in Pristina nach wie vor nicht beschlossen hat. In Belgrad sorgte und sorgt das für massive Verstimmung. Andererseits und zweitens wirft Pristina Belgrad vor, die EU-Annäherung des Kosovo und die Visaliberalisierung zu hintertreiben; ein Vorwurf, den Belgrad zurückweist. Tatsache ist aber, dass Serbien weltweit bemüht ist, internationale Anerkennungen des Kosovo zu unterbinden. Diese Vorgangsweise widerspricht zwar nicht dem Wortlaut des Brüsseler Abkommens, wahrscheinlich aber seiner Grundidee, die sich am Modell der Koexistenz der beiden deutschen Staaten orientierte. Dazu sagt in Belgrad der Politologe Dusan Janic:

"Der mögliche Kompromiss, zu dem sich Serbien auch verpflichtet hat, ist die Vereinbarung von Brüssel vom April 2013. Das ist die Normalisierung nach dem Modell der zwei deutschen Staaten. Das ist das Wesen des Kompromisses, nicht eine Neuordnung eines Meters des Staatsgebietes. Das ist die nicht vollständige Anerkennung des Kosovo, die Akzeptanz der Existenz des anderen Staates, der Verzicht auf Aktivitäten gegen die Anerkennung durch Dritt-Staaten, statt Botschafter Verbindungsbeamte mit stärkeren Zuständigkeiten auch für konsularische Fragen, und schließlich die Bestätigung der bestehenden Grenzen nach denen auch Kroatien und Montenegro der NATO beigetreten sind. Das ist dann ein breiter Rahmen, der die Möglichkeit für eine dauerhafte Regelung der Beziehungen bildet."

Fraglich ist, ob diese Geschäftsgrundlage des Abkommens wieder zum Leben erweckt werden kann. Einerseits ist die EU seit 2013 durch den Brexit außenpolitisch eher schwächer geworden, andererseits liegt die EU-Mitgliedschaft selbst für Serbien in weiter Ferne, das nicht nur auf Russland zählen kann, sondern politisch und wirtschaftlich mit China einen starken Fürsprecher hat. Hinzu kommt das fehlende Grundvertrauen zwischen Serben und Albanern. Vordringlich ist daher, einen Ausweg aus dem Handelskrieg zu finden, und die Lage in den kompakten Siedlungsgebieten der Serben im Nord-Kosovo und der Albaner in Südserbien unter Kontrolle zu halten. Echte Fortschritte bei der Normalisierung der Beziehungen sind in den kommenden Monaten jedenfalls sehr unwahrscheinlich.

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