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Abnehmende Medienfreiheit in Serbien

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Berichte Serbien
Am Balkan ist die Medienfreiheit offensichtlich wieder stärker bedroht. Das zeigt etwa eine Rangliste der Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Unter 180 Staaten liegt das NATO-Mitglied Montenegro nur auf Platz 106; deutlich verschlechtert haben sich die Länder Kroatien und Serbien. Gegenüber dem Vorjahr fiel Kroatien um 11 Plätze auf Platz 74 zurück; Serbien verschlechterte sich um sieben Plätze und liegt jetzt auf Rang 66. Vor allem in Serbien regt sich aber auch Widerstand gegen den wachsenden Einfluss von Präsident Alexander Vucic auf führende serbische Medien. So kam es nach seiner Wahl zum Präsidenten heuer im Frühling zu wochenlangen Protesten und Vertreter von Journalisten präsentierten Ministerpräsident Ana Brnabic im November einen Forderungskatalog, in dem auch eine transparente Eigentümerstruktur bei wichtigen Medien gefordert wird. Bei dem Gespräch dabei war unter anderem auch die Tamara Skrozza, eine erklärte Kritikerin der Mediensituation in Serbien; mit ihr hat in Belgrad Christian Wehrschütz über die Medienfreiheit gesprochen; hier sein Bericht:  

Auf den ersten Blick hat das sieben Millionen Einwohner zählende Serbien viel zu viele Medien für diesen kleinen Markt; registriert sind fast 350 Zeitungen und Zeitschiften, mehr als 200 Radiosender und mehr als 150 Fernsehsender, vor allem auf lokaler Ebene. Doch viele dieser Medien bestehen eigentlich nur auf dem Papier und dienen möglicherweise auch dem Mißbrauch staatlicher Förderungen. Wirklich einflussreich sind nur eine Handvoll TV-Sender und Tageszeitungen; gerade auf sie sei der politische Einfluss besonders groß, sagt die Journalistisch Tamara Skrozza, die unter anderem für die Wochenzeitung Vreme schreibt: „Der größte Teil der wichtigsten Medien ist unter direkter Kontrolle der Regierung, entweder wirtschaftlich oder vom Eigentum her. Diese Medien besitzen entweder enge Freunde hoher staatlicher Funktioniere oder es sind Personen, die bei staatlichen Ausschreibungen Medien bekommen haben. Es gibt nur wenige Medien, die kritisch berichten, und viele davon stehen am Rande des Ruins. In diesen Medien inserieren weder private noch staatliche Firmen. Wenn man einen kritische Text über die Regierung veröffentlicht, wird man für die nächste Ausgabe keine Inserate mehr bekommen.“Hinzu kommt der in Serbien weit verbreitete Kampagnen-Journalismus in Boulevard-Medien, vor allem in einigen Tageszeitungen; sie sind regierungsnah und werden offensichtlich dazu genutzt, Kritiker als Vaterlandsverräter und Söldner im Dienste vor allem von USA und EU darzustellen. Doch auch in führenden TV-Sendern lässt kritische Berichterstattung zu wünschen übrig; dazu sagt Tamara Skrozza: „Kein TV-Sender mit nationaler Frequenz strahlt objektive und unparteiische Sendungen aus. Jedes Monitoring und jede Statistik zeigen dass all diese Sender offen für die Regierung sind. Der einzige TV-Kanal, der eine Ausnahme bildet, ist N1, wo wir als Kritiker der Regierung auch Zugang haben. Doch N1 ist nur über Kabel zu empfangen.“ Das stimmt zwar, doch N1 wird über das größte Kabelnetz an prominenter Stelle platziert ausgestrahlt; hinzu kommen die Sozialen Netzwerke und die Tatsache, dass es formell natürlich keine Zensur gibt, wohl aber Autozensur durch Journalisten, deren materielle Lage in Serbien sehr schlecht ist, wie Tamara Skrozza ebenfalls weiß: „Die Journalisten werden hier sehr schlecht bezahlt; ich selbst arbeite 20 Jahre als Journalistin, bin bekannt, muss aber für mehrere Medien arbeiten, um überleben zu können. Hinzu kommt noch, dass ich alleinerziehende Mutter bin. Doch ich habe wenigsten all diese Medien. Viele Journalisten müssen nebenbei noch in artfremden Berufen arbeiten, um sich über Wasser halten zu können. Das ist ein großes Problem, wobei das noch viel größere Problem darin liegt, dass man derart arme Journalisten leicht korrumpieren und zur Selbstzensur veranlassen kann.“ Mitschuld am enormen Einfluss von Staatspräsident Alexander Vucic auf die Medien sei aber auch die EU, kritisierte Tamara Skrozza „Die EU und die internationale Gemeinschaft applaudieren Präsident Alexander Vucic für seine angeblichen wirtschaftlichen Erfolge, klopfen ihm auf die Schulter und sehen in Vucic einen Garanten für die Stabilität am Balkan. Doch die EU vergisst eine grundlegende Tatsache, dass es ohne Demokratie keine Stabilität gibt, doch Demokratie gibt es nicht ohne einen Rechtsstaat und die Freiheit des Wortes. Hinzu kommt, dass die EU mit ihrem Verhalten gegenüber Vucic und seinen Kritikern jene Werte missachtet, auf denen die EU gründet, und das ist die Herrschaft des Rechts.“               Das gelte nicht für die Belgrader Büros der EU wohl aber für Brüssel und viele führende Politiker aus der EU; sie würden Vucic als proeuropäischen Garanten für die Stabilität des Balkan betrachten und jene Journalisten im Regen stehen lassen, die tagtäglich für mehr mediale Freiheit kämpfen müssten, betont Tamara Skrozza.    
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