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Serbien vor der Wahl

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Berichte Serbien
In Serbien finden morgen vorgezogene Parlamentswahlen statt. Gewählt werden außerdem die Gemeinden mit Ausnahme Belgrads und das Regionalparlament der Vojvodina. Um die 6,7 Millionen Stimmberechtigten werben 20 Listen mit insgesamt etwa 50 Parteien. Eine realistische Chance die fünf-Prozent-Sperrklausel zu überspringen haben sieben Listen, doch nur zwei liegen in Umfragen klar über dieser Marke. Es sind dies die Fortschrittspartei von Ministerpräsident Alexander Vucic und sein bisheriger Koalitionspartner, die Sozialisten von Außenminister Ivica Dacic. Während Dacic etwas mehr als 10 Prozent vorausgesagt werden, dürfte Vucic auf 50 Prozent der Stimmen kommen; die absolute Mandatsmehrheit dürfte ihm somit sicher sein. Um sie auch in den kommenden vier Jahren, den entscheidenden Jahren der Verhandlungen über den EU-Beitritt Serbiens behaupten zu können, hat Vucic auch nach nur zwei Jahren das Parlament aufgelöst. Den Wahlkampf dominierte er in allen Bereichen, berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Figaro hier - Figaro da – Vucic hier –Vucic da; in Serbien war es in diesen Tagen fast unmöglich, der Wahlwerbung des serbischen Ministerpräsidenten zu entkommen. Vom Spot im Frühfernsehen bis zur Werbeunterbrechung beim Mitternachtskrimi auf serbischen Kanälen, von Inseraten in Zeitungen bis hin zu Plakaten auf den Straßen – omnipräsent waren Vucic und eine Wahlkampfmotto: „Wähl‘ die Zukunft“. In seinen Reden schwor der 46-jährige Ministerpräsident seine Landsleute auf schwierige Zeiten und Reformen ein; Alexander Vucic:

„Ich sage nicht, dass Milch und Honig fließen werden, wenn wir euer Vertrauen bekommen. Aber ich verspreche euch, dass wir in vier Jahren den Anschluss an Europa finden und dass dann Pensionen und Löhne viel höhere sein werden. Dafür müssen wir noch viel mehr arbeiten als bisher. Denn vom Himmel fällt uns nichts in den Schoß.“

Auch nicht ein Wahlsieg; daher waren auch Grundsteinlegungen und die Eröffnungen neuer Fabriken in ihrer Häufigkeit im Monat April wohl kein Zufall. Punkten konnte Vucic etwa mit dem Verkauf des Stahlwerks in Smederevo an einen chinesischen Investor; 5000 Mitarbeiter und eine Kleinstadt haben nun wieder eine einigermaßen gesicherte Zukunft. Zwar erhielt so mancher ausländischer Investor hohe staatliche Subventionen für Arbeitsplätze, trotzdem steht Serbien wirtschaftlich auf den ersten Blick gar nicht so schlecht da. Die Arbeitslosenrate beträgt 16 Prozent, ist aber in den vergangenen Jahren leicht gesunken; hoch ist aber die Staatsverschuldung mit 85 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Schuldig blieb Vucic aber bisher umfassende Strukturreformen, von der Justiz bis zum öffentlichen Sektor; Vucic habe offensichtlich einen Verlust seiner Popularität befürchtet, betont Vladimir Gligorow, vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche:

„Hätte die Regierung beispielsweise die Telekom zu privatisieren versucht, wäre es sehr wahrscheinlich gewesen, dass sich ein massiver Widerstand dagegen geregt hätte. Dasselbe gilt für Reformen bei Gesundheit, E-Wirtschaft oder Bildung, wo es immer wieder Lehrerstreiks gab. Hinzu kommt, dass bereits die Kürzung von Pensionen und Löhnen unpopulär war.“

Diese Versäumnisse spielten im Wahlkampf aber keine Rolle; wieder einmal fehlten konkrete Themen aber auch ernstzunehmende Konkurrenten, um Alexander Vucic herausfordern zu können, analysiert in Belgrad der Politologe Zoran Stojilkovic die Wahlkampagne:

„Es gab leere Versprechungen zu höheren Pensionen und Löhnen, doch es fehlte jede Angabe, wann das sein und wie das finanziert werden soll. Andererseits herrschte im Wahlkampf auch keine mediale Gleichberechtigung zwischen Regierung und Opposition, die selbst kaum Geld für einen Wahlkampf hatte, denn sie ersten in den letzten Tagen vor der Wahl wirklich führte. Sie wurde ja nur ausgeschrieben, damit sich die Regierung ein Mandat für weitere vier Jahre sichern kann.“

Außerdem hofft Vucic, die Führung in der Provinz Vojvodina zu übernehmen; sie ist noch die letzte Bastion der DS, der Demokratischen Partei, die am 5. Oktober 2000 den Autokraten Slobodan Milosevic stürzte und unter Zoran Djindjic die Herkules-Aufgabe der Erneuerung Serbiens begann. Djindijc fiel im März 2003 einem Attentat zum Opfer; seine Nachfolger verspielten in den kommenden neun Jahren sein politisches Erbe durch das Kokettieren mit dem Nationalismus und durch Korruption. Die DS spaltete sich mehrfach; sie und zwei Abspaltungen liegen an der Fünf-Prozent-Hürde. Diese Sperrklause überspringen dürften zwei ultranationalistische Bewegungen, die gegen die EU und für eine enge Bindung Serbiens an Russland sind. Gute Beziehungen zu Moskau werden auch Außenminister Ivica Dacic nachgesagt; seine Sozialisten könnten mehr als zehn Prozent der Stimmen erzielen. Ob Dacic weiter in der Regierung bleibt, hängt vom Wahlausgang und von Alexander Vucic ab, der jüngst eine Fortsetzung der Koalition jedenfalls in Frage gestellt hat.

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