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Serbien und die Völkerwanderung

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Berichte Serbien
Der andauernde Flüchtlingsstrom aus dem EU-Mitglied Griechenland stellt die Balkan-Staaten Mazedonien und Serbien vor enorme Herausforderungen. Allein am Montag kamen 7.000 Flüchtlinge nach Mazedonien, 2.500 kamen heute nach Serbien, das bereits 120.000 Flüchtlinge registriert hat, während das UNHCR davon ausgeht, dass weitere 100.000 ohne Registrierung durch Serbien gezogen sind. Die serbische Bevölkerung reagiert auf diesen Massenansturm mit gemischten Gefühlen; einerseits ist die Hilfsbereitschaft groß, wobei auch Taxi und Busunternehmer sehr gut an den Flüchtlingen verdienen. Anderseits klagen die Bauern in den Grenzgemeinden zu Ungarn über beträchtliche Schäden, und auch die enormen Mengen an Müll sind für viele Bewohner ein Ärgernis und für die Gemeinden eine große finanzielle Belastung. Aus Serbien berichtet Christian Wehrschütz:

Die Ortschaft Horgos liegt nur etwa drei Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt. Die Eisenbahnlinie beim Ortsrand ist der Wegweiser für die Masse der Flüchtlinge auf dem Weg über die grüne Grenze nach Ungarn. Horgos ist eine kleine gepflegte Ortschaft mit etwa 5.700 Einwohnern, vorwiegend Ungarn. Seit Wochen kommen noch täglich bis zu 3.500 Flüchtlinge hinzu. Während die lokalen Taxifahrer das Geschäft ihres Lebens machen, klagen die Bauern über beträchtliche Schäden in ihren Obstgärten und Feldern. Hinzu kommen die Müllberge, von der Plastikflasche bis hin zu Fäkalien, auch weil mobile Toiletten fehlen. Die Herausforderung schildert Istvan Backulin, der Bürgermeister der Ortschaft Horgos:

„Unser Jahresbudget beträgt nur 100.000 Euro. Die Regierung hat uns zwar Hilfe versprochen, doch bekommen haben wir nur vier Gemeindebedienstete, die den Müll wegräumen. Mit ihnen können wir maximal 2.000 Quadratmeter säubern, während die Migranten pro Tag bis zu fünf Kubikmeter Müll produzieren.“

Der Massenansturm zeigt sich auch beim Bahnhof in Belgrad, einer Zwischenstation auf dem Weg nach Norden. Die Mehrheit hier stammt aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Pakistan, Eritrea und Somalia. Im nur wenige hundert Meter entfernten Informationszentrum erhalten die Flüchtlinge Hilfe und Beratung. Dazu zählen Angaben über vertretbare Taxikosten und über den Dinar-Kurs, um die Möglichkeit des Betrugs einzudämmen. Gegründet wurde das Zentrum auf Initiative des Bezirksvorstehers des Belgrader Bezirks Savski Venac, Nenad Konstantinovic. Zu diesem Innenstadtbezirk zählt nicht nur der Park, auf dem Flüchtlinge kampieren, weil es im Raum Belgrad noch kein Auffanglager gibt. Zum Massenansturm sagt Nenad Konstantinovic:

„Viele leben gar nicht im Park; wir haben in der Innenstadt etwa 350 legale und illegale Herbergen, wo die Flüchtlinge übernachten. Hauptsächlich sind das Angehörige der Mittelschicht, die nicht völlig mittellos sind. Sie bekommen auch Geld über Western Union von ihren Verwandten, die bereits in Westeuropa leben.“

Bemüht sei das Zentrum auch, Spannungen mit den Belgradern abzubauen, betont Nenad Konstantinovic:

„Wir geben eine Hausordnung auf Arabisch, Urdu und Farsi heraus, die in den Häusern angeschlagen wird. Die Flüchtlinge sollen wissen, wie sie sich zu benehmen haben; dass sie nicht im Stiegenhaus sitzen, keine Zigarettenkippen und Müll wegwerfen, damit unsere Mitbürger ein normales Leben haben.“

Finanziert wird das Zentrum durch Hilfsorganisationen. Serbien hat selbst große soziale Probleme und braucht dringend Finanzhilfe aus der EU. Doch bisher floß nur eine Million Euro; das sei eine vernachlässigbare Summe, kritisiert der Staatssekretär im serbischen Sozialministerium, Nenad Ivanisevic

„Bei einem Zustrom von 1000 Personen pro Tag betragen unsere Kosten etwa 15.000 Euro pro Tag. Je mehr kommen, desto höher die Kosten. Bisher haben wir mehr als fünf Millionen Euro aus dem serbischen Budget ausgegeben.“

Doch ein Ende des Flüchtlingsstroms ist nicht in Sicht; und unklar ist auch, welche Folgen es für Serbien haben kann, sollte Ungarn wirklich versuchen, seine Grenze in den kommenden Wochen und Monaten dicht zu machen.

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