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Ist Serbien reif für die EU?

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Berichte Serbien
Ist Serbien reif für die EU? Die Antwort auf diese Frage lautet derzeit schlicht und ergreifend NEIN. Doch jenseits der Frage, wann ein Land überhaupt EU-reif ist, und ob diese von Beitrittsrunde zu Beitrittsrunde immer strenger werdenden Kriterien auch Griechenland und andere südosteuropäische EU-Mitglieder erfüllen, stellt sich diese Frage im Falle Serbiens derzeit nicht. Denn für Serbien geht es nicht um den Beitritt, sondern um ein Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Die Aufnahme von Beitrittsgesprächen befürwortet die EU-Kommission in ihrem Ende April veröffentlichten Bericht eindeutig, und zwar mit Recht. In ihrer Begründung stützt sich die Kommission dabei auf zwei Kriterien: auf die Erfüllung politischer Bedingungen und die Bewertung der Reformen in Serbien selbst. Dabei würdigt die Kommission die Anstrengungen beim Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität, bei der Reform der Justiz und beim Aufbau einer transparenteren Gesetzgebung etwa im Beschaffungswesen, das die Korruption im Bereich der öffentlichen Verwaltung eindämmen soll.

Auf all diesen Gebieten hat die seit acht Monaten amtierende Koalitionsregierung einiges geleistet. Gemessen werden wird die Regierung schließlich daran, ob sie das politische System Serbiens in all seinen Strukturen modernisiert hat oder nicht. Doch Serbien stehen noch mindestens fünf Jahre bevor, sollten die 27 EU-Staaten im Juni grünes Licht für den Beginn von Verhandlungen geben. Somit hat Serbien genügend Zeit, um EU-reif zu werden, und Kommission und alle dann 28 Mitglieder heben genügend Möglichkeiten, die Gespräche zu unterbrechen, sollten Serbien nicht auf EU-Kurs bleiben.

Politisch hat Serbien diesen EU-Kurs klar eingeschlagen, und zwar mit der Vereinbarung, die Mitte April die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo einläutete. Im Gegenzug für massive Autonomierechte der Serben, die den Nord-Kosovo dominieren, akzeptierte Serbien die schrittweise Integration des Gebiets in die kosovarische Rechtsordnung. Das war und ist ein politischer Kraftakt, der noch viele Anstrengungen von den Spitzenpolitikern in Belgrad erfordern wird, weil die Führer der vier Serben-Gemeinden im Nord-Kosovo weiter gegen diese Vereinbarung sind. Hinzu kommt, dass von der Normalisierung die albanische Mehrheit des Kosovo zunächst sichtbarer profitiert als die Bevölkerung in Serbien; für sie sind die Segnungen der EU weit weg, die durch ihre Krise in der Euro-Zone zustätzlich an Attraktivität verloren hat. Außerdem ist in Serbien der Eindruck weit verbreitet, dass die EU Serbien eigentlich nicht will, und nach jeder erfüllten Forderung (Stichwort Haager Tribunal) immer neue Hürden aufbaut. Daher sind Beitrittsverhandlungen für die innenpolitische Stärkung der serbischen Führung so wichtig, die jüngst nicht nur gegenüber dem Kosovo, sondern auch gegenüber anderen Nachbarn klare Signale der Aussöhnung setzt.

Serbien und der gesamte Balkan leiden massiv unter hausgemachten wirtschaftlichen und sozialen Problemen aber auch unter der Krise der EU, die zu einem spürbaren Rückgang ausländischer Investitionen geführt hat. So liegt die Arbeitslosenrate in Kroatien bei 14 Prozent und in Serbien sogar bei fast 24 Prozent. Jenseits innerer Reformen kann die Modernisierung des europäischen Hinterhofs nur durch die EU kommen, die für diese Staaten noch immer genügend Anreize bietet, um schmerzliche Kompromisse und Reformen auf sich zu nehmen. Im Juni werden die 27-EU-Staaten hoffentlich beweisen, dass sie selbst ebenfalls in der Lage sind, strategische Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie daheim unpopulär sein mögen. Dazu zählen Beitrittsverhandlungen mit Serbien, das dann wohl unumkehrbar seinen Weg hin zu einer westlichen Gesellschaftsordnung wird einschlagen und die Ära des Autokraten Slobodan Milosevic wird hinter sich lassen können. Diese historische Chance zur Befriedung des Balkan und zur Stärkung des Friedens in Europa darf die EU nicht verspielen.

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