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Vom „Totengräber“ zum Staatspräsidenten

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Der 60-jährige Tomislav Nikolic zählt zum politischen Urgestein in Serbien. Er war Mitbegründer der ultranationalistischen Radikalen Partei und in der Ära von Slobodan Milosevic stellvertretender Regierungschef in Serbien. Als sich der Vorsitzende der Radikalen Partei, Vojislav Seselj, im Februar 2003 dem Haager Tribunal stellte, wurde Nikolic geschäftsführender Vorsitzender. Schrittweise versuchte er die Radikalen zu einer sozialen Protestbewegung zu machen und zu mäßigen. Doch Seseljs langer Schatten ließ sich nicht abschütteln und daran scheiterte Nikolic knapp bei der Präsidentenwahl gegen Boris Tadic im Jahre 2008. Im selben Jahr führte der Konflikt über die EU-Haltung zum Bruch mit dem noch immer in einer Haager Zelle sitzenden Seselj und Nikolic gründete die Fortschrittspartei. Sie soll eine Mitte-Rechtspartei mit klarem Bekenntnis zur EU sein und Mitglied der Gruppe der Europäischen Volksparteien werden. Dieses Bekenntnis formuliert Tomislav Nikolic so:

„Ich akzeptiere europäische Werte als die meinen; das heißt, ich möchte dass unser Land so geordnet ist wie Deutschland oder Österreich. Das gilt vom Rechtssystem über das Gesundheitswesen bis hin zum Wirtschaftssystem. Das gilt natürlich vor allem auch für den Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Ich möchte, dass wir in der EU sein werden, doch viele Bedingungen haben wir nur deklarativ erfüllt aber noch nicht umgesetzt. Doch das will ich, damit wir beitreten können. Die EU und Serbien haben heute ganz klare Verhältnisse für Verhandlungen; denn man weiß, dass ein Machtwechsel die Haltung Serbiens zur EU-Integration nicht ändern wird.“

Bereits ist der ehemalige Großserbische Ultranationalist nun auch zu guten Beziehungen mit allen Nachbarstaaten. Tomislav Nikolic ist verheiratet, Vater zweier Söhne und fünffacher Großvater. Geboren wurde er im Februar 1952 in der zentralserbischen Stadt Kragujevac geboren. Nach Abschluss der mittleren technischen Schule arbeitete er in einer Baufirma und war später für die Gemeindebetriebe und damit auch für die städtische Bestattung zuständig. Das brachte ihm den Spitznamen Grobar, zu Deutsch „Totengräber“ ein. Nikolic wirkt weder attraktiv noch charismatisch, dafür aber bodenständig und bedächtig. Seine Sieg bei der Wahl bezeichnete er als Höhepunkt seiner politischen Karriere. Nikolic verdient trotz seiner Vergangenheit einen (kritischen) Vertrauensvorschuss. Bei der weiteren Normalisierung des politischen Lebens in Serbien hat er bisher eine konstruktive Rolle gespielt, und zu einem Klima der Zusammenarbeit kann Nikolic nun ebenfalls beitragen, obwohl der serbische Präsident vorwiegend protokollarische Funktionen ausübt und die wahre Macht bei der Regierung liegt, die wohl weiter von der Partei des abgewählten Staatspräsidenten Boris Tadic und von den Sozialisten dominiert werden wird.

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