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Nikolic oder Tadic – ein Zweikampf mit allen Mitteln

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien


In Serbien werden am kommenden Sonntag die politischen Karten völlig neu gemischt. Gewählt werden der Präsident, das Parlament, das Parlament der Autonomen Provinz Vojvodina und die Gemeinden inklusive der Hauptstadt Belgrad. Um das Amt des Staatspräsidenten bewerben sich 12 Kandidaten, zur Parlamentswahl treten 18 Listen an. Trotz aller Vielfalt ist der Wahlkampf eine Konfrontation alter Konkurrenten, die um sich und ihre Kernparteien Wahlbündnisses gebildet haben. Auf der einen Seite steht Staatspräsident Boris Tadic; seine an sich bürgerliche, aber formell sozialdemokratisch orientierte Demokratische Partei (DS) dominierte bisher nicht nur die Regierung, die zum ersten Mal seit dem Jahre 2000 volle vier Jahre durchgehalten hat, sondern ist auch in der Vojvodina und in Belgrad an der Macht. Tadics Herausforderer auf allen Ebenen heißt Tomislav Nikolic. Er brach 2008 mit den Ultranationalisten und gründete die Serbische Fortschrittspartei (SNS). Sie will eine Mitte-Rechts-Partei sein, hat sich mit dem Haager Tribunal abgefunden und bekennt sich zur EU-Mitgliedschaft Serbiens.

„Ein anständiges und erfolgreiches Serbien“ lautet Nikolics Wahlkampfmotto. Nikolic wirbt für eine Wende, für eine bessere wirtschaftliche und soziale Lage der Masse der Bevölkerung, für einen glaubwürdigen Kampf gegen Korruption und Kriminalität, während die Regierung und Tadic als korrupte Versager dargestellt werden. Ein Wunsch nach Neuem ist in Serbien stark verbreitet, doch Nikolic und Co. sind schon selbst so lange in der Politik, dass sie diesen Wunsch nicht symbolisieren; außerdem hat Nikolic Koalitionspartner, die alles andere als saubere Hände haben. Andererseits sind die triste soziale Lage, versäumte Reformen etwa in der Justiz tatsächlich der größte Stolperstein für einen neuerlichen Sieg von Tadic bei der Präsidentenwahl und für die DS bei der Wahl zum Parlament. Statt der im Wahlkampf vor vier Jahren versprochenen zusätzlichen 200.000 Arbeitsplätze gingen in Serbien offiziell 250.000 Arbeitsplätze verloren; rechnet man Landwirtschaft und Schattenwirtschaft dazu, dürften es sogar etwa 400.000 sein; die Arbeitslosenrate stieg von 15 auf 24 Prozent.

Um diesen Nachteil auszugleichen haben Tadics Wahlkampfstrategen aus den USA drei Schwerpunkte gewählt. Unter dem Motto „Für eine sichere Zukunft“ wird Tadic als Garant für eine sichere Entwicklung Richtung EU-Mitgliedschaft präsentiert, hat Serbien doch knapp vor der Wahl von Brüssel den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Gleichzeitig wird Tomislav Nikolic als Wendehals dargestellt, umgeben von korrupten Partnern, dessen Pro-EU-Haltung nicht zu trauen sei. Drittens wird jeder neue Investor medial enorm aufgeblasen, auch wenn der Bau der neuen Fabrik erst im kommenden Jahr zu erwarten ist. Tadic und Co. Nutzen dabei ihre beinahe völlige Dominanz in den Medien. Lässt man den Angstfaktor der Ära von Slobodan Milosevic beiseite, muss man leider feststellen, dass es Nikolic medial dieses Mal schwerer hat als die demokratische Opposition im Jahre 2000, die damals die lokalen Medien und die Zeitungen auf ihrer Seite hatte.

Je nach Umfragen liegen beide Parteien relativ knapp über oder unter der 30 Prozentmarke. Ähnliche Werte gibt es auch für Tadic und Nikolic bei der Präsidentenwahl wobei je nach Institut Tadic oder Nikolic vorne liegt. Doch die SNS hat das kleinere Potential an Koalitionspartnern hat, weil Nationalisten und Ultranationalisten wegen ihrem Nein zur EU kaum Partner sein können. Da eine große Koalition mit der DS praktisch ausgeschlossen ist, bleiben somit für die SNS eigentlich nur die Sozialisten.

Die Sozialisten (SPS) waren bereits vor vier Jahren das Zünglein an der Waage. Nach dem Sturz von Slobodan Milosevic im Oktober 2000 schien ihr totaler Bedeutungsverlust kaum mehr zu stoppen. Doch der ehemalige SPS-Pressesprecher unter Milosevic, Ivica Dacic übernahm ihm Dezember 2006 den Vorsitz und begann die Transformation der SPS zu einer Linkspartei mit proeuropäischem Bekenntnis. Gemeinsam mit einer Regional- und der Pensionsistenpartei sitzt die SPS seit vier Jahren in der Regierung und Dacic konnte sich als Innenminister als Kämpfer gegen die Organisierte Kriminalität profilieren. Mit etwa 13 Prozent kann das Bündnis rechnen, ohne das weder SNS noch DS eine Parlamentsmehrheit zustande bringen werden. Dacic will die SPS mit Hilfe der DS in die Sozialistische Internationale führen und kann sich auch gegenüber der DS besser profilieren als mit der SNS, mit der ihn eine ähnliche Wählerschaft verbindet.

Wer mit wem regieren wird, hängt auch von der Wahlbeteiligung ab. Dabei sind Prognosen schwer. Offiziell gibt es in Serbien etwa mehr als sieben Millionen Wähler, real dürfte es unter sechs Millionen sein. So gibt es noch viele Karteileichen, und viele Auslandsserben gehen nicht zur Wahl. Hinzu kommt noch etwa 400.000 Unentschlossene. Das für Serbien Positivste am Wahlkampf ist das, worüber eigentlich nicht gesprochen wird. Der Kosovo ist kaum ein Thema, weil nur Kleinparteien mit Extrempositionen klare Lösungen anbieten, von der Anerkennung der Unabhängigkeit bis zum Nein zur EU. Zweitens ist das Haager Tribunal kein Thema mehr, weil die Zusammenarbeit durch die Auslieferung aller Gesuchten erfolgreich beendet wurde.

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