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Serbien von Mladic zu Tadic

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Der Auftritt von Ratko Mladic heute vor dem Haager Tribunal wird zweifellos ein enormes, mediales doch vielleicht auch nur ein äußerst kurzes Ereignis. Beim ersten Auftritt eines Angeklagten vor den drei Richtern, darunter auch der Deutsche Christoph Flügge, wird zunächst formell noch ein Mal die Identität festgestellt. Dann wird gefragt, ob der Angeklagte die Anklageschrift gelesen und verstanden habe, wobei der vorsitzende Richter, in diesem Fall der Niederländer Alphons Orie, auch anordnen kann, dass die gesamte Anklageschrift verlesen wird. Angeklagt ist der ehemalige General der Armee der bosnischen Serben in 11 Punkten, zwei davon betreffen Völkermord unter anderem auch in der Stadt Srebrenica, wo mehr als 7.000 Bosniaken im Sommer 1995 ermordet wurden.

Nach der Behandlung der Anklageschrift wird Orie Ratko Mladic fragen, ob er sich schuldig oder nicht schuldig bekennt. Ein Schuldeingeständnis ist auszuschließen; möglich ist, dass Mladic wie so mancher andere Angeklagte einen Aufschub von 30 Tagen beantragt, ehe er sich zur Schuldfrage äußern will. Noch hat Mladic keinen Verteidiger ernannt, und interimsmäßig über die Funktion eines Pflichtverteidigers ein Anwalt aus Belgrad aus, der bereits zwei Serben vor dem Tribunal vertreten hat. Ein wesentlicher Punkt wird die Frage sein, ob sich Mladic formell selbst wird verteidigen wollen, eine Möglichkeit von der viele prominente Angeklagte bereits vor ihm Gebrauch gemacht haben. In Wirklichkeit steht natürlich hinter jedem „Selbstverteidiger“ ein ganzes Team an Anwälten, das Unterlagen sichtet und die Prozessstrategie festlegt. Derzeit ist jedenfalls noch nicht abschätzbar, wann die Prozess selbst beginnen wird. Nicht zuletzt wegen des Alters von Ratko Mladic (69) strebt Chefankläger Serge Brammertz ein zügiges Verfahren an. Das zeigt sich daran, dass Brammertz gegen eine Ausdehnung der Anklage von Bosnien auch auf Verbrechen ist, die Mladic in Kroatien zu verantworten haben soll. Auf jeden Fall braucht die Verteidigung Zeit; um sich einzuarbeiten; im Fall des früheren bosnischen Serben-Führers Radovan Karadzic vergingen jedenfalls Zwischen der Verhaftung und dem Beginn der Hauptverhandlung 15 Monate.

Rasche als das Verfahren gegen Ratko Mladic in Den Haag beginnen wird oder gar die Fahndung nach ihm erfolgreich war, will nun Serbien von der EU für diese Tat belohnt werden. Die Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten durch Brüssel mit Jahresende ist weitgehend sicher, wenn Serben bis zum Frühherbst noch einige Reformgesetze beschließt. Dazu zählt etwas das Gesetz zur Parteienfinanzierung, das Gesetz über das Staatseigentum und das Restitutionsgesetz, das auch für die Nachkommen vertriebener Jugoslawien-Deutscher interessant werden könnte.

Doch Staatspräsident Boris Tadic erhoff sich nicht nur den Kandidatenstatus, sondern zu Beginn des kommenden Jahres auch die Bekanntgabe eines Datums für den Beginn von Beitrittsverhandlungen; das heißt somit nicht, dass auch die Verhandlungen selbst bereits zu Jahresbeginn beginnen sollen. Dieser Wunsch wird nicht leicht so leicht zu erfüllen sein; so gilt es einen weniger prominenten Angeklagten noch an das Tribunal auszuliefern und vor allem auch die Niederlande zu überzeugen, dass diese Beschleunigung der EU-Annäherung auch gerechtfertigt ist; dabei geht es auch im den Kampf gegen die Korruption und die Justizreform. Das größte Hindernis auf dem Weg zum Datum für einen Verhandlungsbeginn heißt jedoch Kosovo. Zwar führen Belgrad und Pristina bereits seit Wochen einen Dialog über konkrete technische Fragen, von den Autokennzeichen bis zum Mobilfunkverkehr, doch ein stabiler modus vivendi ist noch nicht in Sicht. Serbien und der Kosovo werden jedoch zu einer Normalisierung finden müssen, wie sie einst auch zwischen der BRD und der DDR geherrscht hat, um auch die größeren EU-Mitglieder davon überzeugen zu können, dass die Zeit reif ist, Serbien ein konkretes Datum für Beitrittsverhandlungen zu nennen.

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