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Die Serben und der IGH und der Kosovo

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Die vier Sonderpolizisten neben der amerikanischen Botschaft im Zentrum von Belgrad hatten in ihrem Fahrzeug gestern einen ruhigen Abend. Extra nach dem Gutachten des IGH zum Kosovo zur Botschaft beordert, war es in den frühen Morgenstunden wieder verschwunden; zum Glück nicht nur für Polizisten, sondern vor allem für die Bewohner der angrenzenden Häuser, die unter der Präsenz des ungeliebten und unfreundlichen Nachbarn schon wiederholt gelitten haben. Das bisher letzte Mal kam es im Frühjahr 2008 nach einer Massendemonstration im Zentrum von Belgrad zu Ausschreitungen. Die US-Botschaft wurde von Randalieren in Brand gesteckt, kein angenehmes Gefühl für Nachbar, aus dem Fenster dieses Spektakel mit verfolgen zu können.

Die Ruhe in der Nacht nach der Veröffentlichung des Gutachtens hat mehrere Gründe. Erstens ist die Tragweite des Dokuments natürlich nicht mit der einseitigen Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo vergleichbar. Zweitens fehlt dieses Mal eine politische Elite, die Fußballrowdys aus ganz Serbien nach Belgrad gekarrt und mit Stadtplänen ausgestattet hätte, auf denen neuralgische Botschaften verzeichnet waren. Genau das geschah unter dem nationalistischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica vor mehr als zwei Jahren. Auf seinen Befehl hin, sollen auch Polizei und Feuerwehr von der Botschaft abgezogen worden sein. Somit zeigt sich, dass der amtierende Präsident Boris Tadic und seine proeuropäische Regierung im Gegensatz zu Kostunica nicht nur rationaler handeln, sondern auch an keine zusätzlichen Belastung der Beziehungen zu den USA und der EU interessiert sind.

Trotzdem haben natürlich der Rationalismus und die Fähigkeit der derzeitigen serbischen Führung zur Realpolitik ihre Grenzen. Die unter beträchtlichem politischen Einfluss leidenden Medien Serbiens titelten daher am Tag nach dem Gutachten: „Schändliches Urteil des IGH, Der Kampf un den Kosovo geht weiter“. Diese Durchhalteparole hatte Boris Tadic verkündet und betont, Serbien werde im September in der UNO neue Verhandlungen zum Status des Kosovo verlangen. Dieses Ziel ist zwar irreal; vielleicht hat sein Festhalten daran aber auch mäßigend auf die Serben im Norden des Kosovo gewirkt, deren radikale Führung Belgrad in den vergangenen Monaten bereits entmachtet hat. Doch das Beharren auf dem Nein zum historischen Kompromiss durch Tadic und Co, entspricht in seiner weltanschaulichen Sturheit wohl auch etwas dem „Volkscharakter“. Wer 500 Jahren türkischen Steuereintreibern nur mit Trotz begegnen konnte, der lässt nicht nur ein Mal historische Chancen verstreichen, zumal unter den Serben – ob berechtigt oder nicht- die Ressentiments gegen Albaner aus dem Kosovo sehr tief verwurzelt sind.

„Inat“ (Trotz) fällt in Serbien sehr oft auf fruchtbaren Boden, obwohl der Mehrheit der Bevölkerung auch nach Umfragen überzeugt ist, dass der Kosovo verloren ist. Trotzdem lassen sich mit dem Thema Kosovo leicht Emotionen schüren; das weiß auch die politische Elite, die daher nicht die Kraft zur Abkehr von einem falschen Kurs aufbringt, zumal die EU Serbien diese Abkehr bisher nicht gerade erleichtert hat. 5 der 22 EU-Länder haben den Kosovo noch nicht anerkannt. Warum sollte Belgrad daher päpstlicher sein als der Papst, noch dazu wenn das verheißene Paradies (Brüssel) noch gute zehn Jahre wohl verschlossen sein dürfte?

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