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Illegaler Organhandel mit gefangenen Serben in Albanien ?

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
Fast zehn Jahre sind seit dem Ende des Kosovo-Krieges vergangen, doch noch immer werden etwa 2.000 Personen vermisst. Dazu zählen 1.500 Albaner und 400 Serbien. In das Schicksal 300 Vermisster, vorwiegend Serben aber auch Roma und einige albanische „Kollaborateure“, könnte nun langsam etwa Licht gebracht werden, obwohl sich ihre Identität wohl kaum feststellen lassen wird. Ausgangspunkt der Spurensuche sind die Erinnerungen von Karla Del Ponte, der langjährigen Chefanklägerin des Haager Tribunals, die Ende 2007 zurücktrat und Botschafterin der Schweiz in Argentinien wurde. In diesem bisher nur auf Italienisch und Kroatisch erschienen Buch („Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher) schildert Del Ponte mögliche Verbrechen die nach Kriegsende im Juni 1999 unter den Augen von NATO und UNO im Kosovo und in Albanien begangen worden sein sollen. Demnach wurden zwischen 100 und 300 Personen aus dem Kosovo nach Nordalbanien verschleppt und im Raum Kukes und Tropoje gefangen gehalten. Jüngere und kräftigere Gefangene sollen in den Raum von Burrell gebracht worden sein, wo sie von Ärzten regelrecht „filetiert“ wurden; ihre Organe wurden dann über den Flughafen von Tirana im Ausland verkauft. Für diese Verbrechen soll die kosovarische Freischärler-Bewegung UCK gemeinsam mit der organisierten Kriminalität in Albanien verantwortlich sein.

Auf die Organentnahme sollen diese Opfer in einem Haus vorbereitet worden sein, dass einen gelben Anstrich hatte. Im Jahre 2004 untersuchten Experten des Haager Tribunals dieses Haus. Dabei wurden in einem Raum an den Wänden Blutspritzer entdeckt, doch bis heute wurde nicht geklärt ob das Blut menschlichen oder tierischen Ursprungs ist. Auch Überreste von Spritzen und medizinischer Ausrüstung sollen gefunden worden sein; doch wie beweiskräftig diese Funde waren, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Gefunden wurden in der Umgebung anonyme Gräber, doch eine Exhumierung scheiterte am Widerstand der Dorfbewohner. Aus Mangel an Beweisen – möglicherweise aber auch aus anderen Gründen – unterblieben weitere Untersuchungen. Diese leitete die serbische Sonderstaatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen nach dem Erscheinen von Del Pontes Buch im April 2008 ein. Nach Angaben der Ermittler aus Belgrad soll die Organentnahme bis März 2001 praktiziert worden sein; die Rede ist von mindestens 70 Opfern, wobei sich im Raum Burell in einem Sumpfgebiet Hinweise auf drei Massengräber finden sollen.

Am Montag traf der serbische Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladmir Vukcevic, schließlich in Tirana mit der albanischen Staatsanwältin Ina Rama zusammen und beantragte die Aufnahme von Ermittlungen. Dieses Ansuchen wurde abgelehnt. Wieder zurück in Belgrad sagte Vuckevic, er sei im Besitz von Geheimdienstinformationen, wonach der frühere UCK-Führer und ehemalige kosovarische Ministerpräsident, Ramush Haradinaj von Albanien verlangt haben soll, alle Beweise für den Organhandel zu vernichten; diese Forderung soll Haradinaj im September in Tirana bei einem Treffen mit Ministerpräsident Sali Berisha erhoben haben. Berisha wies diesen Vorwurf als „eine Lüge und als ein Produkt der kranken Phantasie“ zurück. Unabhängig davon dürften die Hinweise für den Organhandel doch recht gravierend sein; sonst hätte wohl der Europarat nicht einen Berichterstatter zu diesem Thema eingesetzt. Hinzu kommt, dass auch die Organisation Human Rights Watch behauptet, es gebe jedenfalls klare Hinweise darauf, dass Gefangene aus dem Kosovo nach Albanien verschleppt wurden. Was dann geschah ist offen; leichter wären die Ermittlungen jedenfalls, hätte Karla Del Ponte nicht noch volle vier Jahre zugewartet, ehe sie nach ihrem Rücktritt ihr Schweigen brach. Denn das Haus mit dem gelben Anstrich, ist mittlerweile ganz weiß gestrichen, und auch im Haus wurde kräftig umgebaut und neu eingerichtet, so dass die Spurensuche nun um vieles schwerer sein dürfte als noch vor vier Jahren.

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