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Tomislav Nikolic auf dem Weg zum serbischen Sanader?

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
In Serbien hat sich der Bruch zwischen Vojislav Seselj, dem Vorsitzenden der Radikalen Partei, und seinem langjährigen Stellvertreter Tomislav Nikolic seit mehr als einem Jahr abgezeichnet. Gestern wurde er nun vollzogen: Auf Verlangen Seseljs schloss der Parteivorstand Nikolic und weitere 17 Parlamentsabgeordnete aus der Partei aus. Sein Amt als Klubobmann und seine Parteifunktionen hat Nikolic bereits in der Vorwoche zurückgelegt. Anlass für den endgültigen Bruch war die Frage, ob die Radikalen im Parlament dem Vertrag zwischen Belgrad und Brüssel über die EU-Annäherung Serbiens zustimmen sollen oder nicht. Nikolic war nach Absprache mit Seselj dafür, doch zog Seselj seine Zustimmung wieder zurück und vergatterte die Partei auf ein Nein. Diese letzte einer langen Reihe von Demütigungen wollte Nikolic nicht mehr hinzunehmen und zog daher die Reißleine. Mit weiteren 17 Abgeordneten gründete er zunächst einen eigenen Klub, eine eigene Partei wird demnächst folgen.

Während noch offen ist, wie viele Ortgruppen Nikolic folgen werden, ist klar, dass diese Abspaltung die proeuropäische Führung Serbiens weiter stärkt. Statt mit 78 Abgeordneten stärkste Einzelpartei im Parlament mit seinen 250 Sitzen zu sein, haben die Ultranationalisten nur mehr 69 Abgeordnete. Ihre Funktionäre und Wähler sind verunsichert; und eine starke, nationalistische Opposition gemeinsam mit dem früheren Regierungschef Vojislav Kostunica lässt sich nicht mehr bilden. Dafür könnte Nikolic durchaus auch Wähler von Kostunica abziehen, die mit dessen Anti-EU-Kurs nicht einverstanden sind.

Nikolic kann nun eine nationalkonservative Kraft nach dem Muster der kroatischen Regierungspartei HDZ bilden, die sich von den nationalistischen Parolen der Ära Milosevic löst. Diese Partei hat ein großes Potential in Serbien; wie groß es ist, zeigt der Umstand, dass Nikolic bei der Präsidentenwahl im Februar fast 2,2 Millionen Stimmen gewann und dem prowestlichen Amtsinhaber Boris Tadic nur um 100.000 Stimmen unterlag. Möglich wurde dieser Erfolg, weil Nikolic die Partei mäßigte und versuchte, die Radikalen zu einer sozialen Protestpartei zu machen. Doch zum Sieg reichte es nicht, weil die nationalistische Erblast schwer wog, und Vojislav Seselj von seiner Zelle in Den Haag aus, jede weitere Transformation verhinderte. Nun ist Nikolic diese Bürde los, und die Radikalen dürften sich unter Seseljs indirekter Führung noch stärker zu einer antiwestlichen Partei mausern, die rückwärtsgewandt ist, und dumpfen Weltverschwörungstheorien anhängt. Doch diese Ideologie hat keine Zukunft, vor allem wenn es Serbien nun gelingt, die soziale und wirtschaftliche Lage dank der EU-Annäherung zu verbessern. Dessen ist sich Nikolic bewusst, der daher versuchte, die Radikalen zu modernisieren. Dieser Versuch scheiterte, weil Seselj aus Den Haag weiter auf die Partei Einfluss nehmen konnte. Daher muss sich auch das Tribunal die Frage gefallen lassen, warum es Seselj diese Freiheiten in seiner Zelle einräumte. Denn politische Aktivitäten sind Gefangenen untersagt, und schließlich hätte ein Gefängniswärter Seselj nur sein Mobiltelefon wegnehmen müssen, um dessen abstruses politisches Weltbild zu neutralisieren, das die EU als satanische Schöpfung begreift, wie der Titel eines seiner Bücher lautet.

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