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Neue Regierung in Serbien

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
Die neue serbische Regierung umfasst 27 Mitglieder aus sieben Parteien und ist das zweitgrößte Kabinett seit der Einführung des Mehrparteiensystems vor 17 Jahren. Stärkste Kraft in der Regierung ist die DS, die prowestliche Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Die DS stellt elf Minister; dazu zählen Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium. Zweitstärkste Kraft in der Regierung ist die Wirtschaftspartei G17-Plus; sie stellt sieben Minister und kontrolliert vor allem Wirtschaft und Finanzen. Zum ersten Mal seit dem Sturz von Slobodan Milosevic in der Regierung ist die Sozialistische Partei (SPS) Sie hat vier Minister; hinzukommen vier Kleinparteien mit je einem Regierungsmitglied. SPS-Vorsitzender Ivica Dacic ist zugleich erster stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister; die wichtigsten Funktionen der Polizei und den Chef des Inlandsgeheimdienstes wird jedoch die DS stellen. Sie entschloss sich zur Zusammenarbeit mit der SPS, weil nationalkonservative Partei des bisherigen Regierungschefs Vojislav Kostunica jede weitere EU-Annäherung ablehnt, seitdem die Mehrheit der EU die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat.

Diese Chance nutzen die Sozialisten, die nun aus dem Schatten von Slobodan Milosevic heraustreten und international „salonfähig“ werden können. Sie wollen sich als moderne Linkspartei profilieren und damit jene Wähler zurückgewinnen, die sie an die nationalistische Radikale Partei verloren haben. Die Radikalen sind eine soziale Protestpartei und die stärkste Kraft im Parlament, müssen aber weiter in Opposition bleiben. Die Regierung definiert sich daher als sozial-verantwortliches Kabinett, das sich besonders für Pensionisten und Arbeitslose einsetzen will: Erstes Ziel der ist es jedoch. Serbien so rasch wie möglich an die EU heranzuführen. So sagte der neue Ministerpräsident Mirko Cvetkovic in seiner Regierungserklärung, Serbien solle binnen vier Jahren für den EU-Beitritt reif gemacht werden. Ausdrücklich betonte Cvetkovic jedoch, dass Belgrad die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen werde. Weniger eindeutig war er bei der Grundvoraussetzung für die EU-Annäherung, bei der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Das Wort „Tribunal“ kam in der Regierungserklärung nicht vor; stattdessen sage Cvetkovic, Serbien werde seine internationalen rechtlichen Verpflichtungen erfüllen.

Dass die Sozialisten eine Auslieferung des meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers, Ratko Mladic, „schlucken“ werden, gilt in Belgrad als sicher. Weit fraglicher ist, wie diese große Regierung funktionieren wird, die im Parlament nur über die knappe Mehrheit von 128 von 250 Sitzen verfügt. Erpressungen kleinerer Koalitionspartner dürften zum täglichen Brot der Kabinettsarbeit gehören. Offen ist auch, in welchem Ausmaß Mirko Cvetkovic das Kabinett wird führen können. Der 58-jährige gilt als Wirtschaftsexperte und war bisher Finanzminister. Als Ministerpräsident wird er der DS von Staatspräsident Boris Tadic zugerechnet; über Einfluss in der Partei verfügt Cvetkovic nicht, und somit ist nun Boris Tadic der eigentlich starke Mann in Serbien, der die Hauptverantwortung dafür trägt, dass diese „Kohabitation“ funktioniert und die Regierung die versprochenen Reformen auch umsetzt. An sich stehen die Chancen dafür gut. Wahlen sind nicht mehr in Sicht, und auch der Status des Kosovo ist im Grunde geklärt, so dass sich das Kabinett wirklich auf seine Hausaufgaben konzentrieren kann.

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