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Serb ien vor der Stichwahl

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
In Serbien findet morgen die Stichwahl um das Amt des Präsidenten statt. Um die Stimmen der 6,7 Millionen Wahlberechtigten werben Amtsinhaber Boris Tadic und der Ultranationalist Tomislav Nikolic. Die Präsidentenwahl gilt als Richtungsentscheidung darüber, ob Serbien auch um Fall der Unabhängigkeit des Kosovo an der europäischen Integration festhalten soll oder nicht. Boris Tadic ist zwar auch strikt gegen die Anerkennung des Kosovo durch die EU, will aber trotzdem am Weg Richtung Brüssel festhalten. Tomislav Nikolic will im Falle der Unabhängigkeit die europäische Integration Serbiens stoppen und das Land eng an Russland binden. Welche der beiden Optionen obsiegen wird, ist offen. Meinungsforscher sagen jedenfalls ein Kopf-an Kopf-Rennen zwischen Nikolic und Tadic voraus.

Da es Spitz auf Knopf steht, hielten beide Lager am Ende des Wahlkampfs noch ein Mal Heerschau in Belgrad. Tadic wählte dazu den Platz der Republik, den Ort vieler Kundgebungen gegen Slobodan Milosevic. Dann zogen er und seine Anhänger durch das Zentrum, eine bewusste Reminiszenz an die 90iger Jahre und die Demonstrationen gegen Milosevic, dessen Koalitionspartner Nikolic war, Gleichzeitig versuchten Tadics Wahlkampfmanager an jene Stimmung anzuknüpfen, die vor dem 5. Oktober, dem politischen Ende des Milosevic-Regimes geherrscht hatte. Der Mobilisierung diente auch Tadics Botschaft, wonach Serbien niemals wieder das Land der Kriege, der Zerstörung und der Isolation und des Hasses werden dürfe. Seine zweite Botschaft war das Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo in Verbindung mit einem klaren Bekenntnis zur europäischen Integration. Ziel sei die Visa-Freiheit bis Jahresende und der EU-Kandidatenstatus binnen Jahresfrist. Diese Prognose war äußerst kühn; doch schließlich ging es nicht um konkrete Zeitpläne, sondern um die Wählermobilisierung und eine Perspektive, die Nikolic nicht bieten kann.

Während Tadic auch nationalistische Töne anschlug, trat Nikolic in der Frage der EU durchaus gemäßigt auf. Schließlich kämpfen beide um die wahlentscheidende nationalkonservative Mitte, die zwischen der EU und dem Kosovo schwankt. Daher beteuerte Tomislav Nikolic, er habe nichts gegen die EU, solange Brüssel die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkenne. Bei der Kundgebung von Nikolic in einer Belgrader Sport-Arena traten auch Vertreter nationaler Minderheiten auf. Nikolic und sein Wahlkampfstab waren konsequent bemüht, jenes negative Image des Extremismus abzubauen, das Tadic in Erinnerung zu rufen suchte. Generell präsentierte sich Nikolic als Vertreter der Armen und Arbeitslosen, als Kämpfer gegen Korruption, Drogen und Kriminalität.

Ob Nikolics Strategie aufgeht, oder ob Tadic siegen wird, ist offen. Sicher ist aber zweierlei: die Transformation der Ultranationalisten zu einer nationalkonservativen Partei steht noch am Anfang. Daher wird die EU sicher die Beziehungen zu Serbien einfrieren, sollte Nikolic siegen. Doch auch wenn Tadic Präsident bleibt, ist Serbiens EU-Kurs alles andere als klar. Sein Partner in der Regierung, der nationalkonservative Ministerpräsident Vojislav Kostunica ist ebenso strikt wie Nikolic gegen jede EU-Annäherung sollte Brüssel die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Serbien wählt morgen somit nicht zwischen der EU und dem (verlorenen) Kosovo, sondern zwischen Isolation und politischer Agonie. Denn der Konflikt Kostunica-Tadic könnte zu einer Regierungskrise und zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Die politische Lage in Serbien wird somit weiter instabil bleiben.

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