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Leitartikel über Serbien

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Der vor mehr als drei Jahren ermordete Ministerpräsident Zoran Djindjic hatte ein klares Ziel: er wollte Serbien so rasch wie möglich modernisieren, den massiven Zeitverlust der Ära Milosevic so weit wie möglich wettmachen und sein Land in die EU führen. Dieser Wunsch war und ist in Serbien ein Minderheitenprogramm, das von etwa 30 Prozent der Bevölkerung klar befürwortet wird. Djindjic war eine Ausnahmeerscheinung, ein Politiker mit dem Willen zu führen, auch gegen den hinhaltenden Widerstand einer Bevölkerung, deren Mehrheit nicht nur noch immer ländlich geprägt ist, sondern ein relativ niedriges Bildungsniveau aufweist.

Ob Djindjic erfolgreich gewesen wäre bleibt offen. Der Mord ist jedenfalls als antiwestlicher Akt zu werten, der in gewisser Weise erfolgreich war. Seine Demokratischen Partei (DS) ist nationalistischer geworden und Djindjics Nachfolger als Parteichef, Staatspräsident Boris fehlen Entschlossenheit und politisches Gespür, das Zoran Djindjic besessen hat. Trotzdem will Tadic, wohl aus Überzeugung, Serbien in die EU führen. Für Tadics Partner in der neuen Regierung und Djindjics Nach-Nachfolger als Ministerpräsident, für Vojilsav Kostunica, ist die EU-Integration dagegen keine „Herzensanliegen“. Der nationalkonservative Kostunica steht der antiwestlichen Strömung nahe, die schon im 19. Jahrhundert den auf Modernisierung bedachten Kräften massiven Widerstand geleistet hat.

Dieser weltanschauliche Gegensatz hat tagespolitische Folgen. Serbien ist das einzige Land des Balkan, in dem es mit den Ultranationalisten eine relevante politische Kraft gibt, die eine EU-Integration klar ablehnt. Doch auch Kostunica ist der Kosovo wichtiger als die EU, die für seinen Koalitionspartner DS oberste Priorität genießt. Die Frage, wie Serbien auf die Unabhängigkeit des Kosovo reagieren soll, wird daher die große Zerreißprobe für die neue Regierung werden. Kostunica ist für eine harte Linie, Tadic dürfte dagegen bereit sein, sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden. Die zweite Bruchlinie ist die Fahndung nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic. Von Kostunica nur halbherzig betrieben, liegt deswegen die EU-Annäherung seit einem Jahr auf Eis. Ob sich daran etwas ändert bleibt abzuwarten; denn der neue Innenminister ist auch der alte, und der wird von Kostunicas Partei gestellt. Ohne Auslieferung von Mladic an das Haager Tribunal wird ein Abschluss des EU- Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens aber kaum möglich sein.

Fast sieben Jahre sind seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vergangen, und Serbien hat durch politische Instabilität viel Zeit verloren. Die Zeche dafür bezahlt die Serben, die mit großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Gerade deshalb besteht zur raschen EU-Integration keine Alternative, so schmerzhaft der Verlust des Kosovo sein mag. Ob sich diese Erkenntnis durchsetzt, ist fraglich. Zwar ist der Einfluss pro-europäischer Kräfte in der Regierung größer als bisher; möglicherweise ist er nicht groß genug, um Serbien wieder klar auf EU-Kurs zu bringen. Djindjics Traum von einem stabilen, europäischen Serbien, könnte noch lange ein Traum bleiben.

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