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Vor neuer Verfassung und Neuwahlen in Serbien

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
In Serbien dürften noch im Dezember das Parlament und der Präsident vorzeitig neu gewählt werden. Zuvor wird voraussichtlich Ende Oktober oder Anfang November ein obligatorisches Referendum über die neue Verfassung stattfinden, die das Parlament in Belgrad möglicherweise bereits heute (Samstag) oder kommende Woche mit Zwei-Drittelmehrheit beschließen wird. Die Abfolge dieser Ereignisse ist das Ergebnis einer Vereinbarung, die Ministerpräsident Vojislav Kostunica mit den beiden größten serbischen Oppositionsparteien erzielt hat. Das sind die ultranationalistische Radikale Partei und die pro-westliche Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic.

Von den vorgezogenen Wahlen hoffen Tadic und Kostunica gleichermaßen zu profitieren. Tadic, weil er populärer als seine Demokratische Partei ist, der daher die Zusammenlegung nützen könnte; Kostunica, weil die Wahl vor der Festlegung des Status des Kosovo stattfindet, der nur eine weitgehende Unabhängigkeit der ehemals serbischen Provinz bedeuten kann. Kostunica hat massiv die nationalistische Karte gespielt und sich als kompromissloser Kämpfer für den Kosovo gebärdet, um die Ultranationalisten zu schwächen. Diese Politik könnte erfolgreich sein, weil ihr Scheitern erst nach der Wahl mit der Unabhängigkeit des Kosovo zutage treten wird. Hinzu kommt, dass Kostunica und Tadic offenbar ein Bündnis geschlossen haben. Demnach soll es nach der Wahl zu einer Koalition der beiden Parteien DSS und DS kommen. Kostunica könnte Ministerpräsident bleiben, wenn der Abstand zur DS nicht zu groß ist, die dafür Schlüsselressorts besetzt. Im Gegenzug unterstützt Kostunica die Wiederwahl Tadics zum Staatspräsidenten.

Mit dieser Vereinbarung kann Kostunica einen unrühmlichen Sturz seiner Regierung vermeiden. Denn die drei Minister der Wirtschaftspartei G17-Plus wollen bis 1. Oktober zurücktreten. Grund dafür ist, dass der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic nicht an das Haager Tribunal ausgeliefert wurde. Daher wird die EU Gespräche über die Annäherung Serbiens nicht wieder aufnehmen, die seit Mai auf Eis liegen. Ihre Fortsetzung bis Oktober war die Bedingung, die G17-Plus bereits im Mai für den Verbleib in der Regierung genannt hat.

Der Austritt der Partei G17-Plus aus der Regierung ist im Grunde eine Flucht nach vorn. Anlass dafür sind schlechte aber stabile Umfragewerte. Demnach liegen G17-Plus so wie die SPO, die zweite Partei in der Minderheitsregierung von Vojislav Kostunica, konstant unter der Fünf-Prozent-Hürde, die für den Einzug ins Parlament nötig ist. Nur Kostunicas Partei DSS kann somit damit rechnen, nach der nächsten Wahl unter den Parteien des so genannten demokratischen Blocks wieder eine wichtige Rolle zu spielen. Während die SPO abgesehen vom Außenminister keine wichtigen Ämter bekleidet, dominiert G17-Plus durch den Finanzminister und den Nationalbankpräsidenten praktisch den Finanzsektor Serbiens. Der Sturz in die politische Bedeutungslosigkeit wäre daher besonders schmerzhaft, und der Austritt aus der Regierung soll die Wahlchancen verbessern.

Doch auch Kostunica steht gegenüber den serbischen Wählern weitgehend mit leeren Händen da. Zu Beginn seiner Amtszeit versprach er, Serbien Richtung EU zu führen, den Staatenbund mit Montenegro zu wahren, die Unabhängigkeit des Kosovo zu verhindern und Serbien eine längst überfällige, moderne Verfassung zu geben. Doch die EU-Annäherung liegt auf Eis, Montenegro verließ den Staatenbund und die Unabhängigkeit des Kosovo rückt immer näher. Blieb somit nur die Verfassung, über die bereits seit mehr als zwei Jahre verhandelt wurde und die nun beschlossen wird.

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