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Visa-Lage Serbien

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Lange Schlangen in Belgrad sind ein recht gutes Indiz dafür, dass in dieser Straße die Botschaft oder das Konsulat eines EU-Staates beheimatet ist. Diese Schlangen empfinden viele Serben als Demütigung. So konnten die Bewohner des alten Jugoslawien ohne Visum in die ganze Welt reisen, während die armen Nachbarn im Ostblock keine Reisefreiheit genossen. Dass heute Rumänen und Bulgaren dieses Privileg genießen, wird als Schmach empfunden, weil sich viele Serben nicht bewusst sind, wie weit Slobodan Milosevic ihr Land zurückgeworfen hat. Hinzu kommt, dass ein Visawerber abgesehen vom Reisepass noch Einladungsschreiben, Kranken- und Unfallversicherung, sowie anderer Dokumente beibringen muss, die etwa die einladende Firma oder den privaten Gastgeber betreffen.

Die Konsulargebühr für ein Visum beträgt an der österreichischen Botschaft in Belgrad 35 Euro. Visa-Händler, die dagegen in der serbischen Zeitschrift Halo Oglasi inserieren, verlangen für ihre Dienste bis zu 2600 Euro. Dafür genügen Reisepass und zwei Fotos, alles andere wird „organisiert“. So haben die Händler ihr Handwerk derart verfeinert, dass nicht nur Einladungen, Geburtsurkunden oder Versicherungen gefälscht werden. So ist an der Botschaft in Belgrad ein Fall aktenkundig, bei dem bei Pässen eines Ehepaares je ein gefälschtes Visum für Frankreich und Deutschland gefunden wurde. Gefälscht wurde somit auch die Visa-Vignette, doch diese Totalfälschungen sind selten. Weit häufiger und immer besser werden die nötigen Dokumente gefälscht, etwa Firmenlogos für Einladungen, die via Internet herunter geladen werden. Daher müssen kriminelle Firmeninhaber und Konsularbeamte generell nicht der entscheidende Schlüssel zum Erfolg für die Visa-Händler sein, obwohl kriminelle Verfehlungen natürlich eine Rolle spielen und manche Fälschungen so schlecht waren, dass sie eigentlich hätten auffallen müssen.

Im Jahre 2004 stellte die Botschaft in Belgrad 38.000 Visa aus, während 1600 Anträge abgelehnt wurden; das sind fünf Prozent; Österreich liegt damit im Mittelfeld der Schengen-Staaten. Zu bearbeiten haben die Anträge sechs lokale Mitarbeiter und vier Österreicher, die allein zeichnungsberechtigt sind. Sie haben im Zweifelsfall Anträge etwa durch Anrufe bei Firmen oder durch Rücksprache mit dem Innenministerium zu prüfen, wobei die Wirtschaft auf möglichst rasche Visa-Erteilung drängt. Erschwert wird die Arbeit der Beamten, weil das Computerzeitalter bei den Botschaften nur bedingt genutzt wird. So sind die Computer nicht dazu programmiert, auf gehäuft auftretende Einladungen einer Firma hinzuweisen, die eine Schein- oder Tarnfirma sein könnte. Noch intensiver könnte trotz Polizeiattache wohl die Kooperation zwischen Innen- und Außenministerium sein. So verfügt das Innenministerium über Dokumentenberater, die speziell dazu ausgebildet sind, Fälschungen zu erkennen. Sie kommen pro Jahr ein bis zwei Mal für zwei bis drei Tage an die Botschaft, doch ob diese Aufenthaltsdauer ausreicht, ist fraglich, zumal der Kampf der serbischen Behörden gegen Visa-Händler durchaus mit mehr „Enthusiasmus“ geführt werden könnte.

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