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Was ist Wenn .... Österreich und Jugoslawien als journalistische Herausforderung

Zeitung
Wiener Journal
Berichte Serbien
Vor etwas mehr als zehn Jahren standen in Österreich wieder ein Mal Nationalratswahlen bevor. Bei den Freiheitlichen gabe es drei mögliche Kandidaten: den damaligen (und heutigen) Landeshauptmann von Kärnten, Heide Schmid als Generalsekre-tärin und Norbert Gugerbauer als Klubobmann. Das innerpar-teiliche Tauziehen dauerte einige Wochen und so beschloß ein Magazin 10 der „bestinformiertesten innenpolitischen Journa-listen“ zu befragen, wer den bei der FPÖ Spitzenkandidat werde. Sieben tippten auf Haider, drei auf Heide Schmid:

Spitzenkandidat wurde Norbert Gugerbauer.

Ist Österreich ein autoritärer oder totalitärer Staat, in dem zuverlässige Informationen und richtige Einschätzungen nur schwer möglich sind ?

Vor knapp eineinhalb Jahren fanden in Kärnten Landagswahlen statt. Alle Parteien – natürlich mit Ausnahme der FPÖ – schworen Stein und Bein, Haider werde nur Landeshauptmann, wenn er die absolute Mehrheit gewinne. Die große Mehrheit der Journalisten glaubte und schrieb das auch – schließlich genügten auch 42 Prozent sowie die politische Dynamik als Verbündeter und Haider war wieder am Ziel ?

Ist Österreich ein autoritärer oder totalitärer Staat, in dem zuverlässige Informationen und richtige Einschätzungen nur schwer möglich sind ?

Vor noch nicht ein Mal einem Jahr fanden in Österreich Natio-nalratswahlen statt. Knapp vor der Wahl platze eine innenpoli-tische Bombe: der Vorsitzende eine Regierungspartei verkün-dete, er werde ohne wenn und aber in die Opposition gehen, sollte seine Partei nur drittstärkste Kraft werden. Diese Ankündigung wurde damals von fast allen Politikern dieser Partei bekräftigt, doch – zur Ehrenrettung meines Berufs-standes sei es gesagt – nur von wenigen Journalisten geglaubt. Das dieser Parteivorsitzende jedoch nur drei Monate nach der Wahl als Obmann der drittstärksten Kraft auch Bundeskanzler einer blau-schwarzen Regierung sein werde, tauchte hin und wieder als Spekulation auf, wurde aber trotzdem nicht in dieser Deutlichkeit erkannt oder geschrieben oder vorher-gesagt.

Ist Österreich ein autoritärer oder totalitärer Staat, in dem zuverlässige Informationen und richtige Einschätzungen nur schwer möglich sind ?

Natürlich ist Österreich kein totalitärer Staat, ebenso wenig wie übrigens auch Jugoslawien unter seinem (ehemaligen ?) Präsidenten Slobodan Milosevic. Denn Diktatoren – so ein Bel-grader Intellektuelle vor der Wahl – werden nicht abgewählt, sondern erschossen. Wenn diese Zeilen gedruckt sein werden, wird klar sein, ob die Prognose des Intellektuellen vor der Wahl richtig war, Milosevic werde eine massive Niederlage anerkennen und zurücktreten. Letztendlich bin ich nun auch dieser Meinung; doch ich gehöre weder zum engsten Führungs-kreis von Slobodan Milosevic, noch zur Führungsspitze seiner Partei und seiner Frau. In diesem Zusammenhang kommt der Ver-gleich zwischen Österreich und Jugoslawien ins Spiel. Wieso sind Analysen offensichtlich derart schwierig – will man nicht davon ausgehen, daß ein ganzer Berufsstand in Österreichern aus Personen besteht, von denen Bismarck behauptet hatte, er bestehe aus Personen die ihren Beruf verfehlt hätten.

In Jugoslawien war bis zu den Wahlen am 24. September die Lage klar: die sogenannten demokratischen Oppositionsparteien waren für Journalisten weit offener als die Regierungsparteien: Die ultranationalistische Radikale Partei Serbiens lehnte einen Kontakt mit Journalisten aus einigen westlichen Ländern über-haupt ab. Bei Sozialisten und JUL beschränkten sich die Kon-takte zumeist auf Pressekonferenzen, die durchaus informative Züge aber auch einen gewissen Verlautbarungscharakter auf-wiesen. „Die Kraft ist in der Wahrheit“, lautete ein Slogan der „Jugoslawischen Linken“ doch die biblische Frage „Was ist Wahrheit ?“, war wegen der Verschlossenheit dieser Parteien betsenfalls auf indirektem Wege zu erahnen. Dem steht das politische System Kakaniens gegenüber, in dem „innenpolitische Spitzenjournalisten“ einen viel leichteren Zugang zu Politi-kern haben. Deren Bereitschaft zur Wahrheit entspricht viel-leicht dem Grad der Offenheit des politischen Systems in Jugoslawien, doch ist die Widersprüchlichkeit, Unübersicht-lichkeit und Komplexität des westlich-demokratischen Systems

Größer als die eines totalitären Systems. Die leichter zu-gängliche Informationsmenge ist daher viel größer und er-fordert eine gründliche Bearbeitung und Analyse und wider-spricht damit einem fundamentalen journalistischen Motto, das systemunabhängig ist: „Ich wird‘ mir doch eine gute G’schicht net durch a gründliche Recherche z’ammhaun.“

Der Vorteil autoritärer oder totalitärer System liegt darin, daß politische Richtungsänderungen und Grundsatzentscheidungen sowie Krisen besser zu erkennen sind. Analytiker der früheren Sowjetunion haben immer wieder betont, daß bereits kleine Nuancen in der „Pravda“ genügten, um Verännderungen zu erkennen. Dies war (ist) richtig, denn die Artikel der Pravda aren bereits das Ergebnis komplexer politischer Entscheidungs-prozesse, die zwar schwer nachvollziehbar, aber nach deren Abschluß klar erkennbar waren.

Ähnliches galt am Wahltag und in den Tagen nach der Wahl auch für Serbien. 16 Stunden lang präsentierte das staatliche ser-bische Fernsehen keine klaren Angaben über die Wahlergebnisse. In der Wahlnacht waren die Parteizentralen der Sozialistischen Partei Serbiens und der Jugoslawischen Linken drei Stunden lang verweist. Es wird vermutet, daß in dieser Zeit Beratungen

hinter verschlossenen Türen stattfanden. Eine klare Linie kann dabei zunächst nicht gefunden worden sein; denn JUL erklärte anschließend, Milosevic habe bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit gewonnen, während die Sozialisten zunächst verkündeten, ihr Kandidat habe 44 Prozent der Stimmen erzielt, die absolute Mehrheit sei aber noch möglich. So dauerte es fast einen Tag bis es am Montag nach der Wahl zu einer gemein-samen Pressekonferenz der zwei Parteien kam, bei der das Wahl-ergebnis verkündet wurde. Nach Angaben von Sozialisten und Jugoslawischer Linken liegt bei einem Auszählungsgrad von 37 Prozent Amtsinhaber Slobodan Milosevic mit 44 Prozent vor seinem Herausforderer Vojislav Kostunica, der bei 4o Prozent hält. Ein Wahlsieg von Milosevic im ersten Durchgang wird noch für möglich erklärt, doch die stolzen Ankündigungen, Milosevic gewinne auf jeden Fall im ersten Durchgang sind verstummt. Wie sehr der „Hut brennt“ zeigt der Umstand, daß die Niederlage bei den serbischen Kommunalwahlen sang- und klanglos einge-standen wurde. Vor vier Jahren mußte die serbische Opposition noch drei Monate für dieses Zugeständnis demonstrieren.

Das eigentlich zuständige Organ, die Zentrale Wahlkommission, die dem Bundesparlament untersteht, gab bis zu diesem Zeit-punkt keine einzige öffentliche Stellungnahme ab. Auch das ist ein Hinweis für die Konfusion, die nach dem Wahlschluß geherrscht haben muß. Als der Belgrader Paretivorsitzende Ivica Dacic dann am Mittwoch nach der Wahl erklärte, die Sozialisten hätten die wichtigste Wahl, die Parlamentswahl, gewonnen, wurde klar, daß eine neue Phase begonnen hatte. Denn diese Ankündigung zeigte die neue Rückzugsline auf und bedeu-tete das indirekte Eingeständnis der Niederlage von Slobodan Milosevic. Nur wenige Stunden später teilte die staatliche Zentrale Wahlkommission mit, Vojilsav Kostunica führe vor Milosevic im ersten Durchgang der Präsidentenwahl, doch sei eine Stichwahl nötig.

Was weiter geschah, weiß der Leser dieser Zeilen bereits, der Autor wußte es am 27. September noch nicht. Die grundlegende Schlußfolgerung, die aus all dem zu ziehen ist lautet:

Es gibt keine wirklichen (Jugoslawien-)Experten, die im Besitz der Wahrheit sind; denn selbst Kenner der politischen Lage wie Milosevic können gravierende Fehleinschätzungen begehen. Hinzu kommt, je näher eine Person dem Zentrum der Macht ist, desto selektiver sind sein Aussagen, die oft auch zur Manipulation der Journalisten genutzt werden.

Der Wissensstand eines Journalisten ist begrenzt; dieser Tatsache sollte sich ein Journalist stets bewußt sein, denn sie kann und soll zur Demut führen, die nicht nur eine christliche Tugend ist, sondern auch vor gravierenden Fehleinschätzungen bewahren kann.

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