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Das Spiel über die Bande Voijislav Kostunica steht vor einer enormen Herausforderung

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Berichte Serbien
Noch ehe die Machtübernahme der Demokratischen Opposition unter Vojislav Kostunica völlig abgeschlossen ist, werden bereits die ersten internationalen Konsequenzen der samtenen Revolution in Jugoslawien sichtbar. Die Isolation des Landes geht zu ende, die Sanktionen werden aufgehoben und mit einer Rückkehr „Jugoslawiens“ nach Europa zu rechnen.

Wie schnell dieser Prozeß verläuft, hängt vor allem von der Entwicklung in Serbien ab. Gelingt es Kostunicas Allianz DOS die Serbische Radikale Partei(SRS)und die Serbische Erneu-erungsbewegung(SPO) für sich zu gewinnen, könnte es in Serbien zu vorgezogenen Wahlen kommen. Die SPO hat bereits einen Miß-trauensantrag gegen die serbische Regierung eingebracht, die derzeit von Sozialisten, Jugoslawischer Linken und Radikalen gebildet wird. SPO und SRS verfügen im serbischen Parlament über eine knappe absolute Mehrheit, noch vor den Wahlen am 24. September ließen die Radikalen eine gewisse Bereitschaft erkennen, diesem Mißtrauensantrag zu zustimmen. Allerdings wurde die Radikale Partei bei den Wahlen am 24. September in den serbischen Gemeinden und im Bundesparlament derart ge-schwächt, daß trotz aller anders lautenden Ankündigungen die Angst vor dem Machtverlust größer sein könnte als der Wille zum Wandel. Denn die letzte Bastion, die den Radikalen ver-blieben ist heißt Serbien. Zum Umsturz der politischen Ver-hältnisse haben die Radikalen bisher nicht Stellung genommen; daher wird der kommende Montag besonders spannend sein, wenn das serbische Parlament zusammen tritt, um über dieses Mißtrauensvotum abzustimmen. Regulär fänden die Wahlen in Serbien erst Mitte nächsten Jahres statt, so daß der Transformationsprozeß, den Kostunica einleiten will, bereits vom Start weg an Dynamik verlieren könnte, denn die Macht des jugoslawischen Präsidenten ist eher gering, die der Teilrepubliken aber groß.

Hinzu kommt, daß die Milosevic Parteien im Bundesparlament wegen des Wahlboykotts der pro-westlichen Regierungsparteien Montenegros bisher noch über eine absolute Mehrheit verfügen, eine weitere Hypothek, die Kostunica jedoch überwinden könnte.

Um diese Mehrheit zu brechen, ist die Demokratische Opposi-tion Serbiens an guten Beziehungen zur Sozialdemokratischen Volkspartei (SNP) Montenegros interessiert, die bisher vom Milosevic Getreuen Momir Bulatovic geführt wird, der jugo-slawischer Ministerpräsident ist. Der zweite Mann in der SNP-Hierarchie heißt Pedrag Bulatovic und soll nicht gerade über das beste Verhältnis zu seinem Namensvetter und Parteichef verfügen. Deutliche Hinweise in Belgrad und Podgorica besagen, daß eine Kostunica als Präsident Pedrag Bulatovic oder den zweiten Stellvertreter der SNP, Zoran Zizic zum jugoslawischen Ministerpräsidenten ernennen könnte, um die SNP aus der Allianz der Milosevic-Parteien zu lösen und deren Mehrheit im Bundesparlament zu brechen. Pedrag Bulatovic und Zoran Zizic haben den Sieg von Vojislav Kostunica bei der Präsidentenwahl ebenso anerkannt wie ihre Teilnahme an der konstiturierenden Sitzung des Bundesparlaments kommenden Montag zugesagt. Dis SNP ist an einer Zusammenarbeit mit dem Bündnis DOS zumindestens aus zwei Gründen interessiert; erstens ist die SNP gegen die Abspaltung Montenegros von Jugoslawien und zweitens würde ein jugoslawischer Regierungschef aus dem Kreis der SNP den Einfluß dr Partei gegenüber dem montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic stärken.

Darüber hinaus setzen DOS und Kostunica auch auf den pro-jugoslawischen Flügel in der montenegrinischen Regierungs-koalition „Für ein besseres Leben“ unter Präsident Milo Djukanovic. Zu dieser Gruppe zählt die eine Kleinpartei aber vor allem der montenegrinische Parlamentspräsident Zvetosar Marovic, der innerparteiliche Gegenspeiler von Djukanovic in der „Demokratischen Sozialistischen Partei“ (DPS). Zwischen Marovic, Kostunica und Zoran Djindjic bestehen rege Kontakte, dieauch während des gesamten Wahlkampfes und der Wahl selbst gepflegt wurden. Ein jugoslawischer Präsident Kostunica hat somit viele Ansatzmöglichkeiten, um Montenegro von der Unabhängigkeit abzuhalten und damit auch den Einfluß von Präsident Djukanovic zu schwächen. Denn in der Regierungs-koalition gibt es klare Befürworter einer Unabhängigkeit und Anhänger einer erneuerten Föderation mit Serbien ohne Milosevic.

Um diesen Ansatz Kostunicas zu durchkreuzen stellte Djukanovic jüngst die Ausschreibung eines Referendums über die Unab-hängigkeit in Aussicht, sollte die montenegrinischen SNP mit irgendeiner serbischen Partei ein Bündnis eingehen. Der Tages-zeitung „Vijesti“ sagte Djukanovic, die überwältigende Mehr-heit von 80 Prozent der Monetenrginer – diese Zahl entspricht in etwa dem Wahlboykott – werde nie „eine Montenegro-feindliche Politik aus Belgrad hinnehmen, egal ob diktatorisch oder in demokratischer Hülle verpackt“. Diese klare Warnung an Kostunica bedeutet, daß Monetengro auch unter einer demokra-tischen Führung in Belgrad bestenfalls bereit sein könnte, eine formale Föderation mit Serbien zu bewahren. Dies hängt allerdings davon ab, wie sehr sich Djukanovic in seiner eige-nen Partei behaupten kann. Als weiter Faktor, den Djukanovic bei diesem Spiel über mehrere Banden zu berücksichtigen hat, sind die USA und die EU zu nennen. Denn Verfassungsbrüche Montenegros, die gegen Milosevic noch quasi als „Heldentat“ qualifiziert wurden, werden gegenüber dem „Demokraten“ Kostunica sicher nicht auf Gegenliebe stoßen. Daher wird Djukanovic wohl oder übel zu einem Modus vivendi mit Kostunica komen müssen, außer er entscheidet sich für die Unabhängig-keit, denn die unter Kostunica besteht keine Gefahr mehr, daß Serbien auf eine Unabhängigkeitserklärung mit militärischen Mitteln antwortet. Allerdings könnte auch die Bereitschaft der Montenegriner für die Unabhängigkeit zurückgehen, sollte Kostunica als gemäßigterer serbischer Natioanlist erweisen als er derzeit von nicht so wenigen Montenegrinern angesehen wird.

Leichter hätte es Kostunica mit dem Kosovo; denn unter seiner Führung wäre der Westen wohl kaum bereit, die Unabhängigkeit des Kosovo zu unterstützen, doch könnte diese Rechnung am Widerstand der Albaner scheitern. Die Lösung des Kosovo-Problems ist unter Kostunica somit sicher nicht einfacher geworden. Zu den weiteren Problemkreisen Kostunicas zählen die Beziehungen zu den Nachfolgestaaten Jugoslawiens sowie zu den übrigen Nachbarstaaten; zu nenn sind in diesem Zusammenhang Fragen der Schulden- und Vermögensaufteilung Ex-Jugoslawiens sowie Minderheitenfragen. Eine Nebenfront bildet noch die Frage, ob Slobodan Milosevic je an das Kriegsverbrecher-tribunal in Den Haag ausgeliefert werden wird. Kostuinica und praktisch alle serbischen Politiker lehnen das ab, nicht nur aus Überzeugung, sondern auch aus politischem Überlebens-willen, denn kein Serbe würde eine derartige Schmach hin-nehmen. Der Westen sollte in seiner Jugoslawien-Politik jedenfalls die negativen Erfahrungen mit Deutschland zu Beginn der Weimarer Republik berücksichtigen. Kostunica darf nicht dazu gezwungen werden, nationale Hypotheken und Schuldscheine einzulösen, die Slobodan Milosevic unterzeichnet hat, denn eine Dolchstoßlegende hat in der Geschichte noch niemals einen dauerhaften Frieden gebracht, weder in Deutschland noch in Serbien.

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