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Del Ponte traf Kostunica

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
In Belgrad ist die Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrechertribunals, Karla Del Ponte, mit dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica zusammen-getroffen. Das etwa einstündige Gespräch dürfte wie erwartet in angespannter Atmosphäre verlaufen sein. Denn anschließend verließ die Chefanklägerin des Haager Tribunals den Präsidentenpalast ohne eine Erklärung abzugeben. Auch Kostunica war zu keiner Stellungnahme bereit. Bekannt ist nur, daß Del Ponte Kostunica eine geheime Anklage des Tribunals gegen einen Serben übergeben hat. Die Existenz geheimer Anklagen hat Kostunica bereits vor dem Treffen wörtlich als Schande bezeichnet.

Der erste Besuch von Del Ponte in Belgrad zählt zu den heikelsten Missionen der Chefanklägerin. Kostunica wirft dem Haager Tribunal vor einseitig und antiserbisch zu sein. Er weiß jedoch, daß Jugoslawien als UNO-Mitglied mit dem Tribunal zusammenarbeiten muß. Trotzdem lehnt er die vom Tribunal geforderte Auslieferung seines Amtsvorgängers Slobodan Milosevic und anderer mutmaßlicher serbischer Kriegsverbrecher an Den Haag ab. Diese Haltung vertreten auch die Mehrheit der Parteienallianz DOS und die Mehrheit der Serben. Kostunica und der künftige serbische Regierungschef Zoran Djindjic wollen Milosevic vor ein serbisches Gericht stellen. Eine Beteiligung des Haager Tribunals gilt aber als möglich. Seit dem Sturm auf das Parlament sind erst vier Monate vergangen und die Serben haben andere Sorgen als Vergangen-heitsbewältigung. Weit präsenter sind zudem eigene Opfer, wie etwa vermißte Kosovo-Serben, deren Angehörige auch gestern wieder demonstriert haben. Die eigenen Opfer betont auch Kostunica, der auf langsamen Wandel setzt und in den Streitkräften die alte Garde bisher nicht ausgetauscht hat. Den Kosovo-Krieg hat Kostunica erst jüngst wörtlich als Verbrechen bezeichnet.

Vor ihrem Gespräch mit dem jugoslawischen Präsidenten hat Del Ponte mit der Mutter eines jener 16 Mitarbeiter des serbischen Fernsehens gesprochen, die beim NATO-Angriff auf das Gebäude getötet worden waren. Nach Angaben des Rechtsanwalts dieser Frau hat Del Ponte erklärt, die NATO habe Slobodan Milosevic von dem geplanten Angriff informiert. Milosevic selbst habe einen hohen Funktionär des Fernsehens von dem bevorstehenden Bombenangriff unterrichtet; dieser Mann habe jedoch diese Information an die anderen Mitarbeiter des Senders nicht weiter gegeben. Karla Del Ponte wird noch zwei Tage in Belgrad bleiben und heute auch mit dem jugoslawischen Außenminister Svilanovic zusammentreffen.
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